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Fakten zur Aufführung 

MARCO ATTILIO REGOLO
(Alessandro Scarlatti)
27. November 2011
(Premiere am 25. November 2011)

Rokokotheater Schloss Schwetzingen
Theater Heidelberg
Schwetzinger Winter


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Schlechte Zeiten, gute Zeiten

Ein wenig mutet einen das Stück Marco Attilio Regolo von Alessandro Scarlatti aus der Frühzeit des Genres Musiktheater wie eine Seifenoper an, denn die Zutaten Machtgier, Liebe, Egotrip und Eifersucht sind ebenso unwirklich, als ob sie aus einem Fernsehapparat auf den Konsumenten nieder rieseln würden. Regisseurin Eva-Maria Höckmayr hat denn auch  die Bühne durch Nina von Essen in einen teilbaren Guckkasten rahmen lassen, in dem sich die Figuren aufeinander zu bewegen. Wenn sie besonders zornig oder vor Liebeswut entbrannt sind, dann wird der Kasten beiseite geschoben oder nach oben gezogen und eine Baugerüst-Treppe führt hinauf ins Leere. Denn die ganze Story ist reichlich sinnentleert, dafür aber aus schöner Musik gefügt und mit belebter Figurenzeichnung ausgefüllt.

„Winter in Schwetzingen“ heißt der attraktive Ableger, wenn das Theater der Stadt Heidelberg seine Zusatzaktivitäten ins kurpfälzische Schloss Schwetzingen verlegt. Das dortige Theater ist ideal geeignet, um die Intimität des Kammerspiels herbeizuzaubern. Alessandro Scarlatti, um 1700 Mitbegründer des neapolitanischen Opernstils, vermengt in seiner 1719 uraufgeführten Oper Marco Attilio Regolo historische Politik mit privaten Seelenzuständen. Die Titelfigur, ein römischer Feldherr, wird vom karthagischen Potentaten Amilcare festgenommen. Die attraktive Gattin Fausta und das liebreizende Töchterlein Emilia bleiben als Faustpfand zurück, wenn Attilio nach Rom zurückgeschickt wird, um einen Frieden auszuhandeln.

Aber der ist nur an Nachruhm interessiert und bereit, Frau und Tochter zu opfern, um seinen Egotrip von einem, der standhaft bleibt, zu verwirklichen. Amilcare wiederum begehrt Fausta heftigst und schreckt vor Folter nicht zurück, um deren Willen zu brechen. Aber eigentlich soll er, um der Macht willen, eine Eraclea heiraten. Und sein Bundesgenosse, der Spartaner Santippo, liebt aus ganzem Herzen Emilia und verrät aus Mitmenschlichkeit die Bundesgenossenschaft zu Karthago. Ein Glücksfall, denn am Ende kommt zusammen, was zusammen will und/oder zusammengehört.

Nun ja, der – aus heutiger Sicht – seltsame Plot ist typisch für die Barockoper, doch mit der deutschen Erstaufführung macht die Inszenierung  plausibel, dass die Probleme recht zeitübergreifend verstanden werden können, weil egomanes Verhalten den Blick trübt und Verblendung abstruse Folgen haben kann. Die Aktualität unterstreicht Julia Rösler durch heutige Kostümierung der Protagonisten, und die szenische Umsetzung beinhaltet hohen Unterhaltungswert.

Die Heidelberger Philharmoniker haben sich in den letzten Jahren, als beim „Winter in Schwetzingen“ die venezianische Oper im Mittelpunkt stand, eine hohe Kompetenz in historischer Spielweise erarbeitet. Dirigent Rubén Dubrovsky nutzt diese, um dieser Oper griffiges Gepräge voller Affekte durchaus auch mit harten Kanten zu verleihen. Einige Partiturstriche mehr wären aber durchaus vertretbar. Gesungen wird von den Frauen ganz ausgezeichnet, von den Männern gut. Die Garde der Sopranistinnen führt Sharleen Joynt  als Fausta an, denn von Hysterie bis hinreißend schöner Linie gibt sie dieser Figur attraktives Profil. Annika Sophie Ritlewski wird schon vom Äußeren her zur idealen Verkörperung eines Backfischs, und ihre Stimme kann inniges Leuchten ebenso wie liebestolle Verzweiflung ausdrücken. Und Hye-Sung Na besticht als Eraclea durch klare Stimmführung und burschikosen Ausdruck. Bei den Herren gefällt vor allem der variable Tenor von Daniel Johannsen als Santippo, der zum Befreier der Gefangenen wird. Terry Wey bietet in der Titelpartie einen runden, ja oft samtenen Counter auf, der allerdings die Qualen kaum charakterisieren kann. Antonio Giovannini ist der andere Counter, der als Amilcare viele Nuancen des Ausdruck bereithält, allerdings gelegentlich etwas flackernd singt.

Der Start in das winterliche Festival kommt beim Premierenpublikum sehr gut an.

Eckhard Britsch

Mehr Informationen zum „Winter in Schwetzingen“






 
Fotos: Klaus Fröhlich