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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauss)
14. Juni 2013
(Premiere)

Schlossfestspiele Schwerin


Points of Honor                      

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Buntes Treiben vor dem Schloss

Was sind die Zutaten für eine erfolgreiche Operettenaufführung im Freien? Man nehme eine malerische Kulisse, wähle einen Klassiker der Operette, den jeder kennt, inszeniere das Werk bunt, eingängig und unterhaltsam und hole neben den bestens disponierten Sängern einen Stargast, der die Massen anzieht. Ein simples Konzept, dass in Schwerin voll aufgegangen ist. Heraus kommt ein unterhaltsamer Abend mit schön gesungenen Melodien, zündenden Pointen und jeder Menge Schmaus für Auge und Ohr.

Mit dem Klassiker Die Fledermaus von Johann Strauss sind die Schlossfestspiele Schwerin 2013 erfolgreich eröffnet. Nach dem bemerkenswerten Ausflug in die Zirkusakrobatik mit dem Bajazzo im vergangenen Jahr haben sich die Schlossfestspiele wieder ganz traditionell open-air präsentiert. Peter Dehler hat die Inszenierung liebevoll einstudiert. Die Dialoge sind wohltuend gekürzt, die bekannten Gags und Pointen sind angefrischt und zünden immer noch, und das gesamte Ensemble hat großen Spaß am bunten Treiben vor der malerischen Kulisse des Schweriner Schlosses. Dehler unternimmt gar nicht erst den Versuch, die Fledermaus neu zu erfinden. Die Geschichte lebt von ihrer Dynamik und den mitreißenden Melodien, die Dehler ganz klassisch in den Vordergrund stellt. Rosalinde ist die überlegene Gattin, die mit ihrem etwas naiv trottelig wirkendem Ehemann Gabriel von Eisenstein spielt. Der wiederum beeindruckt als großer Charmeur, dem auch das pfiffige Stubenmädel Adele nur schwer widerstehen kann. Sänger Alfred bedient alle klassischen Klischees des schwerenötigen Tenors, und die anderen Protagonisten reihen sich witzig-spritzig in das Ensemble ein.

Und doch gerät der dritte Aufzug anders als gewohnt. Der besoffene Gerichtsdiener Frosch ist kein drittklassiger Zotenreißer, sondern ein erstklassiger Schauspieler. Walter Plathe verleiht dieser Rolle so viel hintergründigen Witz und Charme, dass sein Auftritt durchaus als Höhepunkt der ansonsten konventionellen Aufführung bezeichnet werden darf. Auch wenn es viele bekannte Witze und Klischees gibt, die beim Frosch einfach dazugehören: Plathe gestaltet sie einmalig. Sein Auftritt erinnert an den großen Fritz Muliar als braver Soldat Schwejk. Etwas listig verschlagen, einfach strukturiert, aber immer liebenswürdig. Plathe in dieser Rolle verleiht der Aufführung die gewisse Würze, die eine Fledermaus einfach braucht.

Olaf Gambow hat mit einfachen Mitteln und wenigen Schiebekulissen ein buntes Bühnenbild errichtet, das wunderbar zur prachtvollen Schlosskulisse im Hintergrund kontrastiert. Der dritte Aufzug mit einem überdimensionierten Schreibtisch, der gleichzeitig als Gefängnis dient, ist besonders gelungen. Susanne Richter hat für Chor und Sängerensemble bunte phantasievolle Kostüme gewählt, die optisch in die Wiener Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts passen.

Die Sänger liefern unter den technischen Bedingungen mit Verstärkung und Mikro-Port eine mehr als respektable Leistung ab, zumal es bis kurz vor der Aufführung noch heftig geregnet hat und die Bühne nicht abgetrocknet ist. Márta Kosztolányi ist eine wunderbare Rosalinde. Mit ihrem ungarischen Akzent ist ihr die Rolle förmlich auf den Leib geschnitten. Mit ihrer warmen Mittellage und den strahlenden Höhen überzeugt sie, und ihr Csárdás Klänge der Heimat ist musikalischer Solohöhepunkt. In Peter Bording als ihr untreuer Gatte Gabriel von Eisenstein hat sie einen ebenbürtigen Partner, der mit markantem Bariton aber auch alle Höhen meistert und vor allem durch ein mitreißend witziges Spiel und großen Charme begeistert.

Andreas Hermann bedient als Tenor Alfred alle Klischees und darf nach Lust und Laune gesanglich in anderen Opern und Operetten wildern. Katrin Hübner ist als Stubenmädchen Adele eine Idealbesetzung, mit leuchtendem Soubrettenklang und witzigem Spiel. Constanze Heller überzeugt mit warmem Mezzo-Klang und klaren Höhen als Prinz Orlofsky. Markus Vollberg gibt den Dr. Falke mit wohlklingendem Bariton und hinterlistigem Spiel, und Igor Storozhenko überzeugt mit markantem Bass als Gefängnisdirektor Frank. Christian Hees gibt den stotternden Advokaten Dr. Blind als herrliche Knallcharge, und Daniela Sieveke als Ida und Andriy Kulinich als Ivan (Rebroff) fügen sich harmonisch in das überzeugende Ensemble ein.

Ein Sonderlob hat sich Davina Kramer verdient, die während der Ouvertüre als getanzte Fledermaus auf nassem Boden das Publikum schnell in Champagnerlaune versetzt. Und nicht zu vergessen Perla und Meta von Mecklenburg, zwei Weimaraner einer hiesigen Hundeschule, die im ersten Aufzug einen Kurzauftritt haben und den Sängern fast die Show stehlen.

Die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin unter der Leitung von Daniel Huppert spielt einen leicht beschwingten Strauss, mit Dynamik und Leidenschaft. Schon die Ouvertüre kommt schmissig; manchmal wünscht man sich noch etwas mehr Tempo, doch unter den gegebenen technischen Bedingungen, wo das Orchester in einem Nebenraum spielt und alles nur via Monitor übertragen wird, sind natürliche Grenzen auch schnell erreicht. Dennoch ein großes Kompliment an die Technik, die durch feine Aussteuerung die schwierige Akustik open-air beherrscht und dem Publikum so ein fast ungetrübtes Hörerlebnis beschert. Ulrich Barthel hat den spielfreudig agierenden Opernchor bestens eingestellt.

Das Premierenpublikum auf der aufgebauten Tribüne vor dem Schloss spendet am Schluss großen und herzlichen Applaus für alle Beteiligten. Insgesamt wird die Inszenierung sehr positiv aufgenommen, und das Konzept von Peter Dehler ist voll aufgegangen. Wer Operette pur erleben möchte, ist bei den Schweriner Schlossfestspielen auf der richtigen Seite.

Der einzige Wermutstropfen an diesem Abend ist der Rocksound eines Konzertes der Gruppe Silly, den der Wind immer wieder mit Johann Strauss mischt. Da müssen sich die Verantwortlichen der Stadt Schwerin die Frage gefallen lassen, ob diese Doppelung von Musikereignissen notwendig ist. Bei nicht billigen Eintrittspreisen und den Widrigkeiten einer Freiluftaufführung braucht man nicht noch weitere musikalische Untermalung.

Andreas H. Hölscher







Fotos: Silke Winkler