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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
6. August 2012
(Premiere am 27. Juli 2012)

Salzburger Festspiele,
Felsenreitschule


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Klangmagier Harnoncourt

Auch bei den diesjährigen Salzburger Festspielen bleibt die Zauberflöte ihrem Ruf treu, voller Geheimnisse zu sein. Regisseur Jens Daniel Herzog siedelt seine Inszenierung zwischen wissenschaftlicher Aufklärung und heiterer Familienoper an und hinterlässt trotz einer insgesamt guten Personenführung am Ende doch einige ratlose Gesichter. Deutlich erkennbar sind zumindest die handelnden Charaktere. Tamino, ein junger Mann auf dem Weg zum verantwortlichen Handeln, Pamina, die junge, attraktive Frau mit gesundem Selbstbewusstsein. Papageno ist ein sympathischer, selbständiger Freigeist, der die manipulative Umwelt belächelt. Zwischen der Königin der Nacht und Sarastro dominiert der Kampf um den Sonnenkreis. Während erstere sich auf theatralische Inszenierungen verlässt, trägt Sarastro den Sonnenkreis vor dem Bauch und der blinkende Kasten ist durch einen Schlauch mit seinem Hinterkopf verbunden. Ob dadurch seine durchaus anfechtbaren Gefühle gezähmt werden, oder ob er einfach nur eine Art Frankenstein-Geschöpf ist, bleibt ein großes Geheimnis der Inszenierung. Georg Zeppenfelds Basstiefen klingen passenderweise nie wirklich sonor-milde, sondern schön-gefährlich und sind wunderbar in die Gesangslinie eingebunden – ein neuer Erfolg für den Bass.

Das Gefolge Sarastros besteht aus Wissenschaftlern in den obligatorischen weißen Kitteln, die ihre Ergebnisse hektisch auf diversen Klemmbrettern festhalten. Dass sie zudem noch alte ägyptische Götter verehren, verleiht den Priestern den Status einer Sekte. Dazu kommt noch eine Art Internat, in dem der Pennäler-Nachwuchs aufgezogen wird und der Aufseher Manostatos – kein Rechtschreibfehler, sondern die ursprüngliche Schreibform – sich an seiner Schutzbefohlenen Pamina beinahe vergreift. In den Prüfungsszenen wartet man allerdings vergeblich darauf, dass Tamino und Papageno einer Klausur vorgesetzt werden, was angesichts des Schweige-Gebotes auch Sinn gemacht hätte. Stattdessen erwartet die Zuschauer kurz vor Schluss eine recht typische, optisch hübsch anzuschauende Feuer-Wasser-Prüfung. Die zwei Geharnischten sowie einige Statisten sind in unfreiwillig komische Kostüme gepackt, die eine Mischung aus ABC-Schutzanzügen, Imkerkleidung oder Astronautenanzügen darstellen. Am Ende balgen sich Sarastro und die Königin der Nacht am Boden, Tamino hat den Sonnenkreis einem Kind von Papageno und Papagena als Spielzeug in den Kinderwagen gelegt.

Zu den vielen, vielen Kleinigkeiten dieser Inszenierung gehören auch die drei Knaben in greiser Maske: eine Mischung aus junger Energie und alter Weisheit, aber auch ihre Herkunft und Motivation bleibt unklar. Die drei Mitglieder der Tölzer Knaben lassen aber keinen Zweifel an ihrer Gesangskunst. Während die Kostüme von Mathis Neidhardt zwar rollenspezifisch gewählt, aber nicht unbedingt eine Augenweide sind, verwandelt sein starkes Bühnenbild diese Zauberflöte in ein Labyrinth der Räume. Leider sind die großen Tür-Blöcke, die die Arkaden der Felsenreitschule gekonnt aufgreifen, auch ziemlich geräuschvoll, wenn sie ihren neuen Platz einnehmen. In, auf und daneben können sie bespielt werden und sorgen so für einen schnellen Szenenwechsel, ein Effekt, der bis zum Schluss nie seine Wirkung verliert. Grandios etwa der Moment, wenn Papageno und Papagena auf der Flucht vor Manostatos mit ihrem Raum genau auf ihren Verfolger zutreiben. Auf den Dächern dieser Blöcke sind auch die für Salzburg so typischen Touristenferngläser montiert, aber der Big-Brother-is-watching-you-Verweis wird viel zu wenig aufgegriffen. Ausgeleuchtet wird die Bühne gekonnt durch Stefan Bolliger, der viel mit dem Kontrast Hell-Dunkel arbeitet, diesen aber nie direkt auf die zwei verschiedenen Parteien bezieht.

Doch selbst wenn nicht alle Fragen beantwortet werden, ist eine schlüssige, belebende Personenführung und der nötige Respekt vor dem Werk der Schlüssel zum Erfolg. Noch dazu harmoniert sie ausgezeichnet mit der musikalischen Erforschung durch Nikolaus Harnoncourt. Weniger ein reiner Taktgeber, agiert er vor allem mit kleinen Gesten als Klangmagier, der vom Concentus Musicus Wien genau den Ausdruck fordert, den er sich vorstellt. Seine etwas ungewöhnlichen Tempi sind längst bekannt und im Programmheft noch einmal sehr interessant begründet. In seinem Dirigat verbindet sich Sprache und Musik zu einer spannenden Synthese, die von Musikern, Sängern und auch vom Publikum die höchste Aufmerksamkeit einfordert. Die kleinen Veränderungen in der Dynamik, starke Sforzati, plötzliche Pausen, die genaue Ausbalancierung der Orchesterstimmen sorgen für teilweise einzigartige Momente, beispielhaft das Quartett der drei Knaben und Pamina. Der Concentus Musicus spielt an diesem Abend nicht in der allerhöchsten Präzision, die man sonst von ihm kennt. Vor allem im ersten Akt gibt es ungewöhnlich oft kleine Patzer bei den Blechbläsern. Doch im zweiten Akt setzt sich die professionelle Brillanz des Klangkörpers durch. Erstaunlich, wie präsent die vielen kleinen Details im Auditorium der Felsenreitschule sind. Die ungekürzten Dialoge und das recht ruhige Grundtempo lassen den Abend zwar recht lang, aber nie langweilig werden. Der Großteil des Publikums scheint das anders zu sehen, denn der Applaus am Ende der Aufführung reicht gerade eben so lange, dass sich alle Beteiligten einmal verbeugen können.

Eine traurige Anerkennung vor allem auch für das engagierte, sehr sauber singende Ensemble. Lediglich Rudolf Schasching als Manostatos scheint mehr auf – zugegeben effektvolle - Deklamation als auf wirklichen Gesang getrimmt zu sein. Lucian Kraznec und Andreas Hörl sind die zwei Geharnischten mit ehernen Stimmen. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor überzeugt in der Einstudierung durch Ernst Raffelsberger, lediglich im Sopranklang vernimmt man zuweilen leichte Unebenheiten. Elisabeth Schwarz ist eine solide Papagena, der hervorragende Martin Gantner lässt als scharf artikulierender Sprecher aufhorchen. Sandra Trattnigg, Anja Schlosser und Wiebke Lehmkuhl vereinen für die drei Damen Frauen-Power und harmonische Feinheiten. Die Königin der Nacht von Mandy Fredrich hat darstellerisch wenig zu bieten, stimmlich dagegen verströmt sie die royale Kälte, die man erwartet. Ihre sonst starken Spitzentöne zeigen an diesem Abend leichte Unsicherheiten, dennoch gelingen ihre beiden Arien vokal sehr ordentlich. Bernard Richter beeindruckt als Tamino mit seinem herrlichen Timbre und seinen lyrischen Qualitäten, was ihn zu einem passendem Bühnenpartner von Julia Kleiter macht. Die Sopranistin spannt manch silbrig schimmernden Bogen, singt sehr schön schlank und emotional – kurzum eine ideale Pamina. Dem Papageno verweigert Jens Daniel Herzog jegliche falsche Clowns-Gebärden, sondern gibt der Figur viel Raum zur Entwicklung. Markus Werba nutzt die Gunst der Stunde und setzt das Konzept mit einer kleinen Portion Wiener Schmäh und markantem, wohlklingendem Bariton um.

Alles in allem ist diese Zauberflöte ein achtbarer Erfolg, allerdings könnte sie eine Werkstatt à la Bayreuth vertragen, um das Konzept deutlicher auf den Punkt zu bringen. Der neue Intendant Alexander Pereira hat aber im Vorfeld bereits angekündigt, keine Wiederaufnahmen der Inszenierungen anzubieten. Künstlerisch hat er immerhin das vokale Niveau seiner Züricher Zeit mit nach Salzburg gebracht.

Christoph Broermann

Fotos: Monika Rittershaus