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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
1. April 2013
(Premiere am 23. März 2013)

Osterfestspiele Salzburg

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Grandioser Klangzauber in rätselhafter Szene

Ganz anders gestaltet sich dieses Jahr Ostern in Salzburg. Denn erstmals seit der Gründung der Osterfestspiele von Herbert von Karajan im Jahr 1967 sitzen im Graben des Großen Festspielhauses nicht die Berliner Philharmoniker, die ja bekanntlich nach Baden-Baden abgewandert sind, sondern die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann, der auch gleich die künstlerische Leitung des traditionsreichen, österlichen Festivals übernommen hat.

Ganz anders zeigt sich auch Parsifal, den man für den Beginn der neuen Ära im Richard-Wagner-Jahr ausgewählt hat. Regisseur Michael Schulz ist die ohnedies schon reiche Vielschichtigkeit und Rätselhaftigkeit des „Bühnenweihfestspiels“, was schon zu unzähligen Deutungsversuchen in der Rezeptionsgeschichte des Werkes geführt hat, noch nicht genug. Denn der frühere Operndirektor von Weimar und jetzige Intendant von Gelsenkirchen gibt in seiner Inszenierung ohne jede eigene Deutung noch mehr Rätsel auf.

So zeigt er einen beinahe omnipräsenten Gekreuzigten, der von einer Art schwarzbekutteten Samiel, der im Finale auch zu Christus mutiert und mit Kundry Zärtlichkeiten austauscht, herumgeschleppt und dirigiert wird. Beide sollen offenbar Visionen Kundrys sein. Klingsor wird von einem Kleingewachsenen gedoubelt, der schließlich von Kundry zum Aktschluss erwürgt wird. Parsifal hat ständig fünf Knaben im Schlepptau. Zwei beinahe nackte Tänzerinnen, teils mit Engelsflügeln, begleiten Amfortas. Die Gralsritter könnten vom Outfit her aus einem Science-Fiction-Film entsprungen sein… Es lässt staunen, was Schulz so alles an Absurditäten eingefallen ist.

Zudem setzt man auf die Macht der Bilder. Ausstatter Alexander Polzin hat im ersten Akt Glassäulen bauen lassen. Diese können mit Rauch gefüllt, mit projizierten, schwimmenden Leidensfratzen und raffiniert eingesetztem Licht wirkungsvolle, faszinierende Reflexe erzeugen. Klingsor lässt er im zweiten Akt in einem Skulpturenpark mit antiken und buddhaähnlichen Statuen, die auf Vergangenes und in ihrer Deckenspiegelung auf das Jetzt verweisen, residieren. Im letzten Akt begnügt man sich mit einer schrägen Eisebene, auf der die Reste der Gralsritter von Wölfen eingekreist werden.

Nur ergeben diese Figurenvervielfältigungen und -erfindungen, die Metamorphosen, der kultur- und religionshistorische Zitatenrausch und das lockere Changieren zwischen Zeiten und Religionen keinerlei erkennbaren Sinn. Und dabei hat man so manche Schlüsselszenen, etwa die Gralsenthüllung oder den Karfreitagszauber, außer Acht gelassen, wo nämlich absolut nichts passiert.

Musikalisch hingegen ist die Produktion erste Sahne. Stephen Milling ist ein wortdeutlicher und geradezu balsamisch tönender Gurnemanz. Johan Botha glänzt als Titelheld mit strahlendem, mühelosen, durchschlagskräftigen Tenor, darstellerisch ist er jedoch, so wie meist, sehr unbeweglich. Michaela Schuster gestaltet und singt Kundry mit großer Intensität. Fallsweise wirkt ihr Mezzo jedoch etwas scharf. Nicht Klingsor, sondern sie versucht, mit dem Speer Parsifal zu erstechen. Wolfgang Koch singt mit seinem weich klingenden Bariton ungemein kultiviert sowohl den intensiv leidenden Amfortas wie auch dessen Gegenspieler, den dämonischen Klingsor. Eine reizvolle und ungewöhnliche Idee, die jedoch von der Regie in keinster Weise genutzt wird. Milcho Borovinov ist ein profunder Titurel. Auch die vielen weiteren, kleineren Partien, insbesondere die betörend schön singenden Blumenmädchen, erweisen sich als mehr als gut besetzt. Homogen und stimmgewaltig hört man die vereinigten Chöre der Dresdner und Münchner Staatsoper in der Einstudierung von Wolfgang Götz.

Ganz anders klingt es diesmal auch aus dem Graben: Die Staatskapelle Dresden, ein versiertes Opernorchester, erweist sich von Anfang an als vollwertiger Ersatz für die Berliner und wird ihrem legendären Ruf als „Wunderharfe“ voll gerecht. Denn Christian Thielemann versteht, aus dem Luxusklangkörper subtilste, nuancenreiche und ausbalancierte Klang- und Farbmischungen zu zaubern. Er weiß auch, neben spannungsgeladenen Steigerungen und Ausbrüchen betörenden Pianozauber zu erzeugen, und ist so sängerfreundlich, dass diese nie forcieren müssen. Zudem setzt der deutsche Maestro auf eine flüssige Lesart.

Auch bei der Reprise spart das Publikum nicht mit vereinzelten Missfallenskundgebungen für die Regie und großen Jubel für die Sänger wie auch spontane stehende Ovationen für den Dirigenten und das Orchester.

Helmut Christian Mayer

 





Fotos: Karl und Monika Forster