Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
9. August 2013
(Premiere am 2. August 2013)

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Im Biedermeier-Puppenhaus

Noch vor der Ouvertüre hört man einen markerschütternden Schrei. Dann stürmt ein völlig verwirrter Hans Sachs im weißen Nachthemd und mit Schlafmütze auf die Bühne und beginnt eifrigst, mit einer Feder auf einem Sekretär zu schreiben. Offenbar zeichnet er seinen eben erlebten (Alb-)Traum auf. Als Traum lässt dann Stefan Herheim Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg im Großen Festspielhaus auch ablaufen. Mit dieser Produktion wird auch hier bei den Salzburger Festspielen des 200. Geburtstags des Bayreuther Meisters gedacht. Mit einem Werk, das bei den sommerlichen Festspielen nur in einer einzigen Produktion von 1936 bis 1938 unter Arturo Toscanini sowie bei den Osterfestspielen 1974 unter Herbert von Karajan aufgeführt wurde.

Dabei macht es wieder einmal staunen, welche ideenreichen Möglichkeiten die Bühne von Heike Scheel bei ihrem Spiel mit den Maßstäben und Raumideen hervorzaubern kann. Denn noch während der Ouvertüre zieht Sachs einen durchsichtigen Vorhang vor seiner naturalistischen Stube zu. Und plötzlich wird mittels Projektion ein Möbelstück, in diesem Fall der Sekretär, riesengroß herangezoomt. Und dann steht dieses, nachdem der Vorhang wieder aufgeht, tatsächlich genauso wie das Bild war, riesengroß real da: Mit einem übergroßen Tintenfass mit Feder und einigen liegenden und stehenden Büchern, die ebenfalls als Spielfläche dienen. Dazwischen finden sich dann der Chor und die Protagonisten. Gleiches wiederholt sich auch in den folgenden Akten, wobei im zweiten bezeichnenderweise ein Schuhkasten als Wohnung von Hans Sachs dient und der später so duftende Flieder in einer überdimensionalen Vase auf einer Kommode, dem Haus von Pogner, steht. Immer größer werdende und stark bevölkerte Stellagen lassen dann im dritten Akt den Eindruck eines Puppenhauses entstehen.

Herheim lässt das alles in der Zeit des Biedermeier spielen, zur Zeit von Wagners Jugend, in putzigen Gewändern der Zeit, die von Gesine Völlm stammen, die Männer mit Backenbart. Alles wirkt wie aus verschiedenen Gemälden des Malers Carl Spitzweg. In der „Prügelfuge“ lässt er auch einige Figuren aus Grimms Märchen mitspielen. Mit gewohnter Meisterschaft und ohne Einführung von weiteren Meta-Ebenen werden die Massen und die einzelnen Personen geführt. Alles wird märchen- und zauberhaft erzählt. Die Bilder sind samt und sonders höchstallerliebst. Nur stellt sich immer mehr die Frage, was Herheim uns damit eigentlich erzählen will? Nur am Ende des Schlussmonologs von Sachs bei der textlichen Deutschtümelei wird ein politisches Zeichen gesetzt. Da verdunkelt sich die Bühne, um zu zeigen, wohin der Nationalsozialismus führen kann.

Leider weisen die Sänger ein höchst unterschiedliches und kein geschlossenes festspielreifes Niveau auf. Auf der Habenseite: Michael Volle als stimmgewaltiger, viriler und präsenter Sachs mit einem fassettenreichen Bariton und großer Wortdeutlichkeit, der jedoch gegen Ende deutliche Ermüdungserscheinungen aufweist. Markus Werba ist ein idealer Sixtus Beckmesser mit einem für die Rolle fast zu schönen Bariton, ohne karikierend zu wirken. Peter Sonn verfügt als David über einen ausnehmend schönen, lyrischen Tenor. Etwas wortdeutlicher könnte er sein. Von den Meistern ragen Georg Zeppenfeld als nobler Veit Pogner und Oliver Zwarg als markanter Fritz Kothner hervor. Monika Bohinc gibt eine etwas farblose Magdalena. Enttäuschend ist Anna Gabler als Eva, für die die Partie mehr als eine Nummer zu groß ist. Sie bleibt auch jeglichen Liebreiz schuldig. Lau, flach und spröd klingt ihr Sopran. Mit hässlichem Vibrato in der mittleren und unteren Lage hört man Roberta Saccá als Walter Stolzing. Darüber können auch so manche strahlende Spitzentöne nicht hinweghelfen. Er, Gabler und auch der Dirigent der Aufführung, Daniele Gatti, müssen auch am Ende einige Buhrufe einstecken.

Der italienische Maestro hat am Pult der Wiener Philharmoniker einige schöne Momente und Details vorzuweisen. Aber insgesamt ist seine Lesart der Partitur sehr zwiespältig und heterogen. Dazu tragen eigenwillige Tempi, dann wieder zu pauschales, manchmal zu wenig sensibles Musizieren bei. Auch ist sein Phonpegel nicht immer sängerfreundlich. Der Wiener Staatsopernchor, in der Einstudierung von Ernst Raffelsberger, kann hingegen alle seine Vorzüge ausspielen.

Das Publikum ist zum Schluss zweigeteilt, wobei die Zustimmung deutlich überwiegt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Karl Forster