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Fakten zur Aufführung 

JEANNE D'ARC - SZENEN AUS DEM LEBEN DER HEILIGEN JOHANNA
(Walter Braunfels)
1. August 2013
(Premiere)

Salzburger Festspiele, Felsenreitschule


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Wunderbare Entdeckung einer vergessenen Oper

Es ist kaum zu glauben, aber Walter Braunfels war in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts einer der meist gespielten deutschen Komponisten. Durch die Nazis verfemt und als „entartet“ verboten, geriet er jedoch immer mehr in Vergessenheit. Heute kennt man bestenfalls noch seine frühe Oper Die Vögel durch eine CD-Aufnahme und eine Produktion an der Wiener Volksoper, die ab 1999 gezeigt wurde.

Umso erfreulicher, dass sich jetzt die Salzburger Festspiele seiner letzten Oper Jeanne d’Arc zumindest in konzertanter Form annehmen und diese in der Felsenreitschule zu Aufführung bringen: Ein groß dimensioniertes, spätromantisches Werk mit einem großen Orchestersatz, enorm zu besetzenden Chören und einer erklecklichen Anzahl von Gesangssolisten, das der Komponist, dessen Vater Jude war, in völliger Isolation in den Kriegsjahren 1939-43 in Überlingen am Bodensee geschrieben hat.

Die Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna, so der Untertitel des Werkes, haben die bekannte, historisch verbürgte Geschichte der 1920 heiliggesprochenen Johanna zum Inhalt, die letztlich zum nationalen Symbol und zur Schützerin Frankreichs erkoren wurde und die auch George Bernhard Shaw und Friedrich Schiller zu Schauspieldramen wie auch Giuseppe Verdi zur Oper Giovanna d’Arco animierte. Schiller und Verdi gelangen übrigens auch bei den Salzburger Festspielen zur Aufführung. Braunfels hat selbst das Libretto geschrieben, das sich fast wörtlich an den Prozessakten orientiert, aber auch Platz für das Wunderbare einräumt. Die Uraufführung ließ lange auf sich warten. Sie erfolgte posthum konzertant erst 2001 in Stockholm. Die Aufnahme dieser konzertanten Aufführung wurd 2009 als CD veröffentlicht. Szenisch widmete sich die Deutsche Oper Berlin erstmals 2008 der Oper.

Bei den Salzburger Festspielen wurde nun die nur langsam und zäh fortschreitende Braunfels-Renaissance fortgesetzt: Konzertant erklingt das dreiteilige Werk, das sich in Die BerufungDer Triumph und Das Leiden gliedert und schlaglichtartig die Geschehnisse schildert, fallweise etwas langwierig deklamatorisch klingt und sich an der spätromantischen Tradition eines Hindemith, Schreker oder Zemlinsky orientiert: In den komplett durchkomponierten Szenen, wo aus dem musikalischen Erbe des Mittelalters geschöpft wird und mit Hilfe eines groß dimensionierten Orchesterapparats neue klangliche Räume geschaffen werden.

Wie schon bei der Uraufführung in Stockholm und auf der CD dirigiert auch in Salzburg in der Felsenreitschule Manfred Honeck. Mit ungemeiner Exaktheit und suggestiver Wirkung weiß der Dirigent die wirkungsvollen spätromantischen Klänge, die die musikalische Tradition des Abendlandes mit neuartigen Ausdrucksmitteln der Moderne verschmelzen lassen, beim ORF-Radio-Symphonieorchester Wien ideal ertönen zu lassen und dieses zu klanglichen Höchstleitungen zu animieren: Äußerst durchsichtig, mit feinsten Schattierungen, aber auch mit spannenden und enormen Steigerungen und hoher Vitalität. Sehr homogen und farbenreich erklingen die Streicher, exakt hört man die Bläser, wobei Trompetenklänge auch von den oberen Arkadengängen der Naturbühne in der Felsenreitschule erklingen. Sensible Piani, aber auch aufrauschende Töne erlebt man beim Salzburger Bachchor, dessen Einstudierung Alois Glaßner besorgte, und beim Salzburger Festspiel- und Theater- Kinderchor, hier ist Wolfgang Götz für die Einstudierung verantwortlich. Viele Chorstellen, insbesondere der Schlusschor, klingen eher nach Passionsoratorien denn nach Oper.

Als erste Sahne erweisen sich die Gesangssolisten: Juliane Banse ist wie bei der Uraufführung und auf der CD eine ungemein innige und fassettenreiche Johanna. Johan Reuter ist ein markanter, mit der Gewissheit über die Vorgänge glaubhaft ringender Gilles de Rais, der auch Blaubart genannt wird. Pavol Breslik singt einen sensiblen Dauphin und späteren König Karl von Valois. Ruben Drole ist eine Art Beckmesser, der Herzog von La Trémouille mit dunkelstem und tiefsten Bass, der die punktierten Rhythmen und scharfen Dissonanzen, die das Negative der Rolle charakterisieren, wunderbar wiedergibt. Von den vielen kleineren Partien stechen noch Norbert Ernst als Schäfer Colin mit hellem Tenor wie auch Tobias Kehrer als Jacobus von Arc, der Vater der Johanna, mit profundem Bass, Martin Gantner als Ritter Baudricourt mit beweglichem Charakterbariton sowie vier junge Mitglieder des Young Singers Project hervor. Hingegen klingt Bryan Hymel als Heiliger Michael etwas angestrengt.

Der große Jubel beweist, dass sich die Wiederentdeckung gelohnt hat. Eigentlich ist es schade, dass man dieses spätromantische Meisterwerk nicht szenisch umgesetzt hat.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Silvia Lelli