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Fakten zur Aufführung 

DIE FRAU OHNE SCHATTEN
(Richard Strauss)
14. August 2011
(Premiere 29. Juli 2011)

Salzburger Festspiele,
Großes Festspielhaus Salzburg


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Komplexität - endlos?

Gegensätze treffen aufeinander: Märchen und „Realität“, Schauspieler und reale Figuren, Träume und Jobs, Musik und Bühnenhandlung, Kreativität und Technik, Intimität und offenes Geschehen, Bühne und Auditorium: Christof Loy inszeniert Hugo von Hofmannsthals  „Märchen“ in der Dialektik von Kammerspiel und romantischer Großer Oper, als gebrochene Welt im Streben nach mystischem Kinderwunsch – aber zugleich als zeithistorisches „Dokument“ mit individuell bedeutsamen Konflikten im Zwischenmenschlichen.

Dieses mehrschichtige Handeln in permanent wechselnden Konstellationen ist eine kongeniale Umsetzung der Hofmannsthalschen Phantasmagorien – und der expressiv-intensiven Strauss-Musik!

Johannes Leiacker baut in konsequenter Umsetzung des Inszenierungs-Konzepts einen Nachbau der Wiener Sophiensäle – der Ort, in dem der nazi-belastete Karl Böhm in der Nachkriegszeit die Referenz-Aufnahme der Frau ohne Schatten realisierte – und stellt in diese k.u.k.-Architektur kühl-funktionale Elemente eines Audio-Studios: Ein ambivalenter Kommunikationsraum par excellence. Und zugleich weitab von verquaster Nostalgie!

Christian Thielemann akzeptiert offensichtlich diesen kritisch-dialektischen Blick auf das so sperrige Werk: Mit den nach Perfektion und Emotionalität strebenden Wiener Philharmonikern präsentiert er ein fast fünfstündiges orchestrales Furioso von Aggressivität, lyrischer Distanz, Lust am schwelgenden Klang, konterkariert allfällige „Romantik“ mit formidablen Brüchen – kurz: interpretiert das frühe Ingenium der Strauss-Omnipräsenz in ihrer hinreißenden Dialektik!

Dazu ein sänger-darstellerisches Ensemble mit selten erlebter Kompetenz und Wirkung: Eine als „Novizin“ anrührende Anne Schwanewilms als Kaiserin mit ungemein einfühlsamem Sopran. Michaela Schuster gibt die verstört-fremdgeleitete Amme mit herb-ausdrucksstarkem Mezzo. Stephen Gould interpretiert einen „funktionierenden“ Kaiser mit nachhaltiger Artikulation. Evelyn Herlitzius und Wolfgang Koch sind ein Färbers-Paar mit allen Variationen ehelichen Streits – vermitteln mit gestaltender Dramatik und variabler Artikulation den so ergreifenden und reflektierenden Konflikt von Eifersucht und hingebungsvoller Liebe!

Mit Markus Brück, Steven Humes und Andreas Conrad sind die brachialen Brüder des Färbers in renitenter Hochform mit nachhaltiger stimmlicher Präsenz zu sehen und zu hören.

Thomas Johannes Mayer als Geisterbote; Rachel Frenkel als Falken-Stimme und Peter Sonn als Jüngling überzeugen mit stimmlicher Variationskunst.

In Salzburg beeindrucken die weiteren Gesangs-Solisten – und am Schluss hat der Salzburger Festspiele Kinderchor einen spektakulären Weihnachtskonzert-Auftritt !

Wäre denn je ein Fest, wären nicht insgeheim wir die Geladenen, wir auch die Wirte! Diese kryptisch-kommunikative Schlussbotschaft kommt bei einem Großteil des Publikums nicht so recht an: Man ist froh, die ungewohnten Stunden überstanden zu haben und damit zu prunken, in Salzburg dabei gewesen zu sein! Doch gibt es wohl keinen, der nicht zumindest eine Ahnung davon bekommen hat, welche Kraft konsequent-kreatives Musiktheater vermitteln kann!

Franz R. Stuke





Fotos: Monika Rittershaus