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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang A. Mozart)
23. August 2011
(Premiere 18. August 2011)

Salzburger Festspiele,
Haus für Mozart


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Waidwunder Wüstling

Die Schlüsselszene der Inszenierung dieses Don Giovanni wird schon zur mächtig aus dem Graben tosenden Ouvertüre in Zeitlupe präsentiert: Wie in einem James Bond-Vorspann öffnet sich ein kreisrundes Loch im schwarzen Bühnenvorhang und man sieht den grünen Tannenwald, in dem Don Giovanni den ihn verfolgenden Komtur mit einem Holzknüppel niederschlägt. Doch dieser fügt seinem Gegner sterbend noch einen Bauchschuss zu.  

An dieser Wunde wird Don Giovanni im Verlauf des Abends nun langsam zugrunde gehen. Und sie ist neben dem grandiosen Bühnenbild wohl der beeindruckendste Regieeinfall von Claus Guths gewagter und furios in Szene gesetzter Deutung dieser Mozart-Oper. Eros und Thanatos – fleischliche Liebe und Tod sind für Guth die beiden Pole, um die sich die Handlung dreht. Um der Moralfalle auszuweichen, gibt es auf Christian Schmidts Bühne kein Sevilla, keinen Adelspalast oder Friedhof mit Statue sondern nur den dichten, hügeligen Nadelwald mit Bushaltestelle, Schaukel und Forststraße, die durch die Bühnendrehung je nach Szene in den Vordergrund gelangen. 

Guth fordert von allen Akteuren große Spielbereitschaft und schon im ersten Akt geben Malin Byström als dunkel-sanft timbrierte, allerdings in den Höhen spröde klingende Donna Anna, Dorothea Röschmann als virtuos gestaltende Elvira, Gerald Finley als rundum überzeugender Don Giovanni und der beachtlich debütierende, wenn auch stimmlich teilweise noch etwas blasse Adrian Sampetrean als Leporello alles, um ihre Figuren szenisch klar zu zeichnen.  

Don Giovanni und Leporello sind Süchtige. Der eine bekommt den Kick durch immer neue erotische Abenteuer, der Andere durch Drogenkonsum. Leporello kann seinen Herrn durch Spritze und Alkohol einige Zeit noch auf den Beinen halten, bevor sich die Wunde immer tiefer in seinen Körper frisst. Beide leben in der von ihnen gewählten Scheinwelt im Wald, völlig frei von gesellschaftlichen Konventionen. Da wird dann auch das Dosenbier zum Champagner und die Konserve zum Festmahl. Selten dürfte man die Champagner-Arie so rasant und überzeugend zu hören bekommen, wie hier von Gerald Finley. 

Christiane Kargs jugendfrische Zerlina mit seelischem Tiefgang und ihr durchaus stattlicher Masetto, dargestellt von Adam Plachetka , gelangen samt Hochzeitsgesellschaft nur zufällig in diese Naturwelt, die auf jeden dennoch eine gewisse Faszination ausübt. Joel Prieto als kultiviert-intellektueller Don Ottavio bringt seine Anna lieber im Auto zurück an den Ort, wo ihr Vater sterben musste. Doch selbst dieses zivilisierte Vehikel gibt im Wald seinen Geist auf.  

Musikalisch bietet diese Neueinstudierung ebenfalls ein großes Spannungsfeld. Die Wiener Philharmoniker, die sich in die Originalklang-Ensembles des diesjährigen Da-Ponte-Zyklus einfügen mussten, sind für Yannick Nézét-Seguin ein solch verlockendes und perfekt reagierendes Instrument, dass bisweilen der sinfonische Charakter im Orchesterklang Überhand nimmt. Fantastisch die Ouvertüre, experimentierfreudig, szenisch abgestimmt und klanglich neu das Continuo mit Hammerklavier bei den Rezitativen, etwas extrem die Tempi in manchen Arien, aber alles bewusst gestaltet. Bis auf die Momente, wo die Balance kippt und da einfach nur noch Wiener Philharmoniker im Haus für Mozart zu hören sind und man ebenfalls verlockt ist, sich den Klängen hinzugeben, wären da nicht die Sänger auf der Bühne, die sich zwischen akustisch weniger günstigen Baustämmen verausgaben. 

Das Publikum stört es weniger, Orchester und Dirigent werden gefeiert, wie auch Gerald Finley und das gesamte Ensemble. Zu Recht für ein mitreißendes und anregendes Opernerlebnis.

Ingrid Franz







Fotos: Monika Rittershaus