Doppelt und doch zwiegespalten
Bei dieser Neuproduktion der Salzburger Festspiele bekommt das Publikum tatsächlich „zwei für eins“ geboten: Sven-Eric Bechtolf zeigt in seiner Bearbeitung der ersten Version der Ariadne von Strauss und Hofmannsthal aus dem Jahr 1912 zunächst ein unterhaltsames Schauspiel mit Witz und großartigen Darstellern, in dem der Opernkenner trotz der Vermischung mit Molières Bürger als Edelmann den ersten Akt der späteren Opernversion wiederfindet. Da unterrichtet Peter Matić als gequälter Haushofmeister den mächtig aufspielenden Cornelius Obonya als Möchtegern-Fürst im Fechten und Thomas Frank ist der junge Komponist, dessen Oper nun zur Aufführung kommen darf – mit den bekannten Einschränkungen, um die Unterhaltung der Hausgesellschaft sicherzustellen.
Geschickt legt Bechtolf die Zeitebenen übereinander: In dem wunderbaren, weißen Bühnenraum von Rolf Glittenberg, der sowohl Salon als auch Bühne mit Ausblick in die Natur ist, kommen die aussagestarken Kostüme von Marianne Glittenberg perfekt zur Geltung und verdeutlichen die Erzählebenen. Da ist Hofmannsthal selbst mit der Witwe und Freundin Ottonie, die in das Stück einführen und selbst darin aufgehen. Regina Fritsch und Michael Rotschopf bieten großartige Schauspielkunst. Ein bisschen zieht sich das amüsante Schauspiel, da man doch auf die Oper wartet und so viele Elemente daraus schon wiedererkennt. Dass die Rolle des Komponisten gesanglich vollkommen wegfällt, ist trotz der sympathischen Figur von Thomas Frank einfach schade.
Musikalisch machen die Wiener Philharmoniker in Kammerbesetzung unter Daniel Harding in der Schauspielmusik keinen besonders glänzenden Eindruck. Entweder soll das alles so unsauber dahingeschrammelt klingen, oder man fühlt sich einer solch nebensächlichen Aufgabe nicht würdig.
Nach knapp zwei Stunden einschließlich Pause geht es dann mit der Oper weiter, in der Orchester wie Sänger hochklassige, beglückende Strauss-Momente bescheren. Emily Magee ist eine jugendliche, in der Höhe strahlende Ariadne, die in dieser Version im ersten großen Monolog Stärke gegenüber den eingeworfenen Kommentaren des Schauspielkollegen einschließlich folgender Lacher im Publikum beweisen muss. Elena Moşuc hat eine Sternstunde als Zerbinetta, deren halsbrecherische Partie hier noch ausladender und dominanter zu gestalten ist. Das vokale Glück vollkommen macht dann Jonas Kaufmann als Bacchus, wenn er im Leopardenanzug raubtierhaft seine Ariadne erlegt und mit mächtigen Spitzentönen das Haus für Mozart erfüllt.
Ein Gewinn ist diese Wiederentdeckung der Urversion sicherlich im Hinblick auf neue Facetten der Deutung und das Experiment, Schauspiel und Oper miteinander zu verknüpfen. Etwas langatmig wird es dadurch allerdings auch. Dennoch bejubelte das Publikum zurecht die Ausführenden mit anhaltendem Applaus. Die zwiegespaltenen Wertungen beweisen, dass es sich lohnt, althergebrachtes auch einmal wieder neu aufzurollen und dadurch zu beleben, dass man kontrovers darüber spricht.
Ingrid Franz
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