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Fakten zur Aufführung 

ARABELLA
(Richard Strauss)
21. April 2014
(Premiere am 12. April 2014)

Salzburger Osterfestspiele,
Großes Festspielhaus


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Wenig atmosphärische Geschichten aus Wien

Nicht weniger als neun Opern von Richard Strauss, dessen 150. Geburtstag es heuer zu feiern gilt, wurden in der Dresdner Semperoper uraufgeführt. Und im Graben spielte immer die Sächsische Staatskapelle Dresden, die somit über eine konkurrenzlose Strauss-Tradition verfügt. Diesem renommierten Klangkörper wurde vom bayrischen Meister auch Die Alpensinfonie gewidmet. Es hat somit schon einen gewissen Reiz, dieses Orchester, das Richard Wagner als „Wunderharfe“ bezeichnet hat, nun im Großen Festspielhaus bei den diesjährigen Osterfestspielen in Salzburg bei der Oper Arabella, der letzten gemeinsamen, kongenialen Kooperation von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, zu erleben. Und was den Reiz noch steigert: Da liegt doch tatsächlich genau jene Partitur auf dem Pult des Dirigenten Christian Thielemann, die Clemens Krauss seinerzeit bei der Welturaufführung am 1. Juli 1933 in der Semperoper verwendet und mit seinen wertvollen Anmerkungen versehen hat.

Und du wirst mein Gebieter sein! Genau zu diesem herrlichen, anrührenden Duett öffnet sich der Hintergrund der im Art-Deco sehr ästhetischen, von Martina Segna kreierten Hotelhalle und eröffnet einen dunklen Ballraum, in dem die Doubles von Arabella und Mandryka in einem offenen Lift eingestiegen, vor lauter Glück in den Himmel, in eine Art Traumwelt zu schweben scheinen. Das einzige symbolhafte und bewegende Bild. Denn sonst bewegt diese Inszenierung von Florentine Klepper, eine Koproduktion mit der Dresdner Semperoper, kaum. Weder emotional noch effektiv, weil eine Personenregie eigentlich kaum stattfindet. Und das, was man sieht, ist absolut konventionell, brav, stört zwar nicht, regt aber auch nicht auf und wirkt nicht besonders inspiriert. Der Wiener Geschichte von einem Mädchen, das sehr wählerisch auf den „richtigen Mann“ wartet und diesen auch letztlich bekommt, fehlt es an Atmosphäre und Charme. Völlig unsinnig wird sie aus dem Jahr 1860 in die Jugendstilzeit um 1910 in entsprechenden, sehr geschmackvollen Kostümen, die Anne Sofie Tuma geschaffen hat, verlegt. Die ästhetischen Art-Deco-Kulissen, die überall sein könnten und ständig mit nur fahlem Licht beleuchtet werden, sollen offenbar so eine dekadente Endzeitstimmung erzeugen. Die eleganteste Lösung findet sich im ersten Aufzug, wenn sich das Bühnenbild in fast filmischer Manier nach rechts und links verschiebt und den Fokus auf verschiedene Zimmer freigibt. Da entsteht auf der Riesenbühne, die allerdings durch einen Rahmen links und rechts bewusst verkleinert ist, eine Art intimeres Kammerspiel. Eine gewisse Form der Surrealität schleicht sich noch auf dem Ball mit seinen uniformen Männern in Masken, dem Tanzbären und einer nackten Marionette ein.

Erstaunlich ist, dass von allen Protagonisten ganz besonders die erst 28-jährige und noch nicht allzu bekannte Hanna-Elisabeth Müller heraussticht. Die junge Sängerin aus Mannheim legt in Salzburg einen Traumstart hin und gibt eine herausragende, innige Zdenka mit blühendem, jugendlichem, höhensicherem Sopran und bekommt auch verdientermaßen den größten Applaus. Ihr kaum nachstehend erlebt man den jungen Tenor Daniel Behle als mit mühelosen Höhen ausgestatteten, leidenschaftlichen Matteo. Schwindelerregend sicher sind die Koloraturen der Daniela Fally als Fiakermilli, die man schon von Wien kennt, wo sie an der Staatsoper in dieser Rolle ebenso brilliert hat. Nur darf sie diesmal, wegen Aufhebung aller Striche weit mehr singen und sogar jodeln. Die drei Verehrer der Arabella, ebenfalls alles jüngere Sänger, wie Derek Welton als Graf Dominik, Steven Humes als Graf Lamoral und ganz besonders Benjamin Bruns als Graf Elemer singen ohne Makel. Wie überhaupt diesmal, und das nicht zum ersten Mal, die jüngere Sängergeneration die sogenannten Stars bei weitem übertrumpft. Denn Renée Fleming spielt die Titelheldin naturgemäß nicht mehr mädchenhaft, sondern als Dame und singt sie nicht besonders wortdeutlich und zudem im ersten Akt schwer hörbar, was allerdings auch dem Dirigenten anzulasten ist. Sofern hörbar, zeichnet sie hinsichtlich der Gestaltungstiefe und farblicher Schattierung ein anschauliches Rollenprofil. Allerdings hat man ihren Sopran viel blühender in Erinnerung. Thomas Hampson als Mandryka verfügt über immense Bühnenpräsenz, agiert aber nie so wie ihm das Hofmannsthal eigentlich in den Mund legt: „Ich bin ein halber Bauer, bei mir geht alles langsam, aber stark.“ Er ist vielmehr immer ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle und weiß aber trotzdem ein schlüssiges Charakterporträt abzugeben. Nur wirkt sein lyrischer Bariton in der höheren Lage hörbar recht angestrengt. Er und Fleming können jedoch in ihren lyrischen Momenten und im Finale mit viel Subtilität und Innigkeit punkten. Albert Dohmen ist ein spielsüchtiger, stimmlich sehr markiger Graf Waldner. Bei Gabriela Benačková kommt Wehmut auf, hat man seinerzeit ihren Sopran etwa als Rusalka sehr anrührend in bleibender Erinnerung. Jetzt hat sie als Waldners Frau Adelaide ebenso wie Jane Henschel als solide Kartenaufschlägerin bei weitem ihrem sängerischen Zenit überschritten. Unauffällig agiert der Chor der Semperoper, den Wolfram Tetzner sicher einstudiert hat.

Für dieses kongeniale Werk, diesen Liebesschwank, bei dem diesmal alle Striche aufgemacht wurden, weiß Christian Thielemann bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit delikater Intensität und Freude am Feinsinn zu punkten. Der Dirigent lässt die farbenprächtige Musik immer transparent auffächern und aufbrausend klangschwelgerisch bis hin zur Opulenz aufblühen. Öfters hätte man sich allerdings etwas mehr Zurückhaltung hinsichtlich Lautstärke und dafür mehr Sängerfreundlichkeit gewünscht, was das Publikum aber nicht hindert, alle uneingeschränkt zu bejubeln. Bei der Premiere gibt es viele Buhs für das szenische Leitungsteam.

Die diesjährigen Salzburger Osterfestspiele gehen mit einer Auslastung von rund 88 Prozent zu Ende. Für das kommende Jahr sind als Opernproduktionen die beiden Einakter Cavalleria rusticana von Mascagni sowie Pagliacci von Leoncavallo, inszeniert von Philipp Stölzl, jeweils mit Jonas Kaufmann in der tenoralen Hauptrolle, geplant. Auf dem Konzertsektor wird neben dem Verdi-Requiem der Fokus auf den russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Dimitri Schostakowitsch liegen. Der geschäftsführende Intendant Peter Alward gab heute bekannt, seinen Vertrag nach dem Juni 2015 nicht mehr verlängern zu wollen.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Karl Forster