Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DAS BUCH DER UNRUHE
(Michel van der Aa)
20. Mai 2011
(Deutsche Erstaufführung)

Saarländisches Staatstheater Saarbrücken


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Trauer im Glück des Traums

Zugrunde liegt das geheimnisvoll-fragmentarische Werk „Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares“ des portugiesischen Autors Fernando Pessoa aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, 2006 posthum veröffentlicht, Uraufführung als Multi-Media-Performance des jungen niederländischen Allround-Künstlers Michel van der Aa in Linz 2009.

Das Saarländische Staatstheater nimmt die so komplexe Herausforderung an: Film-Projektionen auf bühnengroßen Rund-Rahmen, ein differenziert intonierendes Orchester im hochgefahrenen Graben, ein leibhaftiger Rezitator auf der Bühne, atmosphärische Licht-Effekte, anspruchsvolle Aufgaben für die Ton-Gestaltung - die Zusammenarbeit gelingt bravourös!

Klaus Maria Brandauer spricht mit seiner so variationsreich-imaginierenden Sprachkunst die philosophisch-melancholischen Pessoa-Texte über Träume, Isolationen und biografische Spiegelungen mit atemraubender Intensität.

In eher fragmentarischen detail-fixierten Video-Projektionen kommuniziert der sonst als „eitel“ verschriene Bühnen-Star mit sich selbst, stellt seine unnachahmliche Intonations-Kunst völlig in den Dienst des so bedeutungsvollen Textes – ironisierend, beiseite sprechend, emotional aufbrausend, gedankliche Tiefen prononzierend.

Michel van der Aa hat das monströs-vielschichtige Pessoa-Konvolut auf existenzielle Aussagen komprimiert, hat eine pointiert-kommentierende Musik komponiert, einen Film mit „sprechend-reflektierenden“ Detail-Aufnahmen produziert – und damit ein Kunstwerk geschaffen, das er „Kaleidoskope“ nennt; nähert sich Gerard Mortiers „Kreationen“!

Im projizierten assoziierenden Film beeindruckt Ana Moura mit emotionalem Fado-Gesang – und präsentiert sich als erotisierende Geliebte des reflektierenden Pessoa-Soares mit distanzierendem model-appeal.

Thomas Peuschel leitet die Musiker des Saarländischen Staatsorchesters konzentriert-präzis, koordiniert die Instrumentengruppen in perfekter Abstimmung mit Brandauers Interpretation, den wechselnden Film-Projektionen und den mystifizierenden Licht-Effekten. Im Orchester haben neben den themensetzenden Bläsern und den kollektiv brillierenden Streichern die solistisch geforderten Schlagzeuger die souverän angenommene Chance zum Beweis perfekter Musikalität!

Marc Warning platziert den nachdenklich-rezitierenden Brandauer an einen klassischen Lesungs-Stuhl; drei riesige Rund-Rahmen als wechselnde Projektions-Flächen beherrschen die abstrakt-assoziationsreiche Bühne.

Das Publikum folgt den Texten, Tönen, Bildern nachgerade wie gebannt – und applaudiert am Ende langanhaltend, ist offenbar dankbar für das reflexions-stiftende Musiktheater-Angebot: „Anstrengend – aber lohnend!“ so formuliert es eine jugendliche Besucherin beim Verlassen des Hauses. Gut, dass sich das Saarländische Staatstheater wider den gesellschaftlichen Trivialisierungsprozess positioniert - und damit auch Zustimmung findet!

Franz R. Stuke

 









Fotos: Uwe Bellhäuser