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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
12. April 2014
(Premiere)

Saarländisches Staatstheater Saarbrücken


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Lasset die Kinder zu mir kommen

Macbeth ist gerade mit seinem Freund Banco unterwegs, als er drei Hexen über den Weg läuft. Drei Weissagungen geben sie ihm und seinem Freund: der eine wird zunächst Than von Cawdor und dann König von Schottland werden, der andere wiederum Vater von Königen. Mehrere Orakelbefragungen und einige Morde später haben sich die Weissagungen erfüllt und Macbeth befindet sich nicht nur am Ende seiner Existenz, sondern auch am Rande des Wahnsinns und jenseits seines Gewissens.

Shakespeare schrieb einst die dramatische Vorlage, ein Stück dessen Namen nicht ausgesprochen werden darf. Zu groß ist die Angst vor seiner unheilbringenden Wirkung. Diesen Ruf trägt das Stück nicht umsonst, ist es doch in einem Versmaß geschrieben, dass gesprochen einen wesentlich langsameren Rhythmus hat als Shakespeares sonstige Werke. Nebenbei ein Rhythmus, der auch auf Depressive zu wirken scheint.
Verdi formte aus der düsteren Vorlage eine Oper des Schrecklichen, in der „Ästhetik des Hässlichen“, wie es im Programmheft so schön heißt. Macht, Gewalt und Blut lassen sich thematisch in jedes Zeitfenster einordnen. Regisseur Sebastian Welker verlegt in seiner Inszenierung in Saarbrücken dieses Zeitfenster in die Moderne und in eine Szenerie, die dem Ganzen nicht fremd erscheint.

Als sich der Vorhang hebt, sieht man einen silbernen Sarg auf der Bühne aufgebahrt, zwei Kinder üben sich um ihn herum spielerisch im Schwertkampf, werden schließlich vertrieben von Sargträgern und einer Reihe schwarz gekleideter Trauernder, allesamt mit Sonnenbrillen, die den Seelenteil des Gesichts verbergen sollen. Die Assoziation einer Mafiabeerdigung ist schnell gezogen.

Die Idee Welkers Macbeth zu einer Mafia-Fehde zu gestalten, versetzt die Handlung in eine ähnlich düstere Szenerie. Eine Szenerie, die auch den sofortigen Griff zum Dolch, um „sein Schicksal zu erfüllen“ erklärt. Wo sowieso schon Gewalt herrscht, ist Mord als Lösung nicht fern.

Beachtlich ist die ständige Anwesenheit von Kindern auf der Bühne, nicht nur der Sohn Bancos, auch der Sohn des ermordeten Königs wird ständig Augenzeuge der Gewalt und des Machtgedankens, der alles beherrscht. Besonders schön dabei die Interpretation der drei Hexen, die Welker in Form dreier Mädchen in weißen Kleidern immer wieder auf der Bühne auftauchen lässt. Der Chor singt dabei aus dem Orchestergraben oder ebenfalls in weißen Kleidern mit Schleifen im Haar auf der Bühne.

Zudem bieten sie Welker eine Möglichkeit, die Schlafwandelszene der Lady aus einem Guss herbeizuführen. Aus einer Spielszene der drei Hexen-Mädchen mit der Lady und Macbeth heraus, werden die Kinder symbolisch und mehr als blutig zum Zeichen der Gewalt und des Blutvergießens. Ein Symbol, dem sich die beiden nicht mehr entziehen können.

Das Bühnenbild von Friedrich Eggert und die Kostüme von Doey Lüthi unterstützen Welker in seiner Idee einer Mafiageschichte. Elegante Anzüge und Kostüme ganz in Schwarz, mal abgesehen von der pinkfarbenen Abendrobe der Lady, die scheinbar ein neues Zeitalter in der feinen Gesellschaft einläuten will. Bis auch sie selbst wieder in das elegante Schwarze schlüpft, um ihre letzte große Arie zu haben. Das Bühnenbild zeigt kein Schloss, sondern einen feinen Wohnraum, in dem die Lady zur Begrüßungsfeier des neuen Königs einlädt. Was merklich zum Widerwillen der feinen Gesellschaft passiert.

Gesanglich ist sie natürlich der unumstrittene Star: die Lady Macbeth, verkörpert von Melba Ramos, die mit ihrer Weltstimme zu Recht den längsten Applaus bekommt. Mit ihrem stimmgewaltigen Sopran gibt sie von der ersten bis zur letzten Sekunde eine beeindruckende Lady, kraftvoll und ausdauernd in den Höhen, dabei ausdrucksstark und schillernd zugleich. Auch Olafur Sigurdarson als Macbeth erweist sich beim Publikum als sehr beliebt, sein Titelheld wirkt darstellerisch wie das Mafiamitglied, das nach langem Warten beschlossen hat, dass seine Beförderung längst überfällig ist. Beeindruckend dabei seine Wandlung während der Auftritte der Hexenmädchen und des Chores, in denen er sich ängstlich angesichts der weissagenden Geister an den Teddybären klammert. Am Ende kein kaltblütiger Mafiosi, sondern ein Mann, der mit seinem Gewissen auch sein Herz und seine Menschlichkeit verloren hat. Stimmlich ist sein Bassbariton rund und voll, sicher, edel und elegant. So gibt er gesanglich wie darstellerisch einen farbenfrohen, erfahrenen und gereiften Macbeth. Hiroshi Matsui gibt einen sonoren Bass, den er als Banco in seinen Tiefen voll ausreizen muss und kann. Mickael Spadaccini als Macduff in seiner Rolle als trauernder Vater und Ehemann, trifft mit seinem Gesang den Nerv, schafft er es doch, seinen warmen Tenor mit dem nötigen Hauch Emotionen zum Schwingen und Klingen zu bringen, ohne an Souveränität zu verlieren.

Der Chor unter der Leitung von Jaume Miranda bekommt vom Publikum besondere Anerkennung für seine Leistungen als nebelhafte Hexenerscheinungen in Kleinmädchen-Kostümen oder eiskalte Mafiagesellschaft, darstellerisch wie gesanglich gut und sicher einstudiert und gezielt in der Inszenierung eingesetzt.

Das Orchester unter der Leitung von Marzio Conti spielt mit viel Feingefühl und Sinn für das Geschehen, so dass beispielsweise MacDuffs Part im Angesicht seiner toten Kinder fast Wiegenlied-Charakter annimmt, so zärtlich und mitleidend gibt sich das Orchester.

Das Publikum reagiert mit ausdauerndem Beifall besonders bei den beiden Vertretern der Titelrollen, Melba Ramos und Olafur Sigurdarson, auch der Chor erntet besonderes Lob. Für die Regie gibt es einen guten, warmen Applaus.

Stefanie Braun

Fotos: Thomas M. Jauck