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Fakten zur Aufführung 

HAPPY BIRTHDAY, MR PRESIDENT
(Kris Russman)
4. April 2013
(Uraufführung am 27. Januar 2013)

Volkstheater Rostock

Points of Honor                      

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Cocktail und Paranoia

Die Karriere eines Filmstars ergibt nicht schon selbstverständlich Stoff für eine Oper, selbst wenn er als Norma Jeane Mortenson bereits mit 20 Jahren einen Filmvertrag von der 20th Century Fox erhält. Aber Marilyn Monroe... die Zeit war längst reif für eine Bühnenbearbeitung. Kriss Russman, Komponist, Dirigent und Filmemacher aus England wendet sich diesem Stoff zu. Bei den Figuren John Fitzgerald Kennedy, JFK, dem charismatischen Machtpolitiker und Marilyn Monroe, MM, einem aufreizend-rätselhaften Filmstar und Sexsymbol der Hollywoodproduktion findet er alle Zutaten einer klassischen Oper: Liebe und Eifersucht, Macht, die Suche nach Geborgenheit, Verzweiflung und tragischer Tod. Mit diesem zeitgeschichtlichen Stoff gibt Sallyan Kleibel, eher bekannt als Fachfrau für historische Dokumentarfilme, mit Happy Birthday, Mr President ihr Debüt als Opernlibrettistin. Sie legt den Text eng an die historischen Figuren und Ereignisse an, so dass es gelegentlich schwer fällt, den fiktionalen Charakter der Oper zu entdecken.

Wenn alle Partys so steif und stimmungsarm wären wie die Geburtstagsparty für JFK zu dessen 45. Geburtstag im Madison Square Garden, kann man verstehen, wenn sich Gäste und Gastgeber nach einer belebenden Abwechslung umsehen. Und die kommt dann auch in Gestalt der herausfordernd provozierenden MM, die in ihr kurzes Ständchen Happy Birthday, Mr President alle Sehnsüchte und lockenden Sirenentöne legt, zu der sie – Männer mordende Hollywood-Schönheit – fähig ist. JFK ist hingerissen – und gleichwohl durch seine Ehe mit Jacky und sein Amt in der Öffentlichkeit nicht in der Lage, seinen Gefühlen zu folgen. Nach einem Dialog mit Robert Kennedy bleibt MM allein und verlassen zurück…

Erst nach der Pause gelingt es dem Ensemble, etwas mehr Stimmung und Spannung auf die Bühne zu bringen. In der Schlussszene schließlich, in der die völlig deprimierte MM sich Bobby Kennedy anvertraut, überzeugt Laura Parfitt mit einer ergreifenden Arie, die sie in einer hoffnungslosen Situation verstrickt zeigt.

Die Musik, mit expressiv-modernen Elementen ebenso bestückt wie mit Phrasen aus amerikanischen Musicals und romantisch-gefühlvollen Passagen, die an romantische Opern erinnern, ergibt kein einheitliches Bild. Einigen eingestreuten Bossa-Nova-Passagen fehlt an der Grenze zwischen Samba und Jazz der Groove. Der von Carsten Borwien vorbereitete Chor kommt mit kräftigen Einsätzen in Szene, Peter Leonhardt kann mit der Norddeutsche Philharmonie souverän die höchst unterschiedlichen Klangbilder und Stimmungen von Russmans Musik herausarbeiten, hält sie aber bei den solistischen Teilen dezent zurück und setzt nur wenige orchestrale Akzente.

Unter den Solisten überzeugt Laura Parfitt in der Rolle der MM, wenn auch ihr sicherer Sopran in hohen Lagen leicht metallen-hart klingt. Olaf Memme bringt den Mafioso Mario in einer Nebenrolle mit ausdrucksstarkem Bariton als klare Figur, wohingegen JFK von Garrie Davislim und Jasmin Etezadzadeh als Jacky eher blass bleiben. Robert Kennedy in der Interpretation von Bariton James J. Kee bleibt der kühlere Gegenpol der beiden Kennedys, dessen Warnungen sowohl JFK als auch MM in den Wind schlagen. Marilyns Motto und Song I've lived my life so full of hope hilft ihr nicht, sich aus ihren Phantasiewelten und Sehnsüchten zu befreien. Schließlich bleibt ihr nur der Griff zu den Tabletten.

Es fällt schwer, genau zu beschreiben, wo die Ursachen dafür liegen, dass dieser Aufführung der rechte Schwung fehlt. Gewissen Anteil daran dürfte wohl Kleibels Drehbuch haben, in dem sich die Autorin doch nicht so recht zwischen Dokumentarstück und fiktivem Operngeschehen entscheiden kann. Zu nahe sind die Gestalten den historischen Personen. Die Regie von Albert Sherman, aktuelle Kostüme, mit denen Manuela Schröder die Figuren ausstattet, und eine realitätsnahe Bühne, die Urmel Meyering entwirft, tragen dazu bei, den Dokumentarcharakter zu betonen. Auch wenn die MM-Biographen inzwischen das Bild der Monroe als „blondem Dummchen“ längst ad acta gelegt haben und auch Sherman die Figur so sieht, überwiegt im Stück diese Charakterisierung.

Der Schlussbeifall des mäßig besetzten Hauses ist freundlich und dankt den Darstellern und Musikern. Ob er dem Stück gilt, muss offen bleiben.

Horst Dichanz

 





Fotos: Dorit Gätjen