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Fakten zur Aufführung 

HÄNSEL UND GRETEL
(Engelbert Humperdinck)
10. November 2011
(Premiere)

Volkstheater Rostock


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Im Zirkuszelt

Die Volksbühne Rostock muss ein Zirkuszelt als Provisorium für ihre Aufführungen nutzen, nachdem im Februar dieses Jahres das Große Haus „wegen erheblicher Mängel beim Brandschutz“ mitten in der laufenden Spielzeit von heute auf morgen geschlossen wurde  – eine Katastrophe! Doch inzwischen beherrscht die Volksbühne die Kunst des Improvierens, probt in Schulen, bei der Polizei und im Rathaus, und spielt Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel in diesem Zirkuszelt.

Die Geschichte von Hänsel und Gretel nach der Vorlage der Gebrüder Grimm von 1812 ist bekannt und beliebt, vor allem als vorweihnachtliches Kindermärchen. In diesen zeitlichen Kontext gehört die Aufführung in Rostock.

Im ersten Bild, vor einer stilisierten Waldkulisse, fällt es den Darstellern von Hänsel und Gretel durchaus schwer, glaubwürdige „Kinderfiguren“ abzugeben. Gespreizt-staksige Bewegungen und wildes Herumrennen reichen nicht aus, Kinderfiguren von Erwachsenen spielen zu lassen. Hinzu kommt, dass zumindest zu Beginn Jamila Raimbekova als Gretel und Takako Onodera als Hänsel sicher zu gehen versuchen, indem sie sich auf eine opernhafte Gesangsdiktion verlassen, die technisch überzeugt, aber stilistisch befremdet und distanziert. Erst im zweiten Akt, vor dem Hintergrund des Knusperhäuschen als Mittelpunkt der Bühne, singen und bewegen sich die Hauptprotagonisten freier, Spiel und Aktionen werden lockerer.

Da haben es Susanne Wild als Mutter und noch mehr Olaf Lemme als Vater leichter, ihre Rollen zu füllen. Auch passen ihre Stimmen besser zu den Figuren als bei Hänsel und Gretel. Mit einem souveränen, wenn nötig schrillen Sopran gibt Susanne Wild der Mutterfigur die nötige Härte, Olaf Lemmes Bassbariton überzeugt mit Wärme und Wohlklang als dramatischer Gegenpol und balanciert die musikalische Stimmung wunderbar aus.

Gabriele Scheidecker verleiht der Hexe mit Stimme und Gestalt das erforderlich Gruselige. Nur ihr Verschwinden im Ofen erfolgt plötzlich und unmotiviert, ebenso wie ihre gebacken-gebräunte Wiederauferstehung. Hierauf hätte man gut verzichten können.

Die Regie Rainer Wenkes unterstreicht den Märchencharakter des Stückes. Das Bühnenbild und die Kostüme, die Falk von Wangelin entworfen hat, geben dem Märchenspiel die erwünschte romantische Note, das Knusperhäuschen unterstreicht liebevoll das märchenhafte Spiel. Während die Sandmännchen-Figur von Julia Ebert die Sternennacht stimmungsvoll unterstützt, wirkt das Taumännchen eher wie eine deplazierte Zirkusprinzessin.

Die Volksbühne Rostock hat inzwischen gelernt, aus der Not eine Tugend zu machen. Die Enge des Zirkuszeltes hat auch ihre Vorteile: Die wunderbar leichte, dramatisch akzentuierte und wohlklingende Musik Humperdincks, an der Musiker wie Zuhörer großes Gefallen finden, erleben die Zuschauer in einer fast familiären Atmosphäre. Die Besucher sitzen dem Orchester ganz nahe unter dem gleichen Zelt, der Dirigent agiert quasi hautnah, Klang und Stimmung übermitteln sich direkt - ein wunderbarer und unerwarteter Gewinn des Provisoriums. Manfred H. Lehner führt das Orchester der Norddeutschen Philharmonie Rostock souverän und mit viel Gefühl durch die verschiedenen Stimmungen und verbreitet einfach - Wohlklang. Die jungen Tänzerinnen der Ballettschule Marquardt, der große Kinderchor der Rostocker Singakademie und die Damen des Opernchores tanzen und singen in leichtem Gestus und tragen zum frohen Happyend dieses Weihnachtsmärchens bei.

Tobias, ein vielleicht zwölf Jahre alter Junge mit Theatererfahrung, hat in der Pause eine klare Meinung: “Vielleicht nicht die beste Aufführung, die ich bisher gesehen habe - aber auch nicht grottenschlecht!“ – Nach dem Schlusschor fasst er den von Herzen kommenden begeisterten Beifall treffend zusammen: “Echt cool!“ – Na, bitte…

Horst Dichanz