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Fakten zur Aufführung 

MANON LESCAUT
(Giacomo Puccini)
27. Februar 2014
(Premiere)

Teatro dell'Opera di Roma

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Spannend bis zum Beginn

Viel Diskussion und jede Menge Verhandlungen und Protestkundgebungen in den letzten Tagen begleiteten die Vorbereitungen zu dieser vielbeachteten Neuinszenierung von Giacomo Puccinis Oper Manon Lescaut an der Opera di Roma. Drastische Sparmaßnahmen, Budgetkürzungen und Kompetenzgerangel waren Auslöser für Streikankündigungen und Demonstrationen der starken italienischen Gewerkschaften. Auf dem Höhepunkt drohte der römische Bürgermeister sogar die Oper für immer zuzusperren, wenn diese Premiere nicht stattfindet.

Erst kurz vor Aufführungsbeginn kam dann grünes Licht, und die vornehme römische Gesellschaft strömte herausgeputzt in eleganten Roben in das Teatro Costanzi, der Heimat der Opera di Roma. Auch Staatspräsident Giorgio Napolitano nahm mit Polizeiaufgebot in seiner Loge Platz. Nicht politischer Aufbruch und angestrebte Reformen waren das Thema des Abends, sondern die mit internationaler Aufmerksamkeit erwarteten Debüts.

Erstmals tritt die Primadonna Anna Netrebko in der Rolle der Manon auf, zum ersten Mal in Rom und mit Maestro Riccardo Muti. Erstmals führt auch dessen Tochter Chiara Muti Regie an der Opera di Roma, der Wirkungsstätte ihres Vaters. Dieser fördert die junge vielseitig Ausgebildete, die neben Regie auch Gesang und Schauspiel studierte. Sie geht sehr behutsam an ihre Regiearbeit heran und hält sich an den Text. So läuft die Handlung sehr statisch, einfallslos und ohne jede Provokation ab. Carlo Centolavigna schafft ein sehr traditionelles Bühnenbild, historisierend wie im Barocktheater, wo von der Seite dekorative Elemente auf die Bühne geschoben werden, sei es das Postamt im ersten Akt oder das Schiff im Dritten. Ebenso ideenlos die barocken Kostüme von Alessandro Lai, die verstaubt wirken. Alles wird von Vincent Longuemare in weiches Licht getaucht, und wie in Fernsehshows werden die Sänger immer wieder effekthaschend ins grelle Scheinwerferlicht gesetzt. Das verschafft auch der Netrebko keinen wirkungsvollen Rahmen für ihren sonst so temperamentvollen Bühnenauftritt. Sie kommt an dem Abend nicht ins Spielen und Singen. In der Tiefe wird sie immer dunkler und beginnt zu phrasieren. Auch Maestro Muti springt ihr nicht zur Seite. Er dirigiert flott und dynamisch, lässt dabei aber nicht die Klangfarben und spätromantischen Melodiebögen des Verismo zu. Das fehlt den Sängern in Ihrer Interpretation. Sie liefern keine überzeugende Umsetzung und können der leblosen Inszenierung keine Grandezza verleihen. Dem jungen Algerier Yusif Eyvazov fehlt die stimmliche Größe und Reife für die Rolle des Des Grieux. Giorgio Caoduro mimt, sicher auch im Gesang, Lescaut.

Riccardo Muti wirkt nach den Unsicherheiten und heftigen Diskussionen angespannt. Die Musiker folgten ihrem Dirigenten aufmerksam und wohl vorbereitet. Akurat und fein ausgefeilt gelangen die Soliparts als auch die barocke Musikeinlage im zweiten Akt. Das sonst so begeisterungsfähige italienische Publikum verhält sich sehr reserviert und vornehm im Beifall zurück. Selbst Maestro Muti und die Netrebko werden am Ende nicht mit Ovationen überschüttet.

Einige Buh-Rufer werden nicht zum Verstummen gebracht, wobei das den vorausgegangenen Konfrontationen geschuldet sein kann. Da die ursächlichen Probleme noch keiner Lösung zugeführt wurden, bleibt es spannend, wie der Konflikt um die Kulturbudgets in Rom, aber auch in anderen italienischen Städten und Opernhäusern ausgehen wird. Es bleibt zu hoffen, dass gerade dem Mutterland der Oper keine weiteren Institutionen den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen.

Helmut Pitsch



Fotos: Silvia Lelli