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Fakten zur Aufführung 

HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN
(Jacques Offenbach)
2. August 2013
(Premiere)

Kammeroper Schloss Rheinsberg


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Goldener Schuss unter freiem Himmel

Jeden Sommer erwacht das märkische Städtchen Rheinsberg für zwei Monate aus seiner Beschaulichkeit. Dann nämlich hat die vor 23 Jahren vom Komponisten Siegfried Matthus gegründete Kammeroper Schloss Rheinsberg Saison. Das Open-Air-Festival mit seinen verschiedenen Spielstätten im Schlosspark, -hof und -theater ist ein Podium für den Sängernachwuchs. Nach kleinem und bescheidenem Beginn hat es mittlerweile internationalen Ruf. Denn wer als junger Künstler beim Internationalen Gesangswettbewerb, der der Kammeroper vorangeht, einen der Plätze ergattert, kann sich für künftige Engagements gute Chancen ausrechnen. Immerhin 460 Sänger bewarben sich 2013 um eine Rolle für eine der beiden großen szenischen Produktionen oder um die Mitwirkung beim kleineren konzertanten Beiprogramm. Das Engagement aller Beteiligten ist groß und trotzt auch dem unberechenbaren Wettergott, der es den Veranstaltern manchmal gehörig schwer macht. Beispielsweise 2012, als bei einer Aufführung von Figaros Hochzeit das Orchester nach dem dritten Akt aufgrund der Kälte die Instrumente einpackte und der Korrepetitor am Klavier das Finale alleine bestreiten musste.

2013 gibt es zunächst im Schlosshof Rossinis Barbier von Sevilla. Offenbachs Hoffmanns Erzählungen, die zweite Premiere, findet im Heckentheater statt. Die Oper, die in diversen Fassungen vorliegt, wird auch in Rheinsberg in einer eigenen Version gespielt, die den Prolog verkürzt und mit neuen Sprechtexten versieht sowie den Antonia-Akt an den Anfang setzt. Regisseur Matthias Oldag, der, in Zusammenarbeit mit Barbara Blaschke, auch für die Bühnengestaltung verantwortlich ist, sieht Hoffmann als drogenabhängigen Außenseiter, der als Künstler in der Gesellschaft ankommen will. Doch seine Versuche, sich zu etablieren, scheitern ebenso wie seine reale und die drei erdichteten Liebesbeziehungen. Am Ende setzt ihm die ihn begleitende Muse den goldenen Schuss. Oldag findet in den limitierenden Gegebenheiten des Heckentheaters für seine Interpretation teils fantasievolle, teils aber auch konventionelle und irritierende Bilder. Erinnert die Antonia-Episode mitunter an eine Parodie auf eine Gruselstory, so kommt der Olympia-Akt witzig und einfallsreich daher. Die ausgefeilten Puppenszenen, aber auch die Auftritte der Festgäste und ihre Aktionen im Gartenhintergrund sind Höhepunkte der Inszenierung. Im Giulietta-Akt geht es dann mit leicht bekleideten Solisten und Choristen sowie einem rot beleuchteten Venedig gebührend sündig zu. Warum allerdings der Bösewicht Dapertutto wie Johnny Depps Kapitän aus dem Fluch der Karibik kostümiert ist, erschließt sich nicht.

Der Hoffmann von Matthew Pena besitzt einen schön timbrierten Tenor, den er geschmeidig, aber auch bis an seine Grenzen gehend einsetzt. Dazu strahlt er glaubwürdig die Melancholie und psychische Labilität des Dichters aus. Große Klasse ist die nahezu perfekte Olympia von Ji-Hyun. Die Amerikanerin präsentiert ihre Koloraturen nicht nur wie mit links, sondern setzt ihr Chanson auch in genau passende Bewegungen um. Justyna Samborska stattet die Antonia mit viel Leuchtkraft in der Höhe aus. Mit technisch gut gebildetem Sopran profiliert sich Gao Lingyuan als Giulietta. Von den vier Gegenspielern Hoffmanns, die traditionell von einem Sänger übernommen werden, überzeugt Tobias Peschanel als Coppelius durch seine nuancierte vokale Gestaltung und Ausdruckskraft am stärksten. Younjin Kim als Doktor Mirakel und Jorge Alberto Martinez als Dapertutto verfügen über gut geführte, eher lyrische Bassbaritone, doch geht beiden die dramatische Durchschlagskraft ab. Als ein singschauspielerisches Talent erweist sich Matthias Koziorowski in den drei Dienerrollen. Meredith Nicoll gibt die Muse mit ansprechendem Mezzo. In der kleinen, aber wichtigen Rolle der Mutter Antonias fällt Madara Dziedataja durch einen kräftigen Alt auf.

Zum ersten Mal dabei ist der Rheinsberger Festivalchor, eine Formation von Laiensängern der Umgebung, die der Chorleiter Gotthard Franke zu einem erstaunlich homogenen Klangkörper geformt hat, dessen Mitglieder überdies auch die szenischen Anforderungen professionell erfüllen. Der Dirigent Leo Siberski hält die ihm aufmerksam folgenden Brandenburger Symphoniker zu französischer Eleganz und ebensolchem Esprit an. Sie entfalten sich aber erst richtig nach der Pause - nachdem Probleme mit der technischen Aussteuerung beseitigt wurden, die zu einem diffusen Klangbild zuungunsten der Sänger führten.

Das Publikum bedenkt alle Mitwirkenden mit lebendigem Applaus, der sich bei Matthew Pena und Ji-Hyun An deutlich steigert. Für die nächste Saison ist die Zauberflöte angekündigt.

Karin Coper

Fotos: Jacqueline Schulz