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Fakten zur Aufführung 

THE GIACOMO VARIATIONS
(Michael Sturminger/Martin Haselböck/Bernhard Lang)
4. Mai 2011
(Premiere 3. Mai 2011)

Ruhrfestspiele 2011
Festspielhaus Recklinghausen


Points of Honor                      

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Mozart: missbraucht

John Malcovich, der Filmstar, als altersgeiler Casanova – umgeben von Haushälterin und Figuren seiner Vergangenheit: das verspricht Bühnen-Rasanz. Aber: Malcovich ist zu snobby-senil, Michael Sturmingers „Konzept“ zu pseudo-philosophisch und Martin Haselböcks Musik-Auswahl zu respektlos.

Casanova in seinem Waldstein-Refugium lässt beim Memoiren-Schreiben sein geiles Leben Revue passieren; die eigene Verdoppelung in Mozart-Rollen und Frauen der da Ponte-Opern insinuieren den peinlichen Eindruck, Mozart und da Ponte hätten in ihren Meisterwerken penetrant Casanova porträtiert. Und so entwickelt sich mit Dialogen und Szenen auf der Mittel-Linie zwischen Mario Barth und Loriot eine schlüpfrige Boulevard-Klamotte mit Mozart-Musik – in ihrer geschmacklos-unsensiblen Mischung ein Missbrauch des Mozart-Ingeniums (allerdings passend zu dem als hemmungslos karikierten Casanova, der als reueloses Sex-Monster erscheint).

Renate Martin stellt drei Riesen-Reifröcke fahrbar auf die Bühne, die immer wieder hochgezogen werden, um Blicke auf Betten bzw. Casanovas Schreibpult freizugeben.

Michael Sturminger inszeniert variationsreiche Fummeleien, die offenbar Anlass sind für die Präsentation von Mozart-Arien.

Ingeborga Dapkunaite spielt die Isabella als memoiren-enträtselnde „Alters-Gefährtin“; John Malcovich gibt den alten, Tod-erwartenden, in sexuellen Erinnerungen schwelgenden Genussmenschen im Stil eines fehlplatzierten Professor Higgins – und weshalb er auch noch singt: das bleibt kurios.

Die Mozart-Passagen werden von Andrei Bondarenko (oder von Florian Boesch oder Markus Eiche) und von Sophie Klußmann (oder von Marlene Grimson oder Nathalia Sharay) mit stimmlicher Brillanz vorgetragen.

Das Orchester Wiener Akademie hat eindeutig Probleme mit den Einsätzen nach den bizarren Spielszenen; Roberto Paternostro bemüht sich mit raumgreifendem Dirigat um homogenen Orchester-Klang – allein, die so spezifischen Giovanni-, Cosi- und Figaro-Imaginationen wollen sich nicht vermitteln.

Erstaunlicherweise hat das Festspiel-Publikum im ausverkauften Haus am Gebotenen nichts auszusetzen: lebhafte Zustimmung bestimmt das Auditorium.

Die Ruhrfestspiele haben da eine Wiener Produktion offensichtlich dem großen Namen nach „zugekauft“: Die „Presse-Informationen“ sind Kopien der Texte des Ronacher vom Januar 2011 – es gibt nicht einmal einen abendlichen Besetzungzettel! Dies alles ist kein Ruhmesblatt für die Ruhrfestspiele – zumal jeglicher Bezug zum Festival-Thema „Schiller – A World Stage“ fehlt.

Man erinnert sich mit tiefer Verehrung an die Festspiele unter Casdorf und Heyme.

Franz R. Stuke

 







 Fotos: © Olga Martschitsch
und Nathalie Bauer