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Fakten zur Aufführung 

DAS PORTRAIT
(Mieczysław Weinberg)
6. Dezember 2013
(Premiere)

Teatr Wielki Poznan


Points of Honor                      

Musik

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Hintergründige Groteske

Als die Bregenzer Festspiele 2010 Mieczysław Weinberg eine stattliche Werkschau quer durch alle Gattungen widmeten, war das Erstaunen der Fachwelt über die Qualität seiner Musik groß. Denn der polnisch-jüdische Komponist war bisher höchstens Insidern bekannt, weil er trotz Anerkennung durch etablierte Interpreten außerhalb Russlands kaum wahrgenommen wurde. Hierhin war Weinberg, geboren 1919 in Warschau, 1939 vor den Nazis geflohen, wo er sich auf Empfehlung Schostakowitschs in Moskau etablierte. Der berühmte Kollege setzte sich auch 1953 für ihn ein, als er bei einer von Stalins politischen Säuberungswellen gefangen genommen wurde. Als Weinberg 1996 starb hinterließ er einen imponierenden Werkkatalog, darunter 26 Symphonien und 7 Opern. Aufgrund der eigenen Erfahrungen war sein Hauptanliegen beim Komponieren, mittels Musik gegen Krieg und Gewalt anzuschreiben. Dafür steht exemplarisch seine berührende, in Auschwitz spielende Oper Die Passagierin, die in Bregenz im Mittelpunkt stand und von Publikum und Kritikern mit einhelliger Begeisterung aufgenommen wurde. Vor allem sie ebnete den Weg für Weinbergs andere Bühnenwerke ins Repertoire. So brachte Karlsruhe gerade Die Passagierin zur deutschen Erstaufführung, Erfurt spielte Lady Magnesia, Berlin Wir gratulieren und jüngst war in Mannheim die Dostojewskivertonung Der Idiot zu erleben, auch das eine überregional hoch gelobte Produktion.

In Weinbergs Heimatland Polen wurde 2010 immerhin Die Passagierin in Warschau gezeigt, ansonsten aber erklingt sein Werk nur selten. Insofern ist die Premiere der Oper Das Portrait im Theater Wielki in Poznan von besonderer Bedeutung, auch wenn es sich nur um die Neueinstudierung einer Produktion der britischen Opera North von 2011 handelt. Regie führt David Pountney, der als damaliger Bregenzer Intendant zur Wiederentdeckung Weinbergs maßgeblich beigetragen hat. Die 1980 komponierte und 1983 im tschechischen Brünn uraufgeführte Gogol-Vertonung erzählt davon, wie ein Maler seine künstlerische Unabhängigkeit durch die Verlockung von Geld und Ruhm verliert und daran zerbricht. In Pountneys kluger Inszenierung, kongenial ausgestattet von Dan Potra, die Weinbergs Biografie in das Konzept mit einbezieht, führen nicht allein die materiellen Versuchungen zum künstlerischen Scheitern, sondern ebenso die politischen Verhältnisse. Im ersten Teil stehen drei perspektivisch verzerrte, bunte Leinwände, überdimensionalen Malereipaletten gleich, für den Schaffensreichtum Chartkovs. Farbenfroh und fantasievoll kostümierte Figuren, wie aus einem russischem Panoptikum des 19. Jahrhunderts entsprungen, bevölkern die Bühne oder gucken als lebendig gewordene Portraits aus der Kulisse heraus. Im zweiten Teil sind die Wände weiß, mehrere Bildnisse von Stalin hängen vom Schnürboden herab. Chartkov ist – wie Weinberg – in seiner künstlerischen Entfaltung durch die Sowjetdiktatur eingeschränkt worden. Geblieben ist ein gebrochener, verstörter Mann, der, in einer Zelle eingesperrt, ständig von einer Kamera überwacht wird und dessen Gesichtszüge auf eine Leinwand im Hintergrund per Videoaufnahme überdimensional projiziert werden. Die letzte Konsequenz ist der Tod.

Das Porträt ist überwiegend eine Männeroper. Die Riege präzis gezeichneter Charaktere führt Jacek Laszczkowski in der Hauptrolle an. Der sowohl im männlichen Sopran- als auch im Tenorfach tätige Sänger geht in seiner gewaltigen Partie förmlich auf und steigert sich im dritten Akt zu überwältigender Intensität. Nicht zu überhören aber ist, das die Stimme teilweise angegriffen klingt und manche Passagen nur mit Kraft bewältigt werden. Michał Partyka als Diener Nikita besitzt nicht nur einen frischen flexiblen Bariton, sondern nimmt auch durch seine wendige Darstellung für sich ein. Piotr Friebe als kultiviert singender und schönstimmiger Laternenanzünder steht für das große Ensemble, das sich mit bemerkenswerter Geschlossenheit präsentiert. Der Dirigent Tadeusz Kozłowskis überzeugt durch seinen zupackenden Einsatz für die gemäßigt moderne Partitur und die Ausgewogenheit des Klangbilds, die das Orchester des Opernhauses vorzüglich umsetzt.

Bei der Premiere im Teatr Wielki bleiben viele Plätze leer. In seiner Ansprache appelliert GMD Gabriel Chmura zu Recht an die Anwesenden, für die Aufführung zu werben. Er selbst leitet in dieser Spielzeit die Premieren von Parsifal und Don Giovanni. Ohne die Kompetenz von Tadeusz Kozłowski schmälern zu wollen, wäre es vielleicht die beste Werbung gewesen, wenn Chmura selbst am Pult gestanden und damit ein Zeichen für die Moderne gesetzt hätte.

Karin Coper







Fotos: Katarzyna Zalewska