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Fakten zur Aufführung 

Parsifal
(Richard Wagner)
26. Oktober 2013
(Premiere am 19. Oktober 2013)

Teatr Wielki Poznan


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Rätsel um Parsifal

Im Wagner-Jahr 2013 will jedes Opernhaus, das etwas auf sich hält, eine eigene Premiere des Jubilars präsentieren. Das Teatr Wielki in Poznan macht da keine Ausnahme. Es bringt den Parsifal, aber natürlich nicht so traditionell wie vor knapp 20 Jahren, als das Bühnenweihfestspiel – wie es die informative Ausstellung im Theaterfoyer über polnische Wagner-Aufführungen der letzten Zeit dokumentiert – das letzte Mal hier zu sehen war. Um in der Flut der Aufführungen aufzufallen, hat Intendantin Renata Borowska einen Coup gelandet und für die Neuinszenierung das dänische Künstlerkollektiv Hotel Pro Forma engagiert. Die interdisziplinäre Performance-Gruppe um die aus der bildenden Kunst kommenden Kirsten Dehlholm behauptet sich seit dreißig Jahren mit eigenwilligen, spartenübergreifenden Produktionen regional und auf internationalen Festivals, jüngst war sie mit der Multimedia-Oper War SumUp erfolgreich. Der Parsifal nun ist ihre erste Auseinandersetzung mit einem Werk von Wagner.

Im umfangreichen dreisprachigen Programmheft, das unter anderem einen äußerst informativen Artikel von Michał J. Stankiewicz über polnische Komponisten im Wagnerumfeld enthält, sind Gedanken zum Konzept von Kirsten Dehlholm, dem Dramaturgen Iury Tropjaborg und dem Choreografen Jon R. Skulberg abgedruckt. Da liest man von „Alltag, in den Mittelpunkt zu stellen“, von einer brasilianischen Sklavin als Vorbild für ihre Kundry-Deutung, von Vergrößerung der Figuren und vielem Komplizierten mehr. Doch szenisch finden diese Ideen keine visuelle Entsprechung. Statt eine nachvollziehbare Geschichte zu erzählen, versucht Hotel Pro Forma mittels Symbolen, minimalistischen Bewegungen und assoziationsreichen Requisiten dem Parsifal beizukommen.

Doch leider entfalten die Bilder auf der kulissenlosen Bühne trotz Videoeinblendungen und mal hoch- oder runterfahrenden Podesten nur selten eine nachhaltige Wucht, bleiben zu häufig rätselhaft. Warum, beispielsweise, wird Parsifal von einem Mann begleitet, der seinen Gesang in Gebärdensprache überträgt? Was bedeuten die immer wiederkehrenden Handbewegungen einzelner Akteure oder die Broschüren, die ein Gralsritter wiederholt der Kapuze von Gurnemanz entnimmt, was die als Flüchtlinge kostümierten Blumenmädchen? Und warum fällt plötzlich ein Meteorit vom Bühnenhimmel herunter? Was funktioniert, wenn, wie 2011 bei War Sum Up, ein Gesamtkunstwerk aus Libretto, Komposition und Szenerie neu kreiert wird, ist bei Wagners vorgegebener Partitur zu wenig, das umso mehr, da eine Personenregie praktisch nicht existent ist: alle Figuren stehen mehr oder weniger beziehungslos nebeneinander, eine Interaktion findet nicht statt.

Einen positiven Aspekt allerdings hat die minimalistische szenische Einrichtung: der Zuhörer kann sich ganz auf die Musik konzentrieren. Und die kommt unter der inspirierenden Leitung von Gabriel Chmura ganz hervorragend zur Geltung. Thomas Mohr hat sich nach Anfängen im Baritonfach zum famosen Heldentenor entwickelt. Den Parsifal singt er belcantistisch schön, mit Strahlglanz und vorbildlicher Artikulation. Agnieszka Zwierko ist als Kundry fast zur Regungslosigkeit verdammt. Wer sie jüngst als rassige Tangolita im Berliner Ball im Savoy erlebt hat, weiß, was für eine ausdrucksstarke Darstellerin sie sein kann. Umso bemerkenswerter ist, dass es ihr mit ihrem imposanten Mezzosopran, der ebenso über satte Tiefe wie dramatische Höhen verfügt, gelingt, die Vielschichtigkeit von Kundry rein stimmlich zu verdeutlichen. Mark Morouse versteht es, den Schmerz und die Verzweiflung des Amfortas vokal glaubhaft umzusetzen. Mario Klein disponiert klug und setzt seinen metallischen Bass in den großen Gurnemanz-Erzählungen differenziert ein. Rafał Korpik gibt mit erzenem Bass den Titurel, Jerzy Mechliński einen kernigen Klingsor. Wie gut das Opernhaus solistisch aufgestellt ist, merkt man an den ebenbürtig besetzten Nebenrollen, besonders an den klangschönen, stimmlich harmonisierenden Blumenmädchen.

Ganz hervorragend hat sich die Spielkultur des Orchesters unter dem seit einem Jahr amtierenden Generalmusikdirektor Gabriel Chmura entwickelt. Der Klang ist warm und sonor, dabei aber immer transparent. Der Dirigent strahlt jene konzentrierte Ruhe aus, die zu einem organischen Spielfluss mit nie nachlassender Innenspannung führt. Davon profitiert auch der von Mariusz Otto vorbereitete Chor, der sich durch Homogenität und fülliges Volumen ins beste Licht setzt.

Das Publikum im ausverkauften Haus spendet stürmischen Beifall. Hotel Pro Forma wird sich übrigens demnächst erneut mit Wagner auseinandersetzen. Im Januar 2014 erarbeiten sie den Rienzi für die Oper in Riga.

Karin Coper







Fotos: Katarzyna Zalewska