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Fakten zur Aufführung 

ORPHEUS IN DER UNTERWELT
(Jacques Offenbach)
1. Dezember 2012
(Premiere)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

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Unterhaltsames Durcheinander

Diesen Göttern müssen wir dankbar sein, seien es die himmlischen oder die irdischen. Liefern sie doch zwischen Macht und Sex all den Stoff, von dem die unterhaltsamen Geschichten leben, die in den Klatschspalten, in Film und Fernsehen und natürlich auf der Bühne, im Theater erzählt werden - mal tragisch, mal komisch, mal dramatisch, mal episch. Zu den Klassikern gehört ohne Zweifel die bizarre Geschichte des griechischen Sängers Orpheus und seiner so lebensfrohen Frau Eurydike, die der Spaß am diesseitigen Leben leider eben dieses kostet - in einem Feuerknall während der aktuellen griechischen Unruhen auf einer Vespa, dem zum Symbol für unbekümmerte Lebensfreude geworden Vehikel aus Italien.

Wollte man die Affären, Beziehungen, offen oder verschwiegen, dieses Stückes beschreiben, bräuchte man viel Text oder ein beziehungsreiches Piktogramm, das dem Zuschauer und den Protagonisten die Übersicht erhält. Aber vielleicht ist sie gar nicht nötig, gar nicht gewollt. Diesen Eindruck kann der Zuschauer beim Besuch des Orpheus aus der Unterwelt in Osnabrück gewinnen, mit dem das Theater am Domhof in die Premiere geht. Frank Harders-Wuthenow, einer der beiden Übersetzer, bereitet in den von Offenbach genutzten Libretti die „Notwendigkeit einer Aktualisierung“ für die Osnabrücker Fassung vor, für die Walter Sutcliffe und Daniel Brendel eine neue Dialogfassung schaffen.

Mit sanften Melodien von Klarinette und Oboe beginnt die Ouvertüre, die Streicher kommen hinzu und präsentieren eine leichte Musik, die man sich gut als griechische Tanzmusik vorstellen kann. Vor geschlossenem Vorhang stellt sich eine orange-korrekt gekleidete Dame vom Charme einer Arbeitsagentur-Mitarbeiterin dem Publikum als öffentlichen Meinung vor und erklärt die aktuelle Lage in Griechenland, aber: Wir sind ja alle Europäer - immerhin.

Und dann beginnt das muntere Verwechsel- und Beziehungsspiel zwischen Orpheus, Eurydike, Jupiter, dem Übervater, weiteren Göttern, Götterkindern, Pluto und Styx, wobei zum Schluss nur klar ist, dass Orpheus seine Frau doch nicht kriegt und sie ihn endlich los ist. Dabei schwankt die Inszenierung immer wieder zwischen der erzählten Geschichte und ihrer Ironisierung. Die Gesangspartien wechseln mit zeitlich aktualisierten Dialogen, die leider nicht immer verständlich sind.

In der Figur des Jupiter, der mal als „seriöser“ Gottvater, mal dandyhaft auftritt, überzeugt Jan Friedrich Eggers mit seriösem Bariton. Marie-Christiane Haase gibt der Rolle der Eurydike viel Doppeldeutiges, die mal als zärtliches Liebchen, mal als Zicke den Göttern den Kopf verdreht. Ihr heller Sopran klingt mehrfach schrill überzogen. In der jungen Rolle des Orpheus überzeugt Daniel Wagner mit klangvollem Tenor, dem auch die Geige zu Gesicht steht. Ganz ausgezeichnet Cupido von Chihiro Meier-Tejima und Diana von Lina Liu, die als klangvolle Soprane Extrabeifall erhalten. Dem seriös gestylten Styx gibt Hans-Hermann Ehrlich einen warmen vollen Tenor, Mark Hammanns Interpretation des Pluto/Aristeus klingt häufig spitz und hart und wirkt ironisch überzogen. Mit ihren Choreinlagen, die Markus Lafleur zuverlässig und kraftvoll einstudiert hat, sorgen Studierende des Instituts für Musik der Hochschule Osnabrück gemeinsam mit dem Chor des Theaters immer wieder für Leben auf der Bühne. Das Osnabrücker Symphonieorchester unter Daniel Inbal bleibt häufig im Hintergrund, nur bei den bekannten Liedern wie Ach, ich habe sie verloren, Um einst Alkmenen zu betören oder Als ich einst Prinz war von Arkadien kommt Stimmung auf.

Timo Dentler und Okarina Peter nutzen die vier Bilder des Stückes für häufige Umbauten, spielen mit Videobackground und zeitlich wechselnden Kostümen. Beeindruckend der schwarz glitzernde Strand, Unterwelt oder Lanzarote, an dessen Gestade sich Eurydike „sonnt“. Die Studierenden im Tanz- und Gesangsensemble bringen mit ihren Straßenszenen und Tanzeinlagen ein wenig Varietestimmung ins Theater, auch wenn vom Galop infernal, dem bekannten French Cancan, eher die Musik im Ohr bleibt.

Harders-Wuthenow sieht in der Genese des Stückes die Akzente immer mehr „von der Satire auf das Spektakel“ verschoben. Diesem Trend schließt sich die Inszenierung von Sutcliffe an. Ob es die projizierten Straßenszenen aus Griechenland sind, die Autobombe am Motorroller, einige wilde Tanzszenen oder die merkwürdige Erosszene des Jupiter mit Eurydike hinter der doppeldeutigen Tür mit Herz am einsamen Strand: wirklich witzig und originell ist das nicht.

Der Orpheus-Stoff hat Komponisten wie Regisseure immer wieder zu neuen Bearbeitungen motiviert und in der Bühnenliteratur zahlreiche neue Fassungen hinterlassen. Walter Sutcliffe hat der Inszenierung keine klare Linie gegeben, die die neue Dialogfassung in einen passenden Rahmen gestellt hätte. So wirkt mancher Regieeinfall willkürlich, ohne Kontext, Eigenheiten der Figuren bleiben aufgesetzt. Es sind vor allem die Chorpartien und die bekannten Couplets, die die Zuschauer zu anhaltendem Beifall nach einem unterhaltsamen Abend veranlassen.

Horst Dichanz





Fotos: Jörg Landsberg