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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
18. Juni 2011 (Premiere)

Theater Osnabrück


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Dottore Bartolo – der Pate

Und es rattert in allen Hirnen. Jeder versucht sich, tief im Intrigensumpf steckend, weitmöglichst in eine Vorteilsposition zu bringen. Als Bild für diese Verwirrtheit der Personen im Barbiere di Siviglia steht eine wilde Maschine mit allen möglichen Rädern, Riemen und Ritzeln auf der Bühne, die deutlich an die kinetischen Kunstobjekte von Jean Tinguely erinnert. Sie bewegt sich an allen Ecken und der Meister des Vertrackten selbst, Rossini, setzt sie höchstpersönlich in Gang. Antriebsmittel dieser Maschinerie ist nur das eine: Geld. Jeder in diesem Stück möchte möglichst viel davon haben.

Das Team rund um die junge Regisseurin Nadja Loschky verlegt das Ganze in eine schummrig-chaotische Halbwelt, in der sich Mafiosi, Agenten und Polizisten herumtreiben. Graf Almaviva ist einer der Großen beim FBI, Figaro ein schlitzohriger V-Mann, Basilio ein geistlicher Würdenträger, der weniger den rechten Glauben als vielmehr fiese Intrigen im Sinn hat. Das Ambiente: ein ziemlich heruntergekommenes Hinterhof-Etablissement, in dem Bartolo - ein kleiner Mafia-Pate, quasi ein Marlon Brando für Arme - und sein Mündel Rosina hausen.

Loschky setzt Rossinis Meisterwerk temporeich und mit vielen Effekten in Szene. Da sind alle ständig in Aktion, die wilde Spirale der Intrigen wird unentwegt vorangetrieben. Loschkys Stärken liegen dabei vor allem auf der Ebene der Personenführung: Wie sie gekonnt Chor und Solisten auf der nicht eben riesigen Osnabrücker Drehbühne zu den großen Ensembles vereint und immer wieder neue Bilder generiert ist schön anzusehen. Es gibt pralle Szenen wie Rosinas Cavatine Una voce poco fa, in der die entschlossene junge Frau mit den Spießgesellen ihres Vormunds Schlitten fährt. Loschky hat eine gute Idee von einem Barbiere im Mafia-Milieu, die sie aber nicht ganz konsequent umsetzt. Außerdem wird das eine oder andere Mal etwas zuviel auf die Pointe geschielt und ein paar mal zu oft knallen die Platzpatronen. Insgesamt ist diese Inszenierung aber eine wirklich starke Leistung.

Das gilt auch für Holger Krauses Herrenchor, der in seinen Passagen genauso glänzt wie in den Ensembles mit den Solisten. Und deren Partien kann das Theater Osnabrück fast komplett und mit großem Erfolg aus eigenen Reihen besetzen. Silvio Heil ist ein absolut stimmsicherer Fiorillo, während Heike Hollenberg die Arie der unglücklich verliebten Berta hervorragend und souverän gestaltet. Das gilt auch für Mark Sampson als fieser Basilio, der mit raumgreifender Stimme das Anschwellen eines Gerüchts zur Verleumdung schildert.

Genadijus Bergorulko spielt den Dr. Bartolo toll, hat am Premierenabend jedoch ein paar Schwierigkeiten mit Rossinis halsbrecherischen Koloraturen. Die gelangen Ani Taniguchi als Rosina dagegen tadellos. Was ihrer mit Brillanz geführten Stimme für diese Rolle noch ein klein wenig fehlt: gebieterische Statur, ein Mehr an satter Tiefe, die raumfüllender daher kommt.

Filippo Adami wird mühelos mit der mörderischen Partie des Almaviva fertig, hat das richtige Rossini-Tenor-Timbre und findet im Laufe des Abends gerade in den leiseren Passagen zu größerer Differenziertheit. Marco Vassalli in der Titelpartie d urchmisst sicher und volltönend mit seinem flexiblen Bariton all die Tücken seiner Rolle und ist auch darstellerisch einnehmend.

Das Osnabrücker Symphonieorchester unter Leitung von Daniel Inbal ist voll konzentriert bei der Sache. Inbal begleitet die Akteure auf der Bühne mit großer Sensibilität und versteht es sehr genau, die Feinheiten und die Raffinesse der Musik Rossinis überzeugend zur Geltung zu bringen.

Das Osnabrücker Premierenpublikum applaudiert dem Regieteam ebenso begeistert wie allen anderen Beteiligten. Die letzte Opernpremiere unter der Intendanz von Holger Schultze erweist sich als grandioser Erfolg.

Christoph Schulte im Walde

 













Fotos: Klaus Fröhlich