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Fakten zur Aufführung 

ADRIANA MATER
(Kaija Saariaho)
13. März 2011
(Deutsche Erstaufführung)

Theater Osnabrück


Points of Honor                      

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Ohnmacht und Gewalt

Ein Frau wird nach einer Vergewaltigung während eines Krieges schwanger, entschließt sich aber, das Kind zu behalten. Erst als der fast erwachsene Junge nicht in der Lage ist, seinen hilflosen, inzwischen erblindeten Erzeuger umzubringen, weiß sie: Er ist mein Sohn - und nicht der des gewalttätigen Soldaten. So findet sie in ein normales Leben zurück.

Kaija Saariahos Oper Adriana Mater betrachtet das Verhältnis von Gewalt und Ohnmacht, von Hass und Unterdrückung, erzählt aber auch, wie daraus Liebe und Versöhnung entstehen können.

Adriana Mater erlebt die deutsche Erstaufführung. Und Andrea Schwalbach setzt das zeitlose Sujet auch vollkommen zeitlos in Szene, verzichtet auf denkbare aktuelle Konnotationen, konzentriert sich auf die Dialoge. Hinten auf der Bühne sitzt das Orchester, davor an Notenpulten der Chor, der das Geschehen meist mit Vokalisen kommentiert, aber auch aufsteht und gestenreich agiert. Das mutet an wie der Chor in einer griechischen Tragödie. Nanette Zimmermann braucht nur wenige Requisiten, um Situationen anzudeuten. Im fast hochgefahrenen Orchestergraben liegen, in Plastik gehüllt, ein paar Stühle, eine Schnapsflache, ein Brot. Die werden immer dann ausgepackt, wenn sie gebraucht werden. Hauptsächlich sind es jedoch hereingetragene Türen, die die Szene ausmachen: Durch sie versuchen die Personen zueinander zu finden oder sich voreinander zu schützen. Bessere Sachwalterinnen als dieses Regie- und Ausstattungsteam hätte die Komponistin für ihr Werk nicht finden können.

Das gilt auch für das Ensemble auf der Bühne. Holger Krauses Chor geht die Sache hochkonzentriert an und erfüllt seine Aufgabe perfekt. Genadijus Bergorulko ist als rau-brutaler Vergewaltiger ebenso glaubwürdig wie als verzweifelter Behinderter. Bernardo Kims stählerner Tenor spiegelt das Aufbegehren und die Verzweiflung des Heranwachsenden wunderbar.

Die beiden so gegensätzlichen Schwestern sind bei Lydia Ackermann (Refka) und Merja Mäkelä (Adriana) in den besten Händen- Ackermanns perfekt sitzender Sopran vermag der zweifelnden, zögernden Refka Statur zu geben, während Mäkelä mit warmer Tiefe die Titelfigur mit allen wechselnden Seelenzuständen zwischen Lebensfreude und Selbstbewusstsein und tiefster Verzweiflung ausstattet.

Hermann Bäumer und die Osnabrücker Symphoniker tun das Beste, die Vielschichtigkeit und Farbigkeit der Partitur Saariahos ins Publikum zu tragen. Das kann allerdings nur bedingt gelingen, denn die Musik ist oft nur ein gleichförmiger Klangteppich mit wenigen spannenden Momenten. Das ist besonders im zweiten Teil eher unglücklich, wenn das Libretto Amin Maaloufs durch quälende Wiederholungen für gewaltige Längen sorgt.

Das Osnabrücker Publikum folgt dennoch bis zum Schluss und spendet anerkennenden, ja begeisterten Applaus, vor allem für die anwesende Komponistin.

Thomas Hilgemeier









 Fotos: Klaus Fröhlich