Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE SCHÖNE UND DAS BIEST
(Lucy Kirkwood/Katie Mitchell)
22. November 2013
(Deutsche Erstaufführung)

Theater Oberhausen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 

Nach der Premiere


Angela Falkenhan hat die Titelrolle in einer bezaubernden Fassung von Die Schöne und das Biest übernommen. Hier erzählt sie davon (6'15).

 

zurück       Leserbrief

Die letzte Vorstellung

Was für ein Theaterabend! Witzig, bunt, schrill, frech, romantisch, bezaubernd. Das französische Volksmärchen La Belle et la Bête, das als Vorlage dient, bietet bei richtiger Lesart alles, was ein gutes Bühnenwerk braucht. Sattsam bekannt all die gelackten Film- und Fernsehadaptionen, weltberühmt das Musical. Das Theater Oberhausen bringt eine Bearbeitung von Lucy Kirkwood und Katie Mitchell als deutsche Erstaufführung auf die Bühne des Malersaals. Lily Sykes hat das Stück mit Esprit und Fantasie, emotional ansprechend, in der ganzen Bandbreite von völlig überdreht bis hoffnungslos verträumt inszeniert.

Eine Theatertruppe hat das Märchen von der Schönen und dem Biest bereits unendlich oft aufgeführt. Der Mann in Pink als Conférencier und seine Assistentin Cécile haben dennoch durchaus noch unterschiedliche Auffassungen darüber. Klar, dass Cécile schon immer heimlich in den alternden Moderator verliebt war. Während das Bühnenstück läuft, erhalten die beiden die Mitteilung der Theaterleitung, dass sie soeben die letzte Vorstellung absolvieren. Zu altmodisch und ohne Video, das geht in der modernen Theaterlandschaft nicht mehr. Was zu neuerlichen Diskussionen führt, ob die bekannte Version überhaupt weiterzuspielen oder in einen tödlichen Ausgang für das Biest abzuändern sei. Derweil ist die Schöne im Palast des Biestes angelangt, und die beiden kommen sich allmählich näher. Zur Weihnachtsfeier darf die Schöne besuchshalber zurück zu ihrem Vater und ihrer „nicht so schönen Schwester“. Daraus wird ein halbes Jahr, bis Belle im magischen Spiegel erfährt, dass es Bestie Fritz immer schlechter geht. Also kehrt sie zu ihm zurück, und alles wird gut, während der Mann in Pink mit seiner Assistentin ins Feenreich entschwindet. Garniert wird der Plot mit Musik von Ingo Schörder, der Klavier- und Bandstücke, Lieder und akustische Effekte beisteuert. Mit den Liedern hält es Schörder mit der Tradition des langjährigen Musikalischen Leiters in Oberhausen, Otto Beatus. Sie sind anrührend, begeisternd, übertreiben aber nicht in den Anforderungen an die Schauspieler. Die Bühne von Christina Mrosek setzt vermutlich allein bei den Bewegungsabläufen schon ein wochenlanges Rollenstudium voraus. Ein Bühnenraum von wenigen Quadratmetern mit Vorhängen ist mittig in der Länge des Raums aufgebaut. Links und rechts davon jeweils ein von beiden Seiten begehbarer Rollenschrank, daneben jeweils ein Schminktisch mit Stuhl. Links in der Ecke sind die Instrumente untergebracht, rechts findet noch ein Leuchtspiegel Platz. Weil alle Teile beweglich sind, werden sie auch bewegt. Wem das an Dynamik nicht reicht, der wird staunen, wie die Schauspieler den Raum immer wieder neu entdecken und ihn gleichmäßig ausfüllen. Ines Koehler steckt sie dazu in zweckmäßige wie fantasievolle Kostüme, farbenfroh und charakterisierend. Ein paar Schwächen im Licht, das die Zuschauer hin und wieder allzu sehr blendet, werden sicher in den kommenden Aufführungen noch behoben werden können.

Sykes geht es nicht darum zu psychologisieren, sondern charakterstarke Personen auf die Bühne zu stellen, die das Publikum für die Handlung(en) begeistern. Dazu hat sie ein wahres Dreamteam zur Verfügung. Angela Falkenhan als Belle spielt wie immer unglaublich überzeugend; fantastisch, wie sie mit der Sprache umgeht. In Oberhausen längst Publikumsmagnet, verwundert es, dass sie noch nicht auf den großen Bühnen der Republik agiert. Das Biest wird von Eike Weinreich verletzt und immer noch verletzlich dargestellt. Wunderbar, wie sich die Liebe der beiden eben gar nicht theatralisch, sondern sehr natürlich, sehr nachvollziehbar entwickelt. Hartmut Stanke trifft als Vater auch die leisen Töne, lebensklug und durch und durch überzeugend. Belles Schwester, im Original Lettice, mutiert in dieser Fassung zu Gundula, der nicht so schönen Schwester – und wird prachtvoll von Sergej Lubic in Frauenkleidern dargestellt. Belustigend, ohne eine Spur von Klamauk, übernimmt der Darsteller diese Rolle und findet sichtlich Gefallen an ihr. Auch Elisabeth Kopp als kokettierendes, französisches Weibchen ist ein Hochgenuss. Da stimmt jede Geste, jeder Blick, jeder Ton. Wunderbar! Ein paar Hänger leistet sich Henry Meyer als Mann in Pink. Und das darf er in der Komplexität seiner Rolle als Conférencier auch, Tanzeinlagen inklusive.

105 Minuten rauschen am Publikum im besten Sinne vorbei. Es wird geliebt, gelebt, geträumt, gelacht und gelitten. Wie schade, dass es die „letzte Vorstellung“ war. Findet das Publikum auch und dankt mit langanhaltendem Applaus. Gut, dass realiter noch zahlreiche Aufführungen anstehen.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Birgit Hupfeld