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Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
30. September 2012
(Premiere)

Staatstheater Nürnberg


Points of Honor                      

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Psychologie als Triebfeder

Großer Beliebtheit erfreute sich Giuseppe Verdis Il Trovatore beim Publikum ja schon immer. Aber es gibt nicht wenige Opernfreunde, die die Oper scheel anschauen, weil ihnen der spanische Stoff, die Story um zwei aus erotischen Motiven rivalisierende Brüder nebst Blutrache einer Zigeunerin spanisch vorkommt. Wer beruft sich nicht gerne auf Leo Slézak, dem einmal die kokettierenden Äußerungen entschlüpften, so oft er auch immer Il Trovatore gesungen habe, so wenig sei ihm hier ein Licht aufgegangen, was in der Oper eigentlich vor sich ginge. Eine Herausforderung für alle Regisseure, den nachgesagten dramaturgischen Schwächen einmal auf den Grund zu gehen. Lösungen gäbe es deren viele. Nicht selten werden Sequenzen eines filmisch scharf geschnittenen Politmodells vorgeführt, das oft das letzte Fünkchen an Poesie ausmerzt. Manche Regisseure kennen beim Trovatore ausschließlich die Destruktion. Trümmerlandschaften werden zur ästhetischen Kategorie erhoben. Im finsteren endzeitlichen Ambiente wird Verdi-Kultur vorgeführt. So stellte der Argentinier Hugo de Ana an Mailands Scala mit gewaltigem szenischen Aufwand das Geschehen in ein Apokalypse-Szenario.

Das Staatstheater Nürnberg holt jetzt den ungarischen Regisseur Balázs Kovalik ins Haus, dessen hintersinnige Regiearbeiten an der ungarischen Nationaloper sich nicht mit der rechts gerichteten konservativ nationalen Gesinnung der Regierung des EU Staates Ungarn vertragen. Er wurde in der Eigenschaft als künstlerischer Leiter kurzerhand seines Postens enthoben. Kovaliks Deutung in Il Trovatore ist psychologisch fundiert, so dass nie der Eindruck entsteht, der Gesang sei in dieser aufwühlenden Handlung wirklich das einzige von Interesse. Keine Frage: Wer auf die Innenwelt der Figuren zusteuert, lässt nichts im szenisch musealen Getümmel erstarren, bedarf nicht historisch stilisierter Tableaus, muss kein hohles Bilderpanorama kreieren. In rustikaler, praller Bildhaftigkeit beleuchtet Kovalik die seelischen Befindlichkeiten der Figuren, gibt ihnen Profil, scheut sich auch nicht, im heftig tobenden Bürgerkrieg Gefallene auf der Bahre hereinzutragen und sie wie Müll in einen Massengrab zu versenken. Das von Geheimnis umschattete romantische Nachtstück, das sich um den Hass zwischen den Halbbrüdern Graf Luna und Manrico, um die Kindesmörderin Azucena und die Liebe Leonoras zu Manrico dreht, verlegt Kovalik in ein Ein-Raum-Konzept, in einen Seelenraum. Thomas Schlegel passt sein Licht dem dramatischen Getriebe an: Hell timbriertes Grün wechselt mit dunkler Tönung beim Aufbruch in den Kampf.

Zunächst sitzt man an einem langen Tisch, tafelt gemeinsam. Handlungstreibend exzessiv wird auf den Tischen herumgeturnt. Sukzessive entwickelt sich im hektischen Getriebe, im sprunghaften Wechsel der Einstellungen, eine beklemmende Atmosphäre, die dem Prinzip Hoffnung keine Chance bietet. Bühnenbildner Hermann Feuchter entlehnt seine bildhafte Imagination Luchino Viscontis legendärem Streifen Il Gattopardo von 1963, insbesondere den räumlichen Gegebenheiten aus dem Palazzo Gangi-Valguarnera in Palermo. Ein Feinzeichner ist Kovalik allerdings nicht. Hoch ragen auf der Bühne buntbeschmierte Elemente, was das Aktionsfeld doch erheblich einschränkt und die kompakt sich bewegenden Figuren oft in Blickrichtung hin zur Rampe treibt. Insbesondere schärft Kovalik das Profil der Zigeunerin, beleuchtet ihren inneren Konflikt, dass ihr vermeintlicher Sohn der Halbbruder des Grafen Luna ist. Symbolhaft wirkt hier die als Alptraum erscheinende auf dem Scheiterhaufen verbrannte alte Zigeunerin. Wie überhaupt visionäre, handlungsreflektierende Elemente häufiger erscheinen, so das ins Feuer geworfene Kind oder die bei Graf Luna triebhaftes Verlangen weckende Leonora-Puppe. Kovalik scheut sich nicht, die Konflikte der rivalisierenden Beteiligten, all die Wirrnisse und Bizarrerien, schonungslos direkt auf die Bühne zu bringen, etwa den Feuertod Manricos. Die Inszenierung verdeutlicht eine zunächst reiche Gesellschaft, die im Zuge der Kampfhandlungen immer mehr zugrunde geht. Das ließe sich auf aktuelle politische Gegebenheiten im nahen Osten ohne weiteres übertragen.

Die zeitlos von Sebastian Ellrich kostümierten Figuren führen niveauvoll Verdi-Kultur vor, vor allem die Leonore der Ekaterina Godovanets, die in der mitatmenden Führung von Guido Johannes Rumstadt mit großer Sorgfalt alle lyrischen Bögen mit kultiviertem Piano artikuliert. Die Azucena der Roswitha Christina Müller zeigt explosiv dramatische Höhen – zigeunerhaft flammend und verzehrend im Ausdruck, auch glaubwürdig im bizarr anmutenden Profil. Da ließe sich denn im Sinne Kovaliks auch mutmaßen, inwieweit ihre Aussagen tatsächlich der Wahrheit entsprechen, inwieweit ihr letzter Satz „Du bist nun gerächt – o Mutter“ eine Akklamation der Freude oder ein Verzweiflungsschrei ist. Nervig und markant zugleich, mächtig auftrumpfend in den Höhen, gibt David Yim den Manrico, der heißblütig um Freiheit und leidenschaftlich seine Liebe zu Leonore bekundet. Ein kraftvoll artikulierender Tenor, der seiner Stimme alles abverlangt und sich heftig in die Höhen stemmt. Fiesling Graf Luna liegt die Brutalität näher als alle menschlichen Regungen. Den Ohrwürmern seiner Partie gibt Mikolaj Zalasinski souverän die ihnen gebührende sonore Würze. Keine Frage, dass in dem beklemmenden Umfeld deutlich wird, in welcher dramaturgischen Beziehung die rivalisierenden Parteien dieser zwielichtigen Handlung zueinander stehen. Ausdruckskräftig, szenisch recht kompakt geführt, hört man den von Tarmo Vaask sorgfältig einstudierten Chor.

Zum deprimierenden Getümmel auf der Bühne gibt es feine musikalische Kost. Den Geniestreich Verdis lassen die glänzend disponierten Musiker der Staatsphilharmonie Nürnberg in der an Meyerbeer geschulten Orchestrierung in der dunkel eingefärbten Tinta Verdis leuchten. Der musikalischen Rhetorik bleibt das Orchester nichts schuldig. Subtil aufgefächert bis ins Filigran durchleuchtet Guido Johannes Rumstadt die Partitur. Man hört Verdi in fein austarierten Ensembles, Arien und Terzetten. Kurzum: Nürnbergs Opernmacher bringen es in der Tat zu einer durchwegs vorzeigenswerten Produktion.

Das Publikum applaudiert begeistert den Protagonisten, insbesondere der fabelhaften Azucena der Roswitha Christina Müller und der mit edlen Piani singenden Ekaterina Godovanets in der Rolle der Leonora. Geteilte Zustimmung gibt es allerdings beim Auftritt des Regieteams.

Egon Bezold

Fotos: Ludwig Olah