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Fakten zur Aufführung 

ARABELLA
(Richard Strauss)
3. Februar 2014
(Premiere am 1. Februar 2014)

Staatstheater Nürnberg


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Vom Nutzen schöner Töchter

Gottseidank sind heute Töchter nicht mehr zuständig für die Sanierung maroder väterlicher Finanzen, zumal wenn diese durch Leichtsinn, Standesdünkel und Spielschulden verursacht sind. In der lyrischen Komödie Arabella von Richard Strauss kann der Betrachter nun einen erleichterten Blick werfen auf Verhältnisse in Wien in Zeiten der Veränderung eines macht- und gesellschaftspolitischen Systems, wie es der Dichter Hugo von Hofmannsthal in seinem Libretto geschildert hat. Er lässt die Handlung um 1860 spielen. Parallelen zu heutiger Heiratspraxis sind wohl eher selten, und auch das Selbstbewusstsein der Frauen damals lässt schon den Wandel spüren.

Die Nürnberger Inszenierung von Andreas Baesler versetzt das Geschehen in die Zeit der Entstehung der Oper, so um die 20-er oder 30-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Es sollten so die Spannungen aufgezeigt werden, die während eines Umbruchs eines überholten gesellschaftlichen Systems auftreten. Doch die Bühnenhandlung berührt einen nicht sehr, vielmehr erheitert sie ein wenig. Der Konflikt zwischen dem Zwang zur reichen Heirat, den persönlichen Neigungen und der freien Entscheidung bei Arabella wird eher als kapriziöse Laune aufgefasst, die Verleugnung der Rolle der Frau aus Sparsamkeitsgründen bei Zdenka wirkt eher wie ein seltsamer theatralischer Einfall, und die Anspielungen auf den historischen Hintergrund, den Untergang des Habsburger Reichs mit seinem Vielvölkerstaat und die damit einher gehende Instabilität des bisherigen sozialen Gefüges werden nur oberflächlich angedeutet. Dadurch bedient die Inszenierung eigentlich vorrangig ein musikalisch-kulinarisches Unterhaltungsbedürfnis, ohne dass sie symbolisch tiefer greift, wie sich es vielleicht der Dichter in der Zusammenarbeit mit seinem Komponisten gewünscht hätte. Zwar weist das Bühnenbild von Harald B. Thor auf die Brüchigkeit der Situation hin: Im Hotel, in dem der bankrotte Graf Waldner mitsamt Familie auf der Flucht vor den Gläubigern und nach Verlust seines Wohnsitzes Quartier genommen hat, werden Renovierungsarbeiten über dem großen Zimmer mit Ausblick auf Ring-Fassaden durchgeführt. Beim Fiakerball, bei dem sich am Faschingsdienstag „Oben“ und „Unten“ beim Tanz vermischen, ist die Dekoration im Vorraum zum Saal noch nicht komplett, und Leitern stehen herum. Ob auch die Spiegel aus wackeligen Folien einem ähnlichen Zweck dienen, bleibt fraglich. Die Kostüme von Gabriele Heimann aber passen in ihrer Eleganz gut zur dekadenten Epoche der ausgehenden 1920-er Jahre, auch wenn die Begleiter des Mandryka in ihrem martialisch-folkloristischen Aufzug etwas plump wirken. Was jedoch leicht befremdet, ist die Personenregie beim Ball: Da eilt hinten immer wieder etwas unmotiviert Kellner-Personal über die Bühne, ständig tanzt ein groteskes Paar, er winzig, sie riesig, um die Theke; die dreht sich dann auch und dient als Plattform für den Auftritt der Fiakermilli, die allerdings hier einem Marlene-Dietrich-Verschnitt ganz in Weiß als Show-Entertainerin ähnelt. Von einer Ball-Atmosphäre ahnt man kaum etwas; nur einmal strömen die erhitzten Ball-Gäste herein, und es wird auch nicht ganz klar, wie und warum Arabella zur Ball-Königin gewählt worden ist. Sprühende Laune, Tanzvergnügen – Fehlanzeige, eher scheint alles bemüht, die Leere des Raums zu überbrücken. Ähnlich statische Anordnungen sind auch in den anderen Akten zu bemerken, die mit plötzlichen unmotivierten Lichtwechseln vielleicht Atmosphäre suggerieren sollen. Das Schlussbild, als sich die Kulisse des Hotelflurs auseinander schiebt und den Blick auf eine Art Sternenhimmel frei gibt, initiiert wohl eine Traumvision: Vielleicht geht doch alles gut aus, und der Wunsch nach einem Glück „auf immer“ erfüllt sich; Arabella und Mandryka gehen hintereinander her – ob sie wirklich zusammenfinden? Beim anderen Paar, Zdenka und Matteo, erscheint eine gemeinsame Zukunft zumindest zweifelhaft: Er verlässt das Hotel, sie folgt ihren Eltern aufs Zimmer.

Natürlich fragt man sich, warum gerade Arabella und nicht eine andere Oper des Komponisten zum Auftakt des Strauss-Jahres gewählt wurde; zuletzt wurde sie 1980 in Nürnberg aufgeführt. Musikalisch zeigt der zweite Abend der diesjährigen Inszenierung Licht- und Schattenseiten. Marcus Bosch dirigiert die Staatsphilharmonie Nürnberg mit viel Einsatz; leider gerät dabei einiges zu laut, überdeckt die Sänger. Vor allem beim Vorspiel zum dritten Akt scheint das Blech zu grell, vieles wirkt überhastet, so dass weite Bögen oder lyrische Momente, die vorher durchaus zu hören waren, untergehen. Insgesamt aber wird das fiebrig Aufgeregte, das Unruhige der Personen betont. Die Walzer-Einsprengsel, die slawischen Elemente oder die zeitweilig idyllische Melodik schaffen Ruhepunkte im komplexen Ganzen. Sängerisch ragen vor allem die Interpreten der Hauptrollen heraus. Die russische Sopranistin Ekaterina Godovanets gibt mit ihrer metallisch unterlegten, runden, ausdrucksstarken und in den Höhen strahlend sicheren Stimme eine kraftvolle Arabella, von der Darstellung her eine reife, etwas distanzierte, kühle Schönheit, die ihre Gefühle im Griff und vor allem eines im Sinn hat, nämlich sich einen Supermann zu angeln und ihn auch zu beherrschen. Den findet sie in Mandryka alias Jochen Kupfer, groß gewachsen, blendend aussehend und noch dazu mit einem raumgreifenden, tragfähigen, angenehmen Bariton ausgestattet. Dass dieses Bild von einem eleganten Mann ein etwas schwärmerischer Hinterwäldler laut Textbuch sein soll, nimmt man ihm nicht so ganz ab. Zdenka, die in der Hosenrolle des Zdenko der verarmten Grafenfamilie Geld für die nötige weibliche Ausstattung sparen soll, wird von Michaela Maria Mayer jugendlich frisch verkörpert; dazu passt ihr heller, weicher Sopran, der nur in der Höhe manchmal angestrengt scheint. Ein Glanzpunkt ist das Duett der beiden Schwestern Aber der Richtige … Für Zdenka scheint Matteo der Richtige; leider verehrt er zuerst hartnäckig erfolglos nur Arabella; Martin Nyvall gibt ihn mit etwas flachem, angespanntem Tenor. Das Elternpaar erhofft sich Rettung aus der prekären Situation durch den Nachwuchs. Randall Jakobsh ist hier ein oft nur passiv herumstehender Vater Graf Waldner, verstärkt die Hoffnungslosigkeit mit brüchigem, aber großen Bass, und die Mutter Adelaide, Roswitha Christina Müller, betont die vermeintlich hohe Stellung mit vollem, sicheren Sopran und durch elegantes, überhebliches Auftreten. Die drei Verehrer von Arabella, Graf Elemer, Martin Platz, Graf Lamoral, Daniel Dropulja, und Graf Dominik, Javid Samadov, für Hofmannsthal Symbolfiguren für ehemals der Habsburger Monarchie gehörige Länder, sind mit ihren unterschiedlichen Stimmen und diversen Erscheinungen adäquate Vertreter ihres Standes. Eindrucksvoll auch der kurze Einsatz der Wahrsagerin, Gunta Cese, dank ihres schön gerundeten Soprans. Dagegen erfüllt Cornelia Götz als Fiakermilli mit ihrem sehr hellen, in den extremen Spitzen oft etwas grellen Sopran nicht alle Erwartungen, denn die aberwitzigen Koloraturen dieser Partie kommen trotz flinker Beweglichkeit nicht immer im Einklang mit dem Orchester. Der Chor, sängerisch nicht allzu sehr beschäftigt, bildet zusammen mit der Statisterie um diese auffallende Zentralgestalt des Balls herum die Folie für das nicht sichtbare Tanzgeschehen.

Dennoch erhält diese Sängerin wie auch ihre Kollegen nach dem Schluss der zweiten, nicht ganz ausverkauften Vorstellung freundlichen Beifall. Der steigert sich zum Jubel bei den drei Hauptakteuren. Ob das Publikum auch die übrigen Aufführungen der Oper füllen wird, bleibt abzuwarten. Denn die Inszenierung vermag auf weite Strecken nicht recht zu fesseln; begrüßenswert sind auf jeden Fall die Übertexte, da man sonst vieles akustisch nicht verstünde.

Renate Freyeisen

Fotos: Jutta Missbach