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Fakten zur Aufführung 

TIEFLAND
(Eugen D'Albert)
17. Januar 2014
(Premiere)

Theater Nordhausen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Tiefland ohne Tiefgang

Eugen D’Alberts 1903 in Prag uraufgeführte Oper steht heute nur noch selten auf dem Spielplan. Das mag unterschiedliche Gründe haben. Musikalisch fehlt dem Werk der rote Faden, zu viele unterschiedliche Stile haben Einfluss auf die Orchestrierung genommen. Von Mascagnis Cavalleria Rusticana über Puccini bis hin zu Wagner, viele Anklänge an große Meisterwerke der Spätromantik vermag man zu erkennen. Gerne wird die Oper auch dem „deutschen Verismo“ zugeordnet. Eingängige Motive, große sinfonische Bögen und musikalische Dramatik zeichnen die Musik aus. Doch egal, wie man das Werk auch kategorisiert, es ist inhaltlich und musikalisch nicht leicht umzusetzen, bedarf einer sensiblen Orchesterführung und verlangt große Wagner-Stimmen in den Hauptrollen. Und so sind auch die wenigen vorhandenen CD-Aufnahmen mit entsprechenden Sängern besetzt. Wenn nun ein Theater wie Nordhausen sich an ein derartiges Werk wagt, so ist das mutig und begrüßenswert.

Die Oper führt den Zuschauer in die Berge und ins katalanische Tiefland am Fuße der Pyrenäen. Der Schäfer Pedro lebt in der natürlichen Idylle der Berge. Sebastiano, der Herr über die Ländereien, zieht ihn hinein in die sündigen Machenschaften im Tiefland. Er plant, eine reiche Frau zu ehelichen, um seine Schulden zu tilgen. Gleichzeitig will er den jahrelangen Missbrauch seiner Ziehtochter Marta weiterführen. Um das zu vertuschen, soll Pedro, der sich nach einer Frau sehnt, Marta heiraten. Diese lehnt den einfältigen, aber ehrlichen Hirten zunächst ab, doch je größer ihr Hass auf Sebastiano wird, umso mehr fühlt sie sich zu dem vom Volk verhöhnten Hirten hingezogen. Am Schluss erfährt Pedro die Wahrheit, tötet Sebastiano und zieht mit Marta zurück in die Einfachheit der Berge.

Toni Burkhardt hat mit seiner Inszenierung hier eine große Chance vertan, die Subtilität der Charaktere und ihre psychologischen Verflechtungen zueinander herauszuarbeiten. Insbesondere die Person der Marta, die ja frühkindlich schon Missbrauch und Gewalt erleben musste, erscheint hier als kühle, eher teilnahmslose Person ohne große emotionale Einlassung. Auch Sebastianos Verschlagenheit und Brutalität kommen nicht richtig zur Geltung. Und Pedro, der einfache Hirte aus den Bergen, kommt über ein paar Verzweiflungsgesten nicht hinaus. Einzig die etwas debile Nuri wird in ihrer Schlichtheit gut charakterisiert. Das Drama, ja, die Tragödie, die hinter den Personen steht, kommt nicht zur Geltung, so sehr die Protagonisten sich auch bemühen. Das Spiel ist seicht, langweilig, und man fragt sich im Laufe des Stückes, was will der Regisseur denn eigentlich sagen. Die Geschichte ist brav und solide erzählt, die angedeutete Vergewaltigung Martas durch Sebastiano der einzige Aufreger. Das Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning passt zu dem Regieansatz. Ein paar Holzbauten symbolisieren die Häuser im Tiefland, im Vordergrund ein Tisch, ein paar Stühle. Im Vorspiel waren die Aufbauten mit Vorhängen überzogen und symbolisierten so die Berggipfel, eine preiswerte, aber ansprechende Lösung. Die Kostüme von Udo Herbster sind der einfachen Arbeiterschicht zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuzuordnen, lediglich Martas gelbes Kleid passt überhaupt nicht in das Gesamtbild.

Aber es gibt an diesem Abend trotzdem große Oper, dafür sorgt die musikalische und gesangliche Gestaltung des Abends. Allen voran der Tenor Joshua Farrier als Pedro. Ihm gelingt mit seinem Ausdruck, was die Regie nicht schafft , indem er die ungelenken Klischees des Librettos in wirkliche Eigenschaften verwandelt: mit glänzender Stimme und stahlkräftigen Höhen, mit emotional unverstelltem Gesang und klarem Sprachakzent. Der Schwung seiner Berghymne, die dramatische Rhetorik der Ballade vom Kampf mit dem Wolf, das sanfte Liebeswerben in den Duetten mit Marta, die impulsive Tatkraft – das alles ist bei Farriers musikalischer Gestaltung zu erleben und macht an diesem Abend den Unterschied aus. Für die junge Sopranistin Bianca Koch als Marta kommt dieses Rollendebüt viel zu früh. Die Partitur verlangt einen jugendlich-dramatischen Sopran mit einer fundierten Mittellage, die ihr vollends fehlt. Die Stimme ist zu spröde, um einen geschmeidigen und tragfähigen Stimmfluss zu erzeugen. Die dramatischen Ausbrüche bewältigt sie nur mit starkem Vibrato in den Höhen, und an der Textverständlichkeit muss sie noch arbeiten. Darstellerisch hätte der Regisseur ihr mehr Hilfestellung geben können. Kai Günther überzeugt als Sebastiano mit markantem Bariton und großartiger Stimmführung und versucht mit Gestik und Mimik, das Böse seiner Figur darzustellen. Elena Puszta begeistert mit wunderschönem, warmem Gesang und einer großartigen schauspielerischen Leistung als Nuri. Eine immer noch imposante Bühnenerscheinung ist Jürgen Trekel in der Partie des Dorfältesten Tommaso. Mit 75 Jahren verfügt Trekel über einen imposanten Bass und verleiht durch seine große Ausstrahlung der Rolle einen besonderen Charakter. Yoontaek Rhim lässt mit angenehmem Bariton und kluger Stimmführung als Mühlknecht Moruccio aufhorchen.

Der Chor, von Elena Pierini gut eingestimmt, fügt sich mit den anderen Solisten gut in das musikalische Gesamtbild ein. Das Loh-Orchester Sondershausen unter der Leitung von Markus L. Frank bringt die Vorzüge der Komposition, klangliche Farbigkeit und effektvolle Stimmungsmalerei zu voller Wirkung, passt sich den Sängerstimmen an und findet nach dramatischen Ausbrüchen rasch zurück zu leiseren Tönen. Somit gelingt der Abend wenigstens musikalisch.

Das Publikum beteiligt sich nicht an solchen Überlegungen, es gibt großen Applaus für alle Mitwirkenden, und berechtigten Jubel für Joshua Farrier. Schade, wenn die Regie das sängerische und musikalische Niveau erreicht hätte, es wäre ein ganz großer Abend für Nordhausen gewesen.

Andreas H. Hölscher



Fotos: Roland Obst