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Fakten zur Aufführung 

L'ELISIR D'AMORE
(Gaetano Donizetti)
10. Oktober 2012
(Premiere am 24. September 2012)

Metropolitan Opera New York

und 13. Oktober 2012

Cinemaxx Oldenburg


Points of Honor                      

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Wie aus dem Bilderbuch

In der Großstadt kommen ländliche Gefühle hoch. Michael Yeargan zaubert auf die Bühne der Metropolitan Opera für Donizettis Liebestrank eine passende Landschaft mit hüfthohem Gras und schiefen Bäumen. Auch der kleine Dorfplatz vor der Kirche und die große Scheune machen mit schönen Kulissen großen Effekt. Zusammen mit Bartlett Shers Inszenierung kommt dieser Liebestrank daher wie aus einem opulenten Bilderbuch. Handwerklich ist die Regiearbeit ohne Tadel, doch hat Sher an der Met schon bessere Inszenierungen vorgelegt, bei denen die Personenführung noch flüssiger, die Pointen noch besser auf dem Punkt waren. Bei Bartlett Sher ist alles an seinem richtigen Platz, und die Personen werden von Catherine Zuber passend ausstaffiert. Die taffe Adina im langen Rock, der smarte Nemorino im schlichten Anzug machen eine tolle Figur. Imposant tritt der Quacksalber Dulcamara im roten, edlen Mantel auf. Einzig Sargent Belcore und seine Soldaten kommen in ihrer babyblauen Uniform wie auf einer Parade etwas zu hochtrabend daher. In der ländlichen Gesellschaft der Bauern dürfen natürlich die klerikalen Berufe nicht fehlen: Ein Mönch, ein Priester und Nonnen sind ebenfalls auf der Bühne zu finden.

Diesem Liebestrank kann man ohne Probleme und mit einem Lächeln auf dem Lippen folgen. Die Liebesgeschichte um Nemorino und Adina, die von Belcore umworben wird, sowie dem Quacksalber Dulcamara, der etwas unfreiwillig das Happy End bringt, erzählt die Aufführung flüssig und gutgelaunt. Der Chor bleibt zwischenzeitlich eine Spur zu statisch. Auch vokal hat man den insgesamt guten Chor, der wie üblich von Donald Palumbo vorbereitet wurde, schon präsenter erlebt. An der Met erlebt man für den italienischen Belcanto eine versierte Besetzung, die von Anna Netrebko angeführt wird. Die Adina liegt ihr schauspielerisch und vokal hervorragend, selbst wenn man ihr bei den ganz großen Koloraturstellen ein paar Grenzen in der Geläufigkeit attestieren muss. Doch ihr schön timbrierter Sopran kann auch technisch für sich einnehmen, und so zeigt sie sich von ihrer besten Seite: Gut gelaunt wirbelt sie über die Bühne, dreht sich im Kreise und erfreut Auge und Ohr. Dazu hat sie einen ebenso attraktiven Bühnenpartner bekommen: Matthew Polenzani agiert etwas zurückhaltender, aber deshalb nicht schlechter, und bietet einen schön schlank-lyrischen Tenor, den er geschmackvoll einsetzt. Die etwas zurückhaltend-schüchterne Art kann er stimmlich ebenso ausspielen wie den vom vermeintlichen Liebestrank beschwingten Draufgänger. Kein Wunder, dass sich Adina am Ende in diesen Nemorino verliebt, selbst wenn dem ein ebenso geschmeidiger Konkurrent auf der Bühne gegenüber steht: Mariusz Kwiecien singt den Belcore mit baritonalem Selbstbewusstsein und kerniger Stimme. Ambrogio Maestri ist in seiner Paraderolle, dem Dulcamara, dank seines tollen Spielbasses längst überall bekannt und derzeit nahezu konkurrenzlos – zu Recht! Im schlank aufspielenden Orchester der Met beindrucken vor allem die Flöten mit herrlichen Läufen. Maurizio Benini fordert den Instrumentalisten vor allem in puncto Tempo große Brillanz ab. Bei den Ensembles zieht er das Tempo gerne an, spielt ansonsten aber nicht alle Vorzüge des Belcanto aus.

Das Publikum applaudiert im Laufe der Vorstellung immer begeisterter, doch zuvor verärgern die Nachzügler. In einer kurzen Umbaupause nach der ersten Szene geht plötzlich leicht das Licht an. Es wird unruhig im Saal, als mehrere Dutzend Leute noch eingelassen werden und sich dabei lautstark unterhalten – und der Rest macht mit. Die Atmosphäre der Oper ist wieder auf dem Nullpunkt angekommen. Zum Glück lässt Ambrogio Maestri, dessen Auftrittsarie nun folgt, sie schnell wieder aufleben. Die Met als größter Musentempel der Welt beeindruckt mit einem schönen Anstieg der Sitzreihen, die jedem eine gute Sicht auf die Bühne bietet. Die Akustik ist verblüffend klar. Schöner Luxus sind die für jeden Sitzplatz montierten Untertitel, bei denen man noch zwischen Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch wählen kann. Etwas dunkel-bedrückend ist das pompöse Rot der Wände und Teppiche im großen Foyer, auch das lange Warten auf den Einlass irritiert. Trotzdem: Für Opernfreunde ist die Met unbedingt einen Besuch wert.

Christoph Broermann

Verblasste Stars

Aufgeregte Stille herrscht im Kino, die Zuschauer warten gespannt auf den Beginn der beliebten Oper Donizettis. Doch der Auftakt mit Interviews und Anmoderation lässt bereits Böses ahnen: Die Übertragung stockt, Ton und Bild sind teilweise sekundenlang verzerrt. Auch während der Ouvertüre und der sehnlichst erwarteten ersten Töne der Sänger hält dieser Zustand an, im Saal macht sich Unmut breit, verärgerte Kommentare werden laut. Erst nachdem ein aufmerksamer Zuschauer Bescheid gibt, bessert sich das Bild und man kann sich entspannt zurück lehnen… Vorerst! Denn der Höhepunkt allen Ärgernisses ist schlichtweg die fehlende Aufmerksamkeit des Kinopersonals: Gegen Ende des zweiten Aktes, gerade als sich Nemorino und Adina endlich finden, ploppt mittig auf der Leinwand ein großes Banner des Beamers auf, mit der Aufschrift, man solle exit drücken, sonst würde der „Sleep-Timer“ aktiviert. Das Publikum murrt und schnaubt, da nicht nur der besiegelnde Kuss hinter dem Banner stattfindet. Erst durch den erneuten Hinweis eines Gastes verschwindet das störende Ding von der Leinwand, und das erst nach gefühlter Ewigkeit. Zudem geht das Licht im Saal entweder zu spät aus oder nach Ende der Vorstellung gar nicht erst an, was für die meist älteren Besucher im stockdunklen Raum eine gefährliche Stolperfalle sein kann.

Neben diesen äußerst ärgerlichen Vorkommnissen kann insgesamt die Qualität der Übertragung nicht überzeugen. Zwar ist das Bild dank HD recht scharf, allerdings wirken die Farben wie ausgewaschen und blass und daher unnatürlich. Im Gegensatz zur Bildschärfe fällt die Tonqualität stark ab: Der Ton scheint weit weg, die Sänger klingen dumpf und bei Bewegung auf der Bühne ist „Dolby Surround“ nicht die beste Lösung, da man kein gleichbleibendes Klangerlebnis erreicht. Um den bestmöglichsten Klang einer hochkomplexen Oper in einem Kinosaal umzusetzen, müsste ein versierter Tontechniker nachhelfen. So bleibt dem Publikum nur, die wahre musikalische Leistung der Musiker zu erahnen. Die Kameraführung eröffnet dem Zuschauer im Kino ganz andere Perspektiven als dem Gast einer Oper, der bestenfalls das ganze Bühnengeschehen im Auge hat. So sieht man Details, die man sonst nicht gesehen hätte. Aber es ist fraglich, ob man das eigentlich möchte: Die Kamera scheint hauptsächlich an Anna Netrebko zu kleben. So entsteht das Gefühl, man würde etwas verpassen. Auch ist es nicht von Vorteil, durch den extremen Zoom jedes Pickelchen, Makeup-Ränder und in Nemorinos Arie La furtiva Lagrima den Perückenrand Polenzanis und beinahe sein Gaumenzäpfchen tanzen zu sehen. Das verwehrt jegliche Opern-Romantik. Da hilft auch die schicke Garderobe der Besucher und die Sekt-Bar draußen vor dem Saal nicht – festliche Stimmung kommt leider nicht auf. Aber es mag gerade die lockere Atmosphäre eines Kinos sein, die den ein oder anderen anspricht. Denn wo sonst darf man während einer Vorstellung seine Getränke genießen und an Häppchen knabbern?

Trotz des getrübten Genusses stimmen vereinzelte Zuschauer in den überwältigenden Schlussapplaus mit ein. Ob sie wiederkommen, ist fraglich, zumal man im Hinblick auf den hohen Eintrittspreis im ortsansässigen Staatstheater Oldenburg für dasselbe Geld auf den besten Plätzen sitzen kann. Und eins ist garantiert, wenn man selbst vor Ort ist: Man kann sich ohne die störenden Filter einer Übertragung nur auf seine eigenen Sinne verlassen. Eine Optimierung der MET-Übertragungen ist dringend erwünscht. Bis dahin gilt also noch: Live ist besser.

Miriam Rosenbohm

Fotos: Metropolitan Opera New York