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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
30. November 2013
(Premiere)

Theater Münster


Points of Honor                      

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Vor der Premiere


Kobie van Rensburg erklärt, warum Schikaneder seine Zauberflöte heute genau so inszeniert hätte wie er selbst (4'31).


 

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Möge der Mozart mit euch sein

Für die Fans von Stars Wars ist der Moment aus Episode Fünf legendär, wenn Darth Vader dem Rebellen Luke Skywalker mit seiner dunklen, rauchigen Stimme offenbart: „Ich bin dein Vater.“ In Münster klingt das stimmlich genauso, doch der Text ist ein anderer: „Ich bin’s, deine Mutter.“ Das sagt die Königin der Nacht zu ihrer Tochter Pamina, als sie sich in den Palast des Sarastro einschleicht. Regisseur Kobie van Rensburg hat es mit einem kleinen Kniff Mozart und Schikaneder nachgemacht, die ihrerseits ihre Botschaft aus Symbolen und Werten in eine Märchenwelt transportieren. Van Rensburg hat nun eine Welt gefunden, wo der Besucher von heute sich auskennt und verlegt die Handlung in die beiden großen Science-Fiction-Zentren: Gene Roddenberrys Star Trek und – vor allem – George Lucas‘ Star Wars. Und das funktioniert auch überraschend gut.

Schon einige Begriffe wie „Sonnenkreis“, „Mond“ oder „sternflammende Königin“ lassen sich bestens mit dem Genre verbinden. Auch die altägyptische Symbolik, die auch oftmals in der Zauberflöte vorkommt, macht sich – so zeigt es schon die Serie Stargate – in einer fernen Galaxie auch sehr gut. Kobie van Rensburg kann so in Münster seinem großen Hobby nachgehen: Mit beindruckender Videotechnik lässt er Planeten und Zeichen durch den Raum schweben, die Königin der Nacht reißt in ihrem Zorn Löcher in die Mauern. Während der Ouvertüre wird die Vorgeschichte ganz in Star Wars Manier erzählt. Raumschiffe fliegen über die Leinwand durch Meteoriten-Felder, und schließlich greift ein riesiger Drache den notgelandeten Tamino an.

Für die Zuschauer gibt es vor allem im ersten Akt eine Menge zu lachen. Denn Kobie von Rensburg verlegt sich nicht nur auf die Technik, sondern bietet eine überwiegend heitere Personenführung voller Details, die man oft sogar dann verstehen kann, wenn einem diese Welten fremd sind. Hilfe bekommt er dabei auch von den Kostümen, die Dorothee Schumacher und Lutz Kemper nach den Vorbildern der Filme entworfen haben. Monostatos tritt in der gefährlichen rot-schwarz-Optik auf, die man von Darth Maul her kennt. Die drei Knaben sind junge Padawan, also angehende Jedi-Ritter. Wenn Papageno sein Glockenspiel in Gang setzt, fangen die Stormtroopers in ihren weißen Rüstungen an zu tanzen. Der kleine Roboter R2D2 rollt auch über die Bühne. Und wenn Tamino seine Zauberflöte bläst, kommen animierte Tiere und leibhaftige Ewoks auf die Bühne. Das Publikum ist hingerissen.

Die Handlung wird durch dieses Sammelsurium an Zitaten kaum verändert, aber die Unterhaltung ist groß. Wie in den berühmten Vorlagen kann man in dieser Zauberflöte auch einen Funken Weisheit und Philosophie erkennen. Auch mit den Lagern Gut und Böse geht van Rensburg keinesfalls nur pauschal um, sondern zeigt die Schattenseiten der Systeme. Am Ende landen sowohl die Königin der Nacht als auch Sarastro auf Seiten der Verlierer.

Wem das zu wenig Mozart ist, der kann sich ja immer noch auf Fabrizio Ventura und das wundervoll schlank aufspielende Sinfonieorchester konzentrieren. Ganz offensichtlich von der Historischen Aufführungspraxis inspiriert, geht Ventura das Werk mit raschem Puls, aber dennoch organischen Tempi an. Und Mozarts Musik tickt im Orchester präzise wie der Motor eines Raumschiffs. Jedes Detail funkelt wie ein Stern in diesem herrlichen Kosmos, den Mozart komponiert. Die wenigen Premierenwackler werden sich bald erledigt haben. Die Sänger haben es angesichts ihrer Aufgaben nicht nur mit dem Treffen der Töne zu tun, sondern müssen teilweise auch frei sein von Höhenangst. Die vokale Seite fällt aber nicht ganz so positiv aus wie die Leistung des Orchesters. Das Ensemble hinterlässt nur zur Hälfte einen wirklich guten Eindruck. Stark ist etwa der Monostatos von Phillipe Clark Hall. Gregor Dalal ist ein würdiger, autoritärer Sprecher, der an den Vulkanier Spock erinnert. Eva Bauchmüller ist eine souveräne Papagena, die zusammen mit Juan Fernando Gutiérrez das berühmte Pa, Pa, Pa-Duett zu einem kleinen Höhepunkt macht. Schade, dass Gutiérrez die vielen Farben seiner Dialoge nicht in die Musik mit übernimmt. Ansonsten ist sein kerniger Papageno tadellos und ein Publikumsliebling. Youn-Seong Shim braucht eine kleine Zeit, bis er seinen Tenor auf Mozart eingestimmt hat. Dann aber überzeugt sein lyrischer Tamino auf ganzer Linie. Eine große Leistung kommt von den ganz kleinen: Felix Zhang, Laura Goblirsch und Naomi Schicht singen die drei Knaben vielleicht noch etwas vorsichtig, überzeugen aber absolut in der Homogenität.

Leider nicht ganz so gut ist Henrike Jacob als spielfreudige Pamina, die eine Schwester von Prinzessin Leia sein könnte. Ihr fehlt einfach die lyrische Schlichtheit und Ruhe für die Partie. Dem Sarastro von Lukas Schmid mangelt es deutlich an profunder Tiefe, die Figur als solche bleibt bei ihm aber trotzdem präsent und glaubhaft. Olga Polyakova verfügt über alle Töne, die man als sternflammende Königin bedienen muss. Doch ihre Technik wirkt etwas unsicher, was sich besonders im Lagenausgleich und in den Koloraturen bemerkbar macht. Sara Daldoss Rossi, Lisa Wedekind und Suzanne McLeod legen als die Drei Damen einen starken Anfang im Stile der Actionfigur Lara Croft hin, werden dann aber im Zusammenklang etwas unsauber. Inna Batyuk hat ihre etwas zu schlank aufgestellten Chöre bestens vorbereitet.

Das Publikum ist von der tempo- und einfallsreichen Inszenierung offenkundig mitgerissen. Immer wieder gibt es für Arien und Szenen Zwischenapplaus. Schon nach dem ersten Akt werden laute Bravo-Rufe hörbar – für Münster fast eine Sensation. Beim Schlussapplaus gibt es auch ein paar ungerechtfertigte Buhs für Lukas Schmid. Ansonsten überwiegt die differenzierte Begeisterung. Wenn Fabrizio Ventura auf die Bühne kommt, steht das Publikum fast geschlossen auf. Auch Kobie van Rensburg bekommt große Zustimmung. Diese Zauberflöte – soweit kann man in die Zukunft sehen – wird ein Publikumsrenner.

Christoph Broermann

Fotos: Oliver Berg