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Fakten zur Aufführung 

WAGNERIN
- EIN HAUS DER KUNSTMUSIK

(Musik von Richard Wagner und Franz Liszt)
24. Juni 2012
(Premiere)

Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper München, Haus der Kunst


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Wagnerfrauen in Nöten

Die diesjährigen Münchner Opernfestspiele stehen ganz im Zeichen der Neuinszenierung von Richard Wagners Ring des Nibelungen. Somit hat sich Intendant Nikolaus Bachler ein vielfältiges und alle Kunstsparten umfassendes Rahmenprogramm ausgedacht, in dem beispielsweise soeben der Künstler Spencer Tunick seine spektakuläre Ring-Inszenierung mit  1700 nackten Menschen in der Münchner Innenstadt präsentierte. Im Westflügel des Münchner Haus der Kunst wurde nun das experimentelle Musiktheaterstück des Regisseurs Sven Holm unter dem Titel Wagnerin gezeigt. Es geht um einen dreiteiligen „Abend ohne Götter und Helden für Cosima, Winifred, Gudrun und Katharina Wagner, viele Blaue Mädchen und übrig gebliebene Posaunisten des Festspielorchesters“.

Zunächst wird das auf der Terrasse versammelte Publikum in Bayreuth-Stimmung versetzt, indem es die Möglichkeit hat, sich bei Bratwurst und Bier vor dem roten Teppich auf Videoleinwand die Einführung zum bevorstehenden Kunstgenuss anzuschauen. Kritisch rückt Holm schon hier den Medien-Wahn Katharinas in den Fokus und zitiert aus aktuellen Querelen der Festspielleitung.

Mit der mehrmalig gespielten Posaunenfanfare geht es dann hinein ins Haus der Kunst – langsamen Schrittes auf dem roten Teppich, denn jedem Besucher wird von Blauen Mädchen ein Willkommenstrunk gereicht, bevor man sich im Rundgang mit Installationen zum Titel Siegfrieds Untergang durch weiße Räume schiebt, in denen Hagens Ruf und Blechbläserfanfaren als Echos widerhallen. Blaue Mädchen laufen mit Äxten und Brotdosen bewaffnet durch die etwas ratlosen Besucher, die auf den experimentellen Charakter so dann doch nicht vorbereitet sind – ja, wo ist denn jetzt die Oper? Und wann singt Gwyneth Jones?

Die begegnet einem zunächst erst mal auf Videoleinwand, Texte der Brünnhilden-Erweckungsszene rezitierend, während man in einem weiteren weißen Kubus die Kurzbiografien von Cosima, Winifred, Gudrun und Katharina lesen kann, und Blaue Mädchen persönliche Fragen an die Damen an die Wand schreiben. Eine der stärksten Stationen des Rundgangs.

Nach gut 20 Minuten mündet dieser in die Bühnenhalle, wo sich vor einem Green Screen ein runder Tisch mit Märklin-Eisenbahn um den Miniatur-Hügel von Bayreuth und viele weiß verhüllte Möbelstücke befinden. Blaue Mädchen spielen und berichten von abgereisten Musikern bis die Hausherrinnen erscheinen: Hanna Dóra Sturludóttir verkörpert Katharina und singt Passagen der Sieglinde aus den Wesendonckliedern und Liszts Ich liebe Dich, am verhüllten Flügel spielt Richard Whilds, und das Orchester bildet das famos und virtuos blasende Vertigo Trombone Quartet. Die Schauspielerin Renate Jett beeindruckt als Winifred mit dem Monolog der uneinsichtigen Hitlerfreundin, Ceri Williams sorgt für komische Momente als biedere Gudrun, und die Grande Dame der Wagneroper Gwyneth Jones als Cosima ist mehr als beeindruckend auch in den stimmlich zunehmend frischen Gesangspassagen.

Das Problem ist trotz der Unterteilung in sechs Szenen die Dramaturgie der Darbietung, die sich ähnlich der Spielzeugeisenbahn immer wieder im Kreis zu bewegen scheint. Das verhindert eine theatertaugliche Spannung und wird nach zwei Stunden ohne Pause auch für Menschen mit Wagner-Sitzfleisch einfach zu lang. Die abschließende Videobotschaft Katharinas, in der sie die Rolle der Festspielleiterin abgibt, ist stark, aber die fröhlich dahindümpelnde Tanznummer am Schluss schwächt den Gesamteindruck durch Belanglosigkeit und mangelndes Gefühl für Timing wieder ab.

Schöner Ansatz mit guten Einzelszenen, aber halt noch nicht so ganz rund, dieses Rund-um-den-Ring-Programm...

Ingrid Franz

Fotos: W. Hoesl