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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Giuseppe Verdi)
8. Dezember 2012
(Live-Übertragung aus New York)

Cineplex Münster


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Unbenannte Comprimari, altgediente Stars

Der neue Maskenball der Metropolitan Opera passt genau in das Profil, das der Intendant der Met, Peter Gelb, seit seinem Amtsantritt dem Opernhaus langsam und konsequent aufdrückt. Weg vom reinen Ausstattungstheater, sondern Inszenierungen mit möglichst genauer Charakterisierung und der Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten des Opernhauses sind gewünscht. David Alden setzt mit seinem Maskenball genau diese Vorgaben um und präsentiert eine geschärfte Sicht auf jene unglückliche Dreiecksbeziehung, die das Drama ins Rollen bringt. König Gustav von Schweden schwankt zwischen Melancholie und Leichtfertigkeit, die bei Alden nie ins platte Sexistische abgleitet. Gerade der erste Akt ist angefüllt mit berstender Lebensfreude, wenn Gustav mit seinem Pagen Oscar über die Bühne tanzt und den Chor zu überschwänglichen Choreographien anheizt. Den Jubel des Volkes genießt er sichtlich, doch wirklich bewegt wird er durch die unerfüllte, verbotene Liebe zu Amelia, die Frau seines Freundes Graf Anckarström. Dessen Fall vom sorgenden Freund zum enttäuschten Mörder zeichnet Alden mit absoluter Genauigkeit. In der kammerspielartigen Szene zu Beginn des dritten Aktes bricht hinter Anckarströms kontrollierter Loyalität die emotionale Leidenschaft aus, die er nicht zu kontrollieren vermag. Die Kasten-Bühne von Paul Steinberg bewegt sich in diesem Augenblick nur zwischen Schwarz und Weiß, ansonsten überwiegt ein edles Silber, das in der Beleuchtung durch Adam Silverman viele Zwischentöne ausstrahlen kann.

Zeitlich wird dieser Maskenball durch Bühne und Kostüme ins letzte Jahrhundert geholt, ohne wirklich konkret werden zu wollen. In der Bekleidung durch Brigitte Reiffenstuel überwiegt die schlichte, kühle Eleganz – sehr schön anzusehen. Herrlich ist die Verkleidung des Hofstaates als Fischer im Friesennerz für die Ulrica-Szene. Deren Person lässt David Alden das Geheimnisvolle; es bleibt offen, ob Ulrica wirklich über hellseherische Fähigkeiten verfügt, oder ob sie über gut platzierte Informanten ihre Weissagungen treffen kann. Auch der Page Oscar ist bei Alden keine festgelegte Person, sondern ein geschlechtsloses Wesen. Mehr Engel als Mensch, mehr Alter Ego des Königs als Page.

Auf jeden Fall ist er ein deutlicher Liebling der Kamera. Ansonsten bleibt die Übertragungs-Regie ohne ein klares Konzept. Immerhin scheint jemand die Fäden zu ziehen, der Respekt vor den Sängern hat und auf extreme Nahaufnahmen weitgehend verzichtet. Aber ungenaue Bildausschnitte, wo Köpfe um Zentimeter abgeschnitten werden, Blickwinkel, die ungünstig gewählt werden, und verwackelte Bilder trüben das optische Vergnügen. Im Ton irritiert bei Gustavo ein merkwürdiger Nachhall, als ob er über zwei Mikros eingefangen würde. Besonders im Zusammenklang mit dem Chor ergibt das im ersten Akt kein schönes Ergebnis. Doch da wird in der ersten Pause offensichtlich nachgebessert.

Das ist auch wichtig für die Sänger, da eine würdige Besetzung aufgeboten ist. Und wieder einmal hält es die Met nicht für nötig auch die Namen der Comprimari der Abendbesetzung auf der Homepage zu veröffentlichen. Man brüstet sich – zu Recht – mit den Namen der großen, bekannten Sänger, doch dass ein Trevor Scheunemann einen tollen Silvano gesungen hat, muss man auf der Seite eines Radiosenders lesen. Auch Keith Miller und David Crawford, die als starkes Verschwörer-Duo Horn und Ribbing auftreten, teilen dieses Schicksal.

Ansonsten ist es eine Wiederbegegnung mit bekannten, altgedienten Sängern der Live-Übertragungen: In der enormen Bruststimme von Stefanie Blythe lodert das geheimnisvolle Feuer der Ulrica, doch in der Höhe franst die Stimme aus und klingt schrill. Kathleen Kim stellt ihre wendige Stimme mit funkensprühenden Koloraturen dem Oscar zur Verfügung, absolviert dazu eine Choreographie nach der anderen, bleibt nur im Gesichtsausdruck etwas zu neutral. Mimisch ist Sondra Radvanovsky noch begrenzter, was die Kamera auch schonungslos offenbart. Rein technisch und emotional meistert sie die Amelia brillant, doch stört am Mirco das tremoloartige Flackern ihres Timbres. Einen ganz starken Abend hat Dmitri Hvorostovsky als Renato, auch wenn man gelegentlich den Eindruck bekommt, dass er seine Stimme mindestens genauso gerne hört wie die Zuschauer. Sein Kavaliersbariton sitzt genau auf dieser Partie, sein aalglattes Auftreten passt umso besser zu der Rolle, als er im dritten Akt mit leidenschaftlichen Ausbrüchen die ambivalenten Gefühle des Anckarström demonstriert. Marcello Alvarez übertrifft sich darstellerisch selber, sein Gustavo hat stimmlich nur einen großen Schwachpunkt in der erschreckend schwachen Tiefe, ansonsten präsentiert sich der Tenor als Idealbesetzung.

Fabio Luisi feuert den sehr folgsamen, von Donald Palumbo präzise einstudierten Chor und das gefühlvoll spielende Orchester zu einer schwungvollen Leistung mit feurig-italienischen Tempi an. So gelingt es ihm, der Oper durchaus ein eigenes, kurzweiliges Profil zu verleihen. Sehr aufmerksam ist er in den ruhigen, lyrischen Arien als Begleiter, verpasst aber, hier noch mehr Feinheiten hervorzuzaubern.

Das Publikum in New York spendet schon während der Aufführung begeisterten Applaus, in Münster herrscht im sehr gut gefüllten Kinosaal vor allem eine aufmerksame Ruhe. Ein paar Gäste fallen sogar in den Applaus mit ein. Nur eine Besucherin sucht Gründe zu meckern und versucht, ihre Nachbarn wegen Nichtigkeiten zu belehren. Am Ende kommt der neue Maskenball der Met auch in Münster gut an. Eine lohnende Übertragung, die eine liebevollere Kameraregie verdient hätte.

Christoph Broermann

Fotos: Ken Howard