Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
13. Oktober 2013
(Premiere am 5. Oktober 2013)

Theater Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Nicht die beste Entscheidung

Warum muss es denn ausgerechnet der Tovatore sein? Es ist logisch, auch das dritte Werk aus der berühmten Verdi-Trias aufzuführen, wenn man zuvor schon vor allem mit Rigoletto, aber auch mit La Traviata einen recht achtbaren Erfolg erringen konnte. Also setzt das Theater Münster zum Jubiläumsjahr Verdis auf eine seiner schwierigsten Opern. Regisseur Georg Rootering muss sich mit einer Handlung auseinandersetzen, die auf dem Papier vielleicht einfach klingt, aber in der Umsetzung meist etwas schwerfällig aussieht. Münster ist da keine Ausnahme, auch wenn die Übersiedlung in eine Art heutige Zeit noch recht glücklich ausgegangen ist. Da gab es in letzter Zeit deutlich schlechtere Interpretationen.

Der Krieg der beiden Brüder Luna und Manrico, die sich nicht kennen und in verschiedenen sozialen Umgebungen aufgewachsen sind, interessiert das Regieteam. Immerhin gibt es bei beiden die anscheinend genetische Veranlagung, sich in die gleiche Frau – Leonora – zu verlieben und diese mit Waffengewalt aus ihrem bisherigen Umfeld befreien zu wollen. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Der Macho-Graf Luna schleicht sich mit der Peitsche ins Kloster, um Leonora von ihrem ewigen Gelübde abzuhalten. Der clevere Manrico wartet, als Nonne verkleidet, auf den richtigen Augenblick. Immerhin scheint er das edlere Gemüt zu besitzen und hilft einer gestürzten Ordensschwester auf die Beine. Die jeweiligen Gefolge – man befindet sich ja nicht nur im Bruder-, sondern auch im Bürgerkrieg – scheinen nicht so recht von ihren Anführern überzeugt zu sein. Die einen schütteln über den unzurechnungsfähigen Luna nur die Köpfe; die anderen bleiben bei Manricos Selbstmordkommando, bei dem er aufbricht, um seine Mutter zu befreien, einfach im Schlafsack liegen. Auch die Gothic-Vampire, die zum berühmten Zigeunerchor Waffendeals abwickeln, scheinen ihm keine große Hilfe zu sein. Schade, dass Rootering die hier so schön unterschwellig aufblitzende Aktualität, die an Krisengebiete von heute erinnert, nicht weiter mitnimmt. Schade ist auch, dass der Regisseur die Oper nicht konsequent mit einer schlüssigen Personenführung füllen kann. Bewegung gibt es auf der Bühne vor allem in den ersten fünf Bildern, doch spätestens in der finalen Kerkerszene ist Stillstand angesagt. Viele Requisiten, vom Handtuch bis zum Gewehr, gibt er ihnen in die Hand, doch wirklich spannend ist das nie. Dafür manchmal kitschig, wenn Leonora mit der Bibel in der Hand zwischen Luna und Manrico tritt. Das würde sich in historischen Kostümen fast noch besser machen.

Die Kostüme sind von Götz Lanzelot Fischer entworfen und schwanken irgendwo zwischen heute und damals. Angedeutetes Lack und Leder scheinen die Uniformen von Manrico und Luna zu sein. Farblich werden sie durch schwarz und rot auseinander gehalten. Leonora trägt überwiegend ein Kleid, das sie als Angehörige des Hofes auszeichnet. Die variable Säulen-Saal-Optik von Bernd Franke sieht zwar nicht unbedingt schön aus, ist aber mit verschiebbaren Decken und Wänden den wechselnden Orten des Librettos gewachsen. Vor allem die klaustrophobische Enge des Kerkers ist gut gelungen und wird schön aufgelöst, wenn sich der Raum zum dramatischen Finale wieder weitet. Auch der Mut zur dunklen Bühne haucht dem Geschehen einiges an Atmosphäre ein und macht Leonoras Fehler, Manrico mit Luna zu verwechseln, immerhin einmal glaubhaft.

Wie die Regie so stoßen auch die Sänger in dieser schwierigen Partitur an die Grenzen des Machbaren. Dabei sind an sich gar keine schlechten Stimmen aufgeboten, und die sind überdies zum größten Teil auch noch Ensemblemitglieder. Adrian Xhema ist beispielsweise ein Manrico, der jede gesangliche Fassette der Titelrolle bedienen kann – und das will bei dieser Partie schon etwas heißen. Seine besten Momente hat er in den Duetten mit der starken Rossana Rinaldi, dem einzigen Gast in dieser Produktion. Der Racheplan der Azucena bleibt szenisch eher nebensächlich, doch Rinaldi rückt die Zigeunerin mit ihrem Mezzosopran wieder in den Mittelpunkt. Auf der Pressekonferenz wurde Sara Daldoss Rossi von Intendant Peters als Hoffnung für das jugendlich-dramatische Fach angepriesen. Das kann ihre Leonore noch nicht einlösen. Wenngleich sie die Partie sehr wortdeutlich, und auch differenziert komplett singen kann, weist die ausfasernde Höhe schon jetzt darauf hin, dass sie sich in einem grenzwertigen Fach bewegt. Den größten Fehler hat die Theaterleitung aber damit begangen, Gregor Dalal den Luna anzuvertrauen. Nicht, dass sich Dalal, der letzte Saison als Scarpia und Jochanaan einen guten Eindruck hinterließ, keine Mühe geben würde. Im Gegenteil! Er holt das Beste aus dieser Partie heraus, die aber nun mal nicht seiner Stimme entspricht. Da kann man ihm angesichts der nur angetippten hohen Lage kaum einen Vorwurf machen. Immerhin wird mit dem ehemaligen Ensemblemitglied Matteo Suk nun eine Zweitbesetzung genannt. Auch für Rossi und Xhema wäre das empfehlenswert, haben sie doch noch dreizehn Aufführungen des Trovatore, aber auch noch Opern wie Benvenuto Cellini in dieser Saison vor sich. Lukas Schmid ist – diesmal als Ferrando - wie immer eine zuverlässige Bereicherung des Ensembles. Ana Kirova hat einen guten Kurzauftritt als Ines. Jaean Koo, Frank Göbel und Enrique Bernardo lassen in kleinen Rollen ebenso keine Wünsche offen.

In der Premiere muss es noch ordentliche Differenzen zwischen Bühne und Graben gegeben haben. In der dritten Vorstellung beginnt nur noch der Männerchor leicht zu schleppen, wenn ihm Verdis Musik etwas zu heikel wird. Doch insgesamt sind der von Inna Batyuk einstudierte Chor und Extrachor ein großer Pluspunkt der Aufführung. Die Interpretation von Fabrizio Ventura und dem Sinfonieorchester Münster kann man also entsprechend genießen, denn der Trovatore – das merkt man Ventura an – liegt ihm im Blut. Nur an ganz wenigen Stellen ist der Lautstärkepegel ein wenig zu hoch, ansonsten bewegt sich das sehr sauber spielende Orchester zwischen den von Ventura gesteckten Grenzen aus italienischer Belcanto-Rasanz und beruhigender Liebesromantik.

So ganz scheint auch das Publikum nicht von diesem Trovatore überzeugt zu sein. Immer eine Sekunde zu spät, wenn Ventura schon den Arm zum nächsten Einsatz hebt, fangen die Zuschauer doch etwas zögerlich an zu klatschen. Besonders laut fällt der Applaus für Rossana Rinaldi aus, ansonsten gibt es nur freundlichen, aber immerhin nicht allzu kurzen Beifall. Es bleibt bei aller positiver Anerkennung die Frage, ob das Theater Münster sich und vor allen den Sängern mit dieser Werkauswahl einen großen Gefallen getan hat.

Christoph Broermann

Fotos: Oliver Berg