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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
3. März 2013
(Premiere am 30. Juni 1998)

Bayerische Staatsoper München

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Neubeginn für ein Liebespaar

Vom Tristanakkord hat man schon mal was gehört, von Isoldes Liebestod auch, womöglich hat man sich auch ein bisschen eingelesen, eingehört. Jeder ahnt, dass an diesem Tag eine tragische Liebesgeschichte erzählt wird. Die wahren Gefühle dieser Liebe, ihr wahren, überirdischen Ausmaße, sind weder für Brangäne, Kurwenal oder Melot, noch für den Otto-Normal-Operngänger zu begreifen, wobei letzterer Dank Regisseur Peter Konwitschny an diesem Sonntag zumindest eine Idee davon bekommt.

Eine Bühne auf der Bühne. Darauf gleitet die Gesellschaft zunächst, einer Kreuzfahrt gleich, mit gelb-weiß-gestreiften Handtüchern auf den Liegestühlen und mit Schirmchen-Drinks nach Cornwall zu König Marke. Beeindruckend dargestellt durch eine immer in die gleiche Richtung vorbeiziehende Leinwand, auf der ein Meer gemalt ist, entworfen von Konwitschnys ewigem Bühnenbildpartner und guter Wahl Johannes Leiacker. Tristan und Isolde sind längst verliebt, der Trank tut seinen Rest. Die Schirmchen werden leidenschaftlich in die Ecke geschmissen.

Auf dieser Bühne treffen sie sich auch im Wald. Brangäne löscht die Fackel, Tristan und Isolde versinken in einem gelben Sofa mit Blümchen. Die Liebe stellt sich nicht als leidenschaftliches Übereinanderherfallen dar, sondern Tristan und Isolde ziehen sich ihre Kleider aus und steigen in nun schwarzen Kleidern von der Bühne hinab in eine andere Dimension. Das ist die ursprüngliche Bühne, eingetaucht in puristisches Schwarz. Dadurch wird allerdings nicht der Tod oder irgendetwas Negatives dargestellt, sondern sie ist vielmehr ein Ort ohne Raum und Zeit. Tristan und Isolde entschweben den Zwängen der Gesellschaft und erleben eine Liebe, die irdische Menschen nicht verstehen können und auch nicht zulassen würden. Nur Marke als Vertreter der Gesellschaft, der sowohl Tristan als auch Isolde unmenschlich liebt, hat für einen kurzen Moment Zutritt. Es ist einer der emotionalsten Momente der Inszenierung. Markes Vorwurf der Untreue ist eher an Tristan gerichtet als an Isolde, somit fühlt sich auch Tristan schuldiger und stürzt in das Messer des Verräters Melot. Gleichzeitig muss er dafür wieder in die irdische Welt steigen und verrät damit Isolde und den gemeinsamen Ausstieg aus der Gesellschaft.

So ist Tristan im dritten Akt wieder auf der Welt in seiner Burg in der Bretagne; ein karger hoher, aber beengender Raum. Er leidet, reflektiert sich selbst und gelangt zur Erkenntnis: Das, was mal war, ist vorbei. Er muss nicht mehr kämpfen und sich unterordnen. Es gibt eine Welt, in der er mit Isolde leben und lieben kann. Auch Isolde sieht das so. Der Liebestod ist eben nicht tragisch und Ausdruck der tiefen Trauer über Tristans Tod, sondern die Musik ist überraschend klar als freudiges Ereignis über einen Neubeginn gedeutet. Tristan und Isolde gehen bestimmt in ihre Welt, Marke und Brangäne trauern auf der Zweitbühne an zwei Särgen. Es ist eine der schlüssigsten und zugleich schönsten Inszenierungen des Tristan, und zusammen mit dieser Weltklasse-Besetzung ist mehr als Salzburg- oder Bayreuth-Niveau erreicht.

Waltraud Meier hat nichts an Stimmgewalt und noch weniger an Ausdruck verloren. Mühelos und mit klarer, voller Stimme kommt sie in die Höhen und beeindruckt mit einem unfassbar überzeugenden Schauspiel. Von Dirigenten Kent Nagano lässt sie sich jedenfalls nicht übertönen und aus dem Tempo bringen. Eine, zu Recht seit Jahrzenten gefeierte, schöne und vollkommene Wagner-Erscheinung. Gegen Meiers dramatisches Volumen und leidenschaftliches Spiel wirkt Robert Dean Smith als Tristan lyrischer und steifer. Er weiß allerdings auch nach jahrelanger Tristan-Erfahrung, was für eine Mammutrolle ihn erwartet, und so dosiert er seine Stimme gekonnt über die drei Akte ohne klangliche Einbußen. Völlig überragend die Darbietung von Südkoreaner Kwangchul Youn: Nicht nur die Präzision und der Klang seiner weichen vollen Stimme, sondern auch sein bewegender Auftritt als tief getroffener und doch später verständnisvoller König Marke erlauben es dem Zuschauer, wenn auch nur für kurze Momente, in die andere Dimension Tristans und Isoldes zu entschweben. Da kann auch Markus Eiche als Kurwenal mit seiner klaren, schönen Stimme mithalten und übertrifft sich selbst im Vergleich zu seiner Rolle als Heerrufer im Münchener Lohengrin. Auch die Brangäne Petra Lang überzeugt durch weiche Stimmgewalt und hinterlässt trotz zwischenzeitlich schwächelnden Sekunden einen positiven Eindruck. Dass man als Steuermann, verkörpert durch Christian Rieger, bei dieser Fahrt leicht angestrengt ist, und dass einem beim Anblick von zwei schönen Damen im Liegestuhl das Atmen schwer fällt, ist verständlich.

Nur von Dirigent Kent Nagano werden diese meisterhaften Sänger leider des öfteren übertönt. Dabei beginnt alles so gut mit der langsam tragenden und sich zum Ende hin gewählt zugespitzten Ouvertüre. Die Reduktion der Lautstärke lässt dagegen dramatische Höhepunkte in den Hintergrund treten. Ebenso scheint die Temporegulierung manchmal nicht mit dem Gefühl der Sänger übereinzustimmen. Der Musik tut das allerdings keinen Abbruch. Das Bayerische Staatsorchester brilliert durch einen erstklassigen Klang und wird besonders gut von seinen Solisten Heike Steinbrecher, Ikuko Yamamoto, Tobias Vogelmann und Christian Blöd vertreten.

Da kann sich auch das Publikum nicht mehr halten und bejubelt unerwartet kurz, dafür umso heftiger die Darsteller. Über dieses wunderbare Geburtstagsgeschenk hätte sich auch der 200-jährige Richard Wagner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefreut.

Eugenia Winckler

 





Fotos: Wilfried Hösl