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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
14. April 2012

Live-Übertragung aus der Metropolitan Opera New York

Cineplex Münster


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Gevatter Tod und die Uhr

Nach Salzburg und Amsterdam zeigt nun auch die Metropolitan Opera Willy Deckers Interpretation der Traviata. Erfreut nimmt man wahr, wie wenig Routine die Szene beherrscht, wie frisch und unverbraucht seine Regie noch wirkt, obwohl der Mitschnitt aus Salzburg auch in den Medien immer wieder präsent ist. Auch wenn diese Traviata im weiß-grauen Bühnenoval von Wolfgang Gussmann keinen spezifischen Ort beschreibt, wirkt die detailfreudige Regie keinen Augenblick gekünstelt oder aufgesetzt. Vielmehr wird in Violettas Seelenraum, wo der lüsterne Männerchor – wie auch die Chordamen in schwarz-weißen Anzügen - ganz oft von oben auf Violetta herabschaut, die soziale Einsamkeit der Kurtisane sehr greifbar. Eine kluge Aufwertung erfährt die Figur des Doktor Grenvil, der wie Gevatter Tod das Ableben Violettas erwartet und nahezu ständig zusammen mit einer großen Uhr präsent ist. Nur als Violetta und Alfredo für einen kurzen Augenblick eine unbeschwerte Beziehung pflegen, weicht die Schwermut. Wolfgang Gussmann taucht Bühne und Mäntel in bunte Blumen-Töne, doch wenn Vater Germont Violetta zum Verzicht auffordert, macht sich wieder der resignative Grauton breit. Violetta zieht wieder ihr kurzes rotes Kleid, sozusagen ihre Arbeitskleidung, über, das im dritten Akt der neuen Begierde der Gesellschaft angepasst wird.

Natalie Dessay weiß, wie als Violetta Valery die Bühne  zu beherrschen ist. Ihre kleine, zerbrechliche Gestalt ist prädestiniert für die Rolle, ihr Bühnenaktionismus auf den Punkt genau. Quirlig wirft sie sich in den Mittelpunkt, resignierend hockt sie am Bühnenrand mit Blick auf ihre ablaufende Uhr. Doch mit dieser Darstellung kann ihre Stimme an diesem Nachmittag auch in Folge einer Erkältung nicht mithalten. Sicherlich mag die im Mezza Voce oft wegbrechende Stimme zur Schwindsucht passen, musikalisch sind das Zitter-Momente. Die Sopranistin merkt, dass das nicht ihre beste Vorstellung ist, entschuldigt sich im Interview für den verpatzten Ton beim Sempre libera und ist beim Schlussapplaus, der mehr als nur freundlich ist, zu Tränen gerührt. Alfredo ist mit Matthew Polenzani trefflich besetzt, wenngleich er zuweilen in seiner lyrischen Liebesoffenbarung eine Spur zu weinerlich ist. Doch in seiner wütenden Anklage gegen Violetta im dritten Akt und in seinem energischem Oh mio rimorso demonstriert er virile Entschlossenheit. Sein Vater ist in seiner egoistischen Kalkulation selten so unerbittlich zu sehen gewesen wie bei Dmitri Hvorostovsky, der bis auf einen kurzen Einbruch eine hervorragende Vorstellung singt.

Der Chor der Met ist in der Einstudierung von Donald Palumbo sehr sicher in seinen kurzen Einsätzen, bereichert die Szene als gaffende Männerschar. Wie üblich spielt das Orchester der Metropolitan Opera mit einer wunderschönen Mischung aus Gefühl und erstklassiger Technik. Doch Fabio Luisi kann diesen Klangkörper nicht nutzen, um wirklich packende Oper zu dirigieren. Seine Interpretation klingt streckenweise zu pauschal, ist oftmals nur eine schöne Begleitung und weist kaum eine eigene Handschrift auf.

Dass das Flattern der Dessay sowie das etwas schnaubende Atmen von Dmitri Hvorostovsky so überdeutlich zu hören ist, ist natürlich ein Nachteil der unerbittlichen Mikrophone, die manches Detail schonungslos offenbaren. Trotzdem ist der Ton ebenso zufriedenstellend wie das Bild. Nur in den Ensembleszenen sind die Bildschnitte stets eine Spur zu schnell, um dem Zuschauer möglichst viele Eindrücke zu vermitteln, was aber gerade im Kontrast zu der weiten Legato-Linie Verdis fast parodierend wirkt.

Insgesamt ein durchaus achtbarer Abschluss der Live-Übertragungen für diese Saison.

Christoph Broermann







Fotos: Ken Howard