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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
24. November 2011
(Premiere am 29.10.2011)

Städtische Bühnen Münster


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Geld, Liebe, Moral und Tod

Axel Kresin konfrontiert seine Violetta mit einer Gesellschaft, in der das Geld regiert. Im ersten Akt sind es ihre Freier, die der „vom Weg Abgekommenen“ – die Übersetzung von La Traviata – ständig das Geld hinhalten. Im zweiten Akt versucht der alte Germont nach seiner unmoralischen Bitte Violetta mit Geld zu trösten, was diese natürlich ablehnt. Für Alfredo opfert Violetta sogar eine teure Haarspange, um den Gerichtsvollzieher zufrieden zu stellen. Im folgendem zweiten Bild eskaliert die Situation, als Alfredo enttäuscht Violetta vor allen Augen demütigt und sie mit Geld bewirft.

Auch das weiß-sterile Bühnenbild von Manfred Kaderk verweist auf den ersten Blick auf die finanziellen Gegebenheiten, ohne allerdings wirklich konkret zu werden. Da sind auf dem Boden Summen unter Namen zusammen gerechnet, können für Schulden oder Gewinne stehen. Den Hintergrund begrenzt eine hohe halbrunde Wand mit Türen. Ein Riss bricht in der Mitte der Wand  bei Violettas erstem Schwächeanfall auf und frisst Stück für Stück diesen Hintergrund auf, so dass am Ende nur noch die Seitentüren vor schwarzem Vorhang übrig sind. Die besonders bei den Damen sehr gelungenen Kostüme von Anke Drewes heben sich wirkungsvoll von dem Bühnenbild ab. Insbesondere die Figur Violettas bekommt durch das Kostüm sichtbare Konturen. Im ersten Akt ist sie das zerbrechliche Püppchen in edler Kutsche, im zweiten Akt hat sie deutlich an femininer Stärke gewonnen, im dritten Akt ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Neben diesen Aspekten bleibt die Regie in ihren guten Ansätzen recht statisch. Am stärksten gelingt das zweite Bild des zweiten Aktes, wo sich Chor und Solisten zu einer spannenden Klimax vereinen. Ansonsten sind es immer einige Holzhammer-Symbole, die die gute Atmosphäre auf der Bühne schmälern. Violetta schreibt bei ihrer großen Arie E strano wie ein kleines Girlie „amore“ mit Herzchen an eine Tür. Der alte Germont ändert dies im zweiten Akt zu „morale“, dann im dritten Akt angesichts von Violettas Tod malt er bedeutungsvoll morto e amore an die gleiche Stelle. Das nimmt der Sterbeszene einiges an Kraft: Alfred findet bei seinem Eintreffen nur noch die tote Violetta, deren Geist vergeblich versucht, mit ihm zu kommunizieren und schließlich hinter einem weißen Licht-Kreuz verschwindet.

Henrike Jakobs hinterlässt besonders in dieser Szene einen guten Eindruck. Darstellerisch wirft sie sich die ganze Oper mit vollem Einsatz in die Rolle, ohne zu übertreiben. Stimmlich bleiben noch einige Fragezeichen, da sich ihr leichter Sopran im Mezza Voce öfters aufhängt und Brüche in den Registerübergängen deutlich hörbar sind. Dass ihr Sopran fast noch zu leicht für die Partie ist, macht sie mit wendigen Koloraturen und leichten Acuti wieder wett. Auch im Ausdruck bleibt sie der Partie nur wenige Farben schuldig. Ihr Alfredo, Youn-Seong Shim, ist ihr ein idealer Bühnenpartner. Mit etwas weniger glaubhafter Bühnenpräsenz ausgestattet, vermittelt sein schönes Timbre aufgeregte Emotionen und glühende Leidenschaft. Die Überraschung des Abends ist Johannes Schwärsky als Giorgio Germont, der nicht nur sein überreiches Vibrato kontrolliert einsetzt, um väterliche Autorität zu demonstrieren. In der Höhe ist er sattelfest und für die Verdi-Cantilena hat er den langen Atem sowie schöne Legato-Bögen parat. Seine Reue am Ende ist nicht nur gespielt, sondern echtes Gefühl.

Fritz Steinbacher und Nadine Sträter führen die comprimari an, die alle rollendeckend besetzt sind und ihre kleinen Einsätze mit Leben erfüllen. Auch der Chor in der Einstudierung von Donka Miteva und Karsten Sprenger füllt den sozialen Background, der für die Interpretation der Traviata so wichtig ist, glaubhaft aus, allerdings nicht ganz so souverän wie üblich in den Einsätzen. Und wie so oft ist das Sinfonieorchester Münster ein Motor des Geschehens. Unter der hervorragenden Leitung von Fabrizio Ventura ist es weit entfernt von Wum-Ta-Ta-Begleitung. Selbst Gassenhauer wie das unverwüstliche Libiamo-Trinklied sind eingefügt in den großen Rahmen der Komposition. Wunderschöne filigrane Einzelstimmen, dynamische Tempi und Herzschlag-Rhythmen dominieren den Klang und zwingen zum genauen Zuhören.

Der Abend ist eine Solidaritätsvorstellung für die Aids-Hilfe Münster, die unter dem Motto „HIV-Positiv und mitten im Leben“ Aktionen für den Welt-Aids-Tag am ersten Dezember organisiert. Das Stadttheater ist auch mit einigen Schülern gefüllt, von denen einige sich nicht auf das Geschehen einlassen können. Sogar eine Plastikflasche hört man irgendwo auf dem Balkon die Stufen hinabklappern. Doch der Großteil ist konzentriert bei der Sache und spendet am Ende ergriffenen Applaus.

Christoph Broermann