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Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
5. November 2011
(Live-Übertragung aus New York)

Cineplex Münster


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Bilderrausch im Kino

Ein visueller Erfolg: Was Robert Lepage und sein Team für das Auge auffahren, kann sich durchaus sehen lassen und setzt Maßstäbe. Grundlage dafür ist wahrsten Sinne des Wortes the machine, wie die gigantischen, mechanischen, hydraulisch rotierenden Platten genannt werden. Darauf werden wundervolle Bilder projiziert, wie zum Beispiel der See, den Wotan zu einer berstenden Eisfläche gefrieren lässt, um darunter die Göttin Erda zu suchen. Deren Kostüm scheint ebenfalls aus tiefblauem Eisstücken zu bestehen und macht die Figur zu einer Schwester der „Herrin vom See“ aus der Artus-Sage. Designer François St-Aubin hat nicht nur hier ganze Arbeit geleistet.

Die Bilder reagieren direkt auf die Darsteller: So wirbelt der stürmische Siegfried vor seiner Höhle ordentlich Laub auf und sogar eine Quelle gibt es davor.

Im zweiten Akt ist es ein kleiner Wasserfall, der über Fafners Nest herab plätschert und sich bei dessen Tod rot färbt, allerdings hat sich die große Schlange auch ziemlich leicht töten lassen. Genau  dieser Wasserfall macht auch den Gesamteindruck auf der Bühne etwas zunichte, denn allzu oft laufen die Darsteller darunter her, ohne nass zu werden. Aber es überwiegt das Erstaunen über die technischen Möglichkeiten: Sogar der etwas pixlige Waldvogel fliegt durch die virtuellen Bäume. Das kitschige Bild, wie sich dieser Vogel auf Siegfrieds Schoss niederlässt, hätte man sich sparen können.

Die Personenführung von Lepage kann dieses bilderstürmende Niveau nicht halten.   Dennoch gelingt ihm eine glaubhafte Schilderung der Geschichte, die keiner aktuellen Gestalten bedarf, um aktuell zu sein. Besonders gelungen ist der erste Akt, während im zweiten Akt die Spielfläche fast schon zu begrenzt ist, da das aufgerichtete Bühnenbild nur die Spielfläche an der Rampe freilässt.

Vor allem wird aber die Aufführung im Kino ein Erfolg, weil die Kamera sowohl die technischen Feinheiten als auch die Mimik der Sänger sehr gut einfängt und somit die Regungen der realen Sänger an die virtuellen Extras angleicht. Leider ist diesmal die Aufnahme des Tons vor Ort nicht immer optimal, da einige Mikrophone kurze Ausfälle verzeichnen.

Musikalisch bleibt der Siegfried nicht hinter der Technik zurück: Das liegt vor allem daran, dass Fabio Luisi als Einspringer für James Levine seine eigene Handschrift offen legt. Wenig Pathos darf das Orchester der Metropolitan Opera, das bis auf ein paar Wackler im zweiten Akt sehr sicher und facettenreich musiziert, zeigen. Statt dessen gibt es relativ zügige Tempi, das Schmiedelied Siegfrieds erinnert fast an eine italienische Stretta. Jay Hunter Morris besitzt genügend physische und vokale Stamina, um die Titelpartie zum Triumph zu führen. Sicherlich ist sein Timbre nicht unbedingt schön und die Stimme leicht gaumig geführt, so dass die Höhe etwas angestrengt wirkt. Dennoch ist die Gesamtleistung beachtenswert. Sehr sympathisch macht ihn seine sehr genaue Textbehandlung mit amerikanischem Einschlag. Ebenfalls sehr deutlich mit vielen Färbungen macht Gerhard Siegel aus dem Mime eine überragende Charakterstudie, die ideal für die Kamera ist. Sein schmieriges, unsicheres Agieren muss man gesehen haben. Deborah Voigt verliert zuweilen mimisch den Ausdruck, bleibt musikalisch der Brünnhilde aber nichts schuldig. Der eindringliche Bryn Terfel verleiht dem Wanderer eine kluge Gestaltung, in der man menschliche Resignation und göttliches Aufbegehren erkennt. Diese Figur ist im Ring-Zyklus wirklich gewachsen und reifer geworden.

Eric Owens singt den Nacht-Alberich mit ebenso nachtschwarzer Stimme, während der guten Patricia Bardon für die Erda die sichere Tiefe fehlt. Schämen muss sich die Metropolitan Opera, dass sie die Sänger des Fafners und des Waldvogels nicht auf dem Besetzungszettel aufführt: Weder Mojica Erdmann mit glockenhellem und textverständlichen Sopran noch der voluminöse Bass von Hans Peter König haben das verdient.

Wie üblich ist das Cineplex in Münster bei einer Wagner-Oper nur zur Hälfte gefüllt, dabei sind lange Wagner-Opern im Kino alles andere als langweilig. Immer zum Aktbeginn sind die Zuschauer  sehr unruhig und plappern noch in die so schönen Vorspiele, doch dann stellt sich eine aufmerksame Konzentration ein.

Christoph Broermann






 
Fotos: Metropolitan Opera New York