Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
24. Mai 2013
(Premiere am 18. Mai 2013)

Theater Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

In der Umklammerung der Spannung

Münsters erste Saison mit neuem Namen – Theater Münster – und unter der neuen Leitung von Ulrich Peters geht dem Ende zu und findet mit Salome einen fulminanten Schlusspunkt. Die ersten Eindrücke gehören nicht der Musik, sondern dem letzten Bühnenbild von Peter Werner, der am 20. April verstorben ist. Die puzzleartigen Mauern der Feste Herodes nimmt die weiße Kälte des riesigen Mondes auf, der von hinten bedrohlich die Szene beleuchtet. Hier gibt es mehr Öffnungen als Wände, so dass der Missstand des Systems für alle offen liegt. Auf dem Boden sind mit dunklen Gitterrosten die Kerker der Burg angedeutet. Ein paar Stühle, eine Badewanne – mehr braucht es für diese Salome nicht. Werner hat zusätzlich schlichte und trotzdem aussagekräftige Kostüme entworfen. Sehr gelungen ist das Kleid der Salome.

Schnell realisiert man, dass es dem Regieteam nicht um die Aktualität geht, die hier gespielt wird. Eigentlich – so scheint es auf dem ersten Blick – hat Regisseur Georg Köhl nichts anderes getan, als die Oper ganz natürlich zu inszenieren. Seine Personenführung ist nie zu extrem, aber ständig präsent. Ständig ist Bewegung auf der Bühne, aber nie wirkt sie gekünstelt. Ein kleiner Höhepunkt ist der Auftritt des Jochanaan, von dem zuerst eine Hand tastend aus der Bodenluke kommt, dann die zweite und dann erst der Kopf. Nach und nach schält sich aus der normalen Handlung die finstere Geschichte der Salome heraus, die als Kind von ihrem Stiefvater Herodes missbraucht wurde. Die Ablehnung durch Jochanaan lässt Salome nun zur Täterin werden – und richtet dabei den falschen. Der Tanz der sieben Schleier offenbart ihr Geheimnis: Zwei Tänzer - Armin Biermann und Tsutomo Ozeki – stellen mit Salome die tiefe Abhängigkeit zu den beiden Männern und das perverse Verbrechen des Tetrarchen dar. Dieser ganz ungewohnte Tanz ist sicherlich der Höhepunkt einer durch und durch packenden, spannenden Aufführung, die ein ebenso verstörendes Ende findet. Herodes, der umsonst gerufen hat Man töte dieses Weib, ertränkt selber Salome in der Badewanne, der Ort, wo sich das Kind Salome vor ihrem Vater versteckt hat. Das sieht erschreckend real aus, wenn dabei Wasser von den zuckenden Beinen auf die Bühne spritzt.

Bewundernswert ist auch, was Köhl mit den Qualitäten der vielen Ensemblemitglieder in den kleineren Rollen anfangen kann: Lisa Wedekind singt mit schönem Mezzo die Rolle des Pagen, agiert aber mit viel Papier und beobachtender Mimik auf der Szene in der Optik eines Oscar Wilde. Lukas Schmid ist ein auch stimmlich hünenhafter Soldat. Youn-Seon Shim, in Münster längst bekannt als verliebter Tenor, steigert sich in die unglückliche Leidenschaft des Narraboth hinein, ohne an stimmlicher Souveränität zu verlieren. Suzanne McLeods Herodias ist körperlich an den Rollstuhl gefesselt und giftet von dort aus wortstark herum. Adrian Xhema dürfte als Herodes ruhig noch etwas dicker in Punkto Wahnsinn auftragen, macht aber seine Sache ansonsten sehr gut. Gregor Dala tönt mit kleiner Verstärkung sehr beachtlich aus der Zisterne die Mahnungen des Jochanaan heraus. Aber auch auf der Bühne ist er ein stimmgewaltiger Prophet, den man fürchten muss. Überragend ist Annette Seiltgen als Salome. Mal in sich zusammen gekauert, mal selbstbewusst aufrecht – die Sopranistin findet körperlich und stimmlich immer die richtige Haltung. Scharf wie ein Henkerbeil schneidet ihre Stimme, wenn sie den Kopf des Jochanaan fordert. Die dramatischen Anforderungen der Partie bewältigt sie ohne spürbare Anstrengungen und ohne Einschränkungen im schön-jugendlichen Klang.

Das ist umso lobenswerter, weil Fabrizio Ventura die Sänger mit einem recht lauten Orchester konfrontiert. Etwas mehr Verhaltenheit im rechten Augenblick hätte die Stimmen geschont und auch für eine Spur mehr an Dynamik gesorgt. Ein großer Wermutstropfen angesichts einer musikalischen Leistung, die direkt an die Szene anknüpft. Das hervorragende Sinfonieorchester schmiergelt wie Sand an den Nerven der Zuhörer und befördert die Produktion endgültig in die Liga der spannendsten Opernabende dieser Saison. Das merkt man auch an den Reaktionen im Publikum. Wird anfangs noch über das Bühnenbild geredet, verschlägt es bald jedem die Sprache. Nur ab und an müssen einige Herrschaften sich aus der Umklammerung der Spannung befreien, sei es durch kurze Kommentare oder gekünsteltes Lachen. Am Ende bleibt ein fast paralysiertes Publikum zurück, das beim Klatschen leicht auftaut. Doch der Wärmegrad des verdienten Enthusiasmus wird nicht erreicht. Stattdessen beginnen bald nach der Vorstellung die Diskussionen. Ein denkwürdiger Opernabend in Münster.

Christoph Broermann







Fotos: Jochen Quast