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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
8. März 2014
(Premiere am 20. April 1972)

Bayerische Staatsoper München


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Öl und Butter

Hofmannsthals Libretto ließe sich wie „Öl und Butter komponieren“, schreibt Richard Strauss in einem Brief an seinen Textdichter und zeigt, wie leicht ihm nach der Elektra der launische Rosenkavalier von der Hand ging. Ebenso leicht und trotzdem aus einem Guss muss Schenk seine Münchner Inszenierung gefallen sein, sonst wäre sie nicht heute noch so frisch, gewitzt, pointensicher und zeitlos, ohne eine Spur von Angestaubtheit. Nach dem Credo, die Handlung die Inszenierung bestimmen zu lassen, geht Schenk noch einen Schritt weiter. Strauss‘ klaren Lautmalereien, Verzierungen und klaren Rhythmusvorgaben der reichen Musik traut er berechtigterweise zu, der Figurenführung den Takt anzugeben. Mit liebevoller Genauigkeit wird dieses präzise, als bühnenhandwerklich meisterlich gelingende Konzept vom Haus weitergetragen und trotz dem Verweis über die Jahre eine Inszenierung „nach Schenks Konzeption“ aufzuführen, atmet dieser Rosenkavalier den Geist, als spuke er im dritten Akt im Beisl noch immer mit. Nur so funktionieren die zahlreichen Lacher noch, wenn sich etwa Ochs gleich Mariandls Rock unterklemmt, damit das Luder nicht immer wegläuft.

Großen Anteil an diesem Eindruck hat selbstverständlich Jürgen Roses Ausstattung, die mit einer solchen Perfektionswut Rokokokulissen aufstellt, dass etwa im zweiten Akt spontan Szenenapplaus die Musik stört. Mit dem Gag, die Münchner Amalienburg als Wiener Stadtpalais nachzubilden, die Kostüme an Strauss‘ Uraufführungsgarderobe anzulehnen, mit den vielen kleinen wunderbar arrangierten Rollen und den satten Farben, den gefüllten Porzellanschränken: mit all diesen Details wird die Ausstattungsoper hochgehalten.

Nach zwei Schauakten mit viel Personal und Schick – selbst den notwendigen Hundln im ersten Akt – kulminiert diese klassische Inszenierungslust im Geistertrug des Beislaktes und der großen Ochsvertreibung samt rasender Kindermenge und Musikanten. München weiß, warum es seine Schenks, vor allem Kavalier, Bohème und Fledermaus, so angriffslustig gegen Absetzungsgelüste verteidigt.

Wie schön eine solch qualitative Inszenierung den Darsteller trägt, beweisen die starken Kräfte, die nahezu demütige Spielfreude an den Tag legen. Soile Isokoskis Marschallin gewinnt durch die Arriviertheit der großen Sopranistin an einer Sphäre der Rollenverbundenheit, die ab dem ersten Moment rührt. Ihr klar geführter, vielfarbiger Sopran meistert die Rolle noch immer, und ihre Strahlkraft als gewachsene Sängerin addiert eine melancholische Färbung neben spielerische Größe, die entzückt. Allein bei Strauss‘ teils hundsgemeinen Tempi überschlägt sie leicht, wohl auch, weil Petrenko bei diesem Rosenkavalier seinen Kräften wenig hilfreich zur Seite springt, was Kent Nagano etwa hingebungsvoll mit Waltraud Meier pflegte. Stark und glänzend an der Seite Isokoskis Alice Coote als Octavian, die mit wohlkonturiertem Mezzo ohne Anstrengung am meisten Glanzlichter setzt, jedoch ebenfalls mit dem Orchester zu ringen gezwungen ist. Diesen unnötigen Kampf entscheidet sie spätestens im Duett mit Sophie für sich. Ihre Stimmführung und Präsenz dürfen bald eine Carmen erwarten lassen. Vom Heuschnupfen so gar nicht eingeschränkt ist die liebreizende Sophie von Mojca Erdmann, die man in München hoffentlich öfter hören wird. Ebenso wie der Ochs-Wiederholungstäter Peter Rose mit dermaßen raumgreifendem Bass, dass er sich sein spitzbübisches Spiel eigentlich sparen könnte. Doch die darstellende Freude, wenn er etwa von seinen Findelkindern geneckt wird, zeigt wie sich ein großer Sänger mit guter Regievorlage Rolle und Publikum zugleich vereinnahmen kann. Chapeau. Aus dem reichlichen Strauss-Personal ragt Wookyung Kim als höhensicherer Sänger hervor. Fragil, aber glaskar. Das Hausensemble feiert vom Frisör bis zum Wirt ihren Schenk ebenso wie der Chor unter Sören Eckhoff.

Nur einer tut sich etwas schwer mit diesem Rosenkavalier. Der vielgelobte Generalmusikdirektor Kirill Petrenko findet nach einem klaren Fehlstart und einigen groben Schnitzern erst langsam im ersten Akt zu Strauss‘ schnörkelverliebten Walzerklängen. Im Finale I hat er ihn gefunden, liefert einen ordentlichen zweiten Akt, eher im Melancholischen als im Beschwingten daheim, und zerdehnt das Finale III schließlich so sehr, dass ihm kein Sänger mehr folgen kann. Die Kommunikation bis zu Rampe gelingt nicht immer und leider auch im Graben bereits mit Einschränkungen. Kurze magische Schimmer in II machen dieses durchwachsene Dirigat zu keiner Sternstunde, doch sein Hauspublikum steht hinter Petrenko.

Kein Öl und Butter für ihn, dafür Bravo-Konzerte für Isokoski, das hervorragende Ensemble und einen Schenkklassiker, der ebenso anachronistisch wie Strauss‘ Rokoko-Kabale die gute alte Zeit mit viel Öl in der Butter heiß serviert.

Andreas M. Bräu

Fotos: Wilfried Hösl