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Fakten zur Aufführung 

ROMÈO ET JULIETTE
(Charles Gounod)
6. Mai 2012
(Premiere am 29. April 2012)

Städtische Bühnen Münster

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Romantischer Legatobogen

Es ist erst die zweite Vorstellung von Gounods eher selten gespielter Oper an den Städtischen Bühnen Münster und doch sind deutliche Lücken in den Reihen zu erkennen. Münsters Publikum lässt Neugierde vermissen, und dabei kann man das Werk auf einem musikalisch hochwertigen Niveau erleben. Die Inszenierung von Igor Folwill dagegen läuft dieser Form hinterher. Gerade bei der Personenführung gibt es deutliche Abstriche. Der ruhige Fluss von Gounods Musik benötigt zwar keine übertriebene Darstellung, aber zwischen dem tragischen Liebespaar Romeo und Julia sieht man kaum die Funken sprühen. Am besten gelingen dem Regisseur noch der vierte und fünfte Akt, wo sich nach dem Selbstmord des Paares der Kreis zum Prolog wieder schließt. Die Bühne von Manfred Kaderk, die in dieser Saison schon bei der Shakespeare-Theaterversion zum Einsatz kam, fokussiert sich auf das Wesentliche und erreicht doch dabei mehr als die Regie. Die schwarze Ebene mit einer schrägen Anhöhe im Hintergrund braucht nur wenige Zusätze, um den Ort darzustellen: ein großer Kronleuchter für den Ball der Capulets, eine Wand mit fensterartiger Öffnung für die Balkonszene, ein Kreuz für die Hochzeitsszene, Kerzen für die Gruft. Die richtige Stimmung erhalten die Szenen durch die atmosphärische Beleuchtung, und auch die Kostüme von Ute Frühling tragen zur optischen Bereicherung bei.

Bewegung bekommt der Abend nur in der großen Fechtszene des dritten Aktes, die Benjamin Ambruster choreographiert hat. Warum der Chor dabei brav als Zuschauer auf den im Hintergrund aufgestellten Stühlen sitzen muss, und diese erst umwirft, als der Herzog zum Bannspruch auftritt, bleibt ein Geheimnis. Daneben stören inhaltliche Fehler. So ist Romeo schon auf dem Ball anwesend als Graf Capulet seine Tochter der Gesellschaft vorstellt, und ist doch später über Julias Identität überrascht. Durch Kürzungen bleiben Fragezeichen bestehen. Wie kann Tybalt in seinem letzten Wunsch die Vermählung Julias mit dem Grafen Paris geäußert haben, wenn er sofort tot war? Wie kann es passieren, dass Romeo nichts von dem Scheintod Julias wusste, obwohl ihn Frère Laurent darüber informieren wollte?

Die entsprechenden Antworten fehlen im Ablauf und auch musikalisch stellen diese und andere Kürzungen das einzige Manko der Aufführung dar. Dass der Abend ein voller Erfolg wird, ist vor allem zwei Beteiligten zu verdanken. Der Erste Kapellmeister der Städtischen Bühnen Münster, Hendrik Vestman, liest aus Gounods Partitur einen einzigen großen romantischen Legatobogen, ohne dabei in Kitsch abzugleiten. Das hervorragend disponierte Sinfonieorchester hält die Spannung und das recht hohe Grundtempo jede Minute aufrecht. Es kann auch die große Kampfszene im dritten Akt mit furioser Attacke untermalen. Der von Karsten Sprenger bestens vorbereitete Chor meistert nicht nur diese rhythmisch vertrackte Szene, sondern ist den ganzen Abend ein farbenreicher Klangkörper. Der zweite große Gewinn des Abends ist Romeo. Youn-Seong Shim schmiegt sich an das orchestrale Feingefühl und singt diese Rolle ganz elegant auf Linie. Bei den zornigen Ausbrüchen verzichtet er auf forcierende Fermaten, ohne den Momenten die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Henrike Jacobs ist nicht ganz so technisch versiert wie ihr Bühnenpartner, wodurch ihr manche Leichtigkeit in den Koloraturen und Höhen fehlt. Dennoch sind die beiden ein sehr glaubhaftes Bühnenpaar, und Henrike Jacobs wandelt sich sehr sichtbar von einem leichtsinnigen Teenie zu einer liebenden Frau.

Gounod hat viele kleine Rollen um dieses tragische Liebespaar gruppiert, die in Münster allesamt gut besetzt sind. Olaf Plassa ist ein eleganter Comte Capulet, Suzanne McLeod und Thomas Mayr sekundieren als Gertrude und Comte Paris mit Bühnenpräsenz. Roman Grübner und Jeong-Kon Choi zelebrieren die Feindschaft zwischen Mercutio und Tybalt mit wendiger Körpersprache und forschem Parlando. Plamen Hidjov ist ein demütiger Frère Laurent, während Tijana Grujic nur die eine Arie des Stefano benötigt, um sich mit ihrer wundervollen Stimme in die Herzen des Publikums zu singen. Nach diesem Opernabend hätte man eigentlich nur noch eines benötigt: einen wirklich herzlichen Applaus des Publikums. Doch den Zuschauern ging schon nach wenigen Minuten Luft und Lust aus.

Christoph Broermann







Fotos: Michael Hörnschemeyer