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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
15. Dezember 2012
(Premiere)

Bayerische Staatsoper


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Konzertant mit Bühnenbild

Premierenstimmung in der Bayerischen Staatsoper. Kritiker aus ganz Europa haben sich versammelt. Liveübertragung im Bayerischen Rundfunk. Gespannt wartet man auf die Neuinszenierung des Rigoletto von Ensemble-Krétakör-Gründer Árpád Schilling. Viel schlimmer als die Planet-der-Affen- Interpretation von Doris Dörrie von 2005 kann es ja nicht werden. Und tatsächlich: die große Katastrophe bleibt aus. Die Frage ist allerdings, was übrig bleibt, denn die Möglichkeiten zur Interpretation beschränken sich größtenteils auf das Geschehen auf dem Souffleusen-Kasten. Dort jammert Rigoletto über seinen Fluch, dort verabschiedet er sich von seiner Tochter Gilda, dort liebt diese den Herzog von Mantua. Die Sänger stets auf einem Podest zum Publikum gewandt singen zu lassen, verdient grundsätzlich keine Auszeichnung für gute Personenregie. Auch der Chor ist die meiste Zeit auf zwei überdimensionale Holztreppen verbannt und wird bei Bedarf in allen Varianten hervor- oder weggeschoben. Allerdings ist der Unterschied zwischen den zwei Welten Rigolettos sehr gut dargestellt, was in erster Linie der Verdienst des Bühnenbildes von Márton Ágh ist. In der Welt der schlechten, öffentlichen Gesellschaft, in der er ein verachtender, gehässig spottender Außenseiter ist, tragen alle Masken und bilden mit der unspektakulär beigefarbenen Bekleidung zwischen Schaufensterpuppen einen leeren, sich versteckenden Einheitsbrei. Die intime Welt mit Gilda, in der Rigoletto den liebenden, fürsorglichen Vater spielt, wird immerzu durch einen weißen Vorhang abgetrennt. Dieser bildet durch seine Größe und den feinen Gardinenstoff mit den Treppen, und einem, die ganze Bühne ausfüllenden, wiehernden Pferd als Blitz eine wunderschöne Ästhetik und beeindruckende Effekte. Auch die Darstellung des Todes durch einen Rollstuhl mit überdimensionalen Reifen ist sehr gelungen. Auf den üblichen Buckel Rigolettos hat Schilling bewusst verzichtet. Schließlich soll mehr seine von innen kommende als die äußerliche Hässlichkeit betont werden. Äußerlich hässlich und deprimierend fallen stattdessen die sonstigen Kostüme, ebenfalls von Márton Ágh, aus. Allen voran Gildas alltäglicher Jeans-Oversizepulli-Schlabberlook und die unvorteilhafte Strickjacke mit dem geblümten Bademantel des Herzogs von Mantua. Der ordinären Maddalena steht hingegen die Plastikhose mit Hüftkettchen, das pinkfarbene Oberteil und der graue Kunstpelz umso besser.

Die Kostüme können der Exklusivität der Stimmen nichts anhaben. Joseph Calleja, nicht als Vergewaltiger, sondern der Frauenschwarm Herzog von Mantua, hat nicht nur von Natur aus eine schöne weiche Stimme, sondern führt sie mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, dass es den Anschein hat, er würde sich in der nächsten Sekunden selbst zum Tanz auffordern. Ebenso bietet Patricia Petibon, Gänsehaut hervorrufend, eine umfassende Tonqualität und singt die Gilda mit feinen Akzenten und akkuraten Koloraturen, ohne die nötige Kraft für die Rolle zu verlieren. Der immer wieder vor dem Fluch des Grafen Monterone erzitternde Rigoletto wird von Franco Vasallo ebenfalls kraftvoll und mit einem schönen Timbre gesungen. Dimitry Ivashchenko singt Sparfucile und Graf von Monterone vollendet in beängstigende Tiefen und reiht sich mit der ebenfalls wundervoll donnernden Nadia Krasteva als Maddalena und Giovanna in die erstklassige Besetzung. Die Übertönung dieser großartigen Stimmen ist vom sonst so schön spielenden Bayerischen Staatsorchester unter der Leitung von Marco Armiliato also gar nicht nötig. Den erforderlichen Schwung besitzt er allemal, wobei er an manchen Stellen etwas zu gut gemeint ist, ihn man sich an anderen Stellen, vor allem bei den Chorstücken, wieder ausgeprägter wünschte.

Musikalisch ist dieser Rigoletto ein Hochgenuss. Wer szenisch ein Freund des Minimalismus ist und mit überschwänglichem Pathos nichts anfangen kann, ist hier bestens aufgehoben. Zumindest das Publikum reagiert auf das Regieteam mit laut buhender Verständnislosigkeit.

Eugenia Winckler

Fotos: Wilfried Hösl