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Fakten zur Aufführung 

ORPHEUS - VARIATIONEN ÜBER LIEBE UND TOD
(Das andere Opernensemble)
11. Juni 2013
(Premiere)

Carl-Orff-Saal im Gasteig München


Points of Honor                      

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Rote Karte fürs Happy End

Vor drei Jahren gründete der Sänger Hector Guedes in München das „andere Opernensemble“ als gemeinnützigen Verein zur Förderung der Kunst mit der klaren Zielsetzung, neue Formen des Musiktheaters zur Förderung von Gesangstalenten und Musikern zur Aufführung zu bringen. Dazu werden bekannte Werke bearbeitet, dramaturgisch und musikalisch verschlankt und die Konzentration des Publikums auf die Handlungen und Beziehungen der Bühnencharaktere gelenkt. Ausgewählte Vokalsolisten und ein Kammer-Opernorchester sind nun unter der musikalischen Leitung von Julio Mirón im neuesten Projekt in München zu erleben.

Orpheus, der träumende Held, sitzt versunken vor einem tiefblauen Hintergrund. Zu elektronisch verzerrten, meditativen Klängen zieht eine Zeitraffer-Projektion von Landschaftsbildern den Zuschauer aus dem kühlen Carl-Orff-Saal in das Bühnengeschehen. Diese Traumsequenz wird unterbrochen durch das Auftreten des Regisseurs Hector Guedes, der den jungen Sänger Franz Xaver Schlecht zur Probenarbeit an seinem Orpheus ermahnt: Theater im Theater mit bewusster Brechung der Handlungsebene ist ein wesentlicher Baustein des Konzeptes dieser Operncollage.

Die in typischer Opernsänger-Manier gesprochenen Dialoge bieten Anlass zum Schmunzeln, wogegen das singende Paar Eleni Ioannidou als edle griechische Eurydike mit jugendlich dramatischem Sopran und Franz Xaver Schlecht als volltönend baritonaler Orpheus sowohl darstellerisch als auch stimmlich absolut zu überzeugen wissen.

Das als Chor fungierende fein abgestimmte Vokalensemble hat in den fröhlich von Carlos Carraquilla und Guedes choreografierten Ensembleszenen sichtlich Spaß und weiß durch ausdrucksvolle Gestaltung das Bühnengeschehen zu beleben. Dass hier keine ausgebildeten Tänzer agieren, stört somit nicht. Die Videoprojektionen von Frank Sippach und Samuel Bruder sowie das Lichtdesign von Michael Bischoff dienen als Bühnenbild, so dass mit einem Schreibtischstuhl, Notenblättern und den schlichten Kostümen als Requisiten minimalistisch, aber dennoch plastisch gespielt werden kann.

Musikalisch bleiben beim etwas inhomogenen Orchesterklang zumindest vor der Pause ein paar Wünsche offen. Vielleicht wäre eine Positionierung auf oder hinter der Bühne anstatt im Graben sinnvoll gewesen? So wäre die Koordination manchmal sicher einfacher gewesen. Der Schwerpunkt liegt auf Monteverdis barocker Orpheus-Vertonung, aber auch Purcell, Haydn und Mozart erklingen. Für die komischen Elemente sorgt dann ein Zitat aus Offenbachs Orpheus in der Unterwelt, wenn Höllenuntertanen, mit Besen bewaffnet, im Blaumann Cancan tanzen und Guedes als Alberich-Pluto auch einen Teil aus dem Rheingold zitiert. Eine gewagte Kombination, aber nicht ohne Wirkung.

Am Schluss der gut zweieinhalbstündigen Aufführung darf das Publikum durch Hochhalten einer blauen oder roten Karte signalisieren, ob es lieber den geistig überhöhten Monteverdischen Schluss oder das pralle Leben in Form eines Happy Ends möchte. Nachdem man sich für letzteres mit großer Mehrheit entschieden hat, singt das glückliche Paar ebenfalls Monteverdi, allerdings das große Liebesduett Pur ti miro aus L´incoronazione di Poppea zum großen Gefallen des Publikums.

Ingrid Franz

Fotos: David Burmeister