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Fakten zur Aufführung 

OBERON
(Carl Maria von Weber)
17. Juni 2012
(Premiere)

Städtische Bühnen Münster

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Oberon - ein Bilderbuch

Zum letzten Mal eine Opernpremiere bei den Städtischen Bühnen Münster, zum letzten Mal eine Inszenierung vom scheidenden Intendanten Wolfgang Quetes, der in seiner Amtszeit stets dafür gesorgt hat, dass die Werke auf seiner Bühne erkennbar bleiben. Besonders seine eigenen Regiearbeiten sind geprägt vom traditionellen, sparsamen Aktionismus. Auch seine letzte Regie macht da keine Ausnahme, und doch gelingt ihm ausgerechnet mit Webers selten gespieltem Oberon ein letzter Höhepunkt seiner Intendanz.

Für die romantische Feenoper bündelt Quetes alle Kräfte seines Dreispartentheaters. Die langen Wortgefechte der Herrscher der Feen, Oberon und Titania, sind bei den Schauspielern Marek Sarnowski und Christiane Hagedorn in den besten Händen. Beide legen in jede Silbe den selbstbewussten Habitus der mystischen Wesen, zwingen mit ihrem verbalen Schlagabtausch zum Zuhören. Benjamin Kradolfer Roth ist als Ausgangsfigur Christoph Martin Wieland, der später in die Hülle des Helfers Droll schlüpft, ein lebendiger Aktivposten des Abends. Daneben kommt in mehreren kleinen Rollen wie der des Kalifen von Bagdad Peter Jahreis kaum, aber angenehm zum Zuge. Daniel Goldin steuert mit seinem Tanztheater sehenswerte Choreographien bei, in denen Oberon in Gestalt der sechs Tänzer wie ein Schemen über die Bühne zu schweben scheint.

Neben Tanz und Schauspiel ist man natürlich gespannt auf das Musiktheater und registriert überrascht, dass das Hausensemble fast nicht berücksichtigt ist. Einzig Tenor Fritz Steinbacher gibt sich mit seinem drolligen Aufritt als Scherasmin die Ehre und kann in der eher baritonalen Partie einen Erfolg verbuchen. Ansonsten beherrschen Gäste das Geschehen. Eva Trummler ist eine sympathische Fatime, Lucie Ceralova verkörpert mit etwas herbem Mezzosopran den agilen Puck. Jeff Martin hat mit leicht ausstrahlungsarmem Tenor das Nachsehen gegen seinen Schauspieler-Kollegen Marek Sarnowski, mit dem er sich die Rolle des Oberon teilen muss, singt die Partie aber ordentlich. Auch Wolfgang Schwaninger klingt als Held Hüon zuweilen hölzern, hat seine besten Momente, wenn er die Stimme ausladend in der Höhe freisetzen kann, enttäuscht aber in den verhaltenen Mezza-Voce-Momenten.

Doch mit der Besetzung der Rezia hat Münster einen Coup gelandet. Mit Maida Hundeling hört man endlich wieder einen herrlichen jugendlich-dramatischen Sopran, für ihre fulminant vorgetragenen Bravour-Arie Ozean, du Ungeheuer erhält sie einen Bravo-Sturm. Der mühelose, körpergestützte Höhen-Strahl dieser Sängerin begeistert genauso wie ihre natürliche Bühnenpräsenz. Ihr gibt José Manuel Vázquez auch das schönste Kostüm in blauer, orientalischer Verhüllung.

Dieses umfangreiche Personal bindet Wolfgang Quetes in einer ganz eigenen Bühnenfassung, wo die eigentlichen Dialoge von Planché größtenteils durch die Texte von Shakespeare aus dem Sommernachtstraum sowie aus der Verserzählung Oberon von Christoph Martin Wieland ersetzt werden. Im Innenhof der neuen Spielstätte mit den Fassadenüberresten des alten Theaters führt ein Prolog in das Geschehen ein, wo der Dichter Wieland an seinem Werk Oberon arbeitet, das alsbald zum Leben erwacht und dann auf der Bühne fortgesetzt wird. Schade, dass das Premierenpublikum diesen Prolog gnadenlos verquatscht. Auch die von der benachbarten Terrasse zuschauenden, rauchenden Bühnenarbeiter wirken an dieser Stelle wenig professionell.

Die alten Mauern aus dem Innenhof zitiert Heinz Balthes auch in seinem Bühnenbild, das von Manfred Kaderk grandios realisiert wird. Der nachtblaue Spielraum ist mit Versen geschmückt, durch kleine Verschiebungen in der Rückwand werden schnell neue Spielorte angedeutet. Ebenso großen Anteil am optischen Erfolg hat das Lichtdesign von Matthias Hönig. Die etwas krude Handlung, die durch den Orient hin und her springt, wird durch das Bühnenbild, aber auch durch die etwas holzschnittartige Regie Quetes' fast in ein Bilderbuch gepackt, das man nach und nach vorwärts blättert. Die schon oben erwähnte Bündelung der drei Sparten kann größtenteils die etwas statische Personenführung kompensieren, so dass man einen unterhaltsamen Raritäten-Opernabend erleben kann. Musikalisch bekommt er großes Format durch das Dirigat von Hendrik Vestmann, der diese Oper mit nie übertriebenem Drive vorantreibt. Im schlank-romantischen Ton vernimmt man deutlich die Vorlagen für die Instrumentalisierung Richard Wagners. Dem insgesamt guten Sinfonieorchester Münster gelingt es nicht immer, die Atmosphäre der Oper ganz zu packen. Besonders zu Beginn klingen die Holzbläser wie müde Irrlichter und auch die Blechbläser hat man schon sicherer erlebt. Völlig ausgegliedert aus der Produktion scheint der Opernchor. Von den Balkonen rechts und links singt er in Abendgarderobe recht sicher und im Finale enthusiastisch – aber warum denn bitte mit beleuchteten Noten? Karsten Sprenger hätte seinen Chor im besseren Licht erscheinen lassen müssen – egal, wer diese Entscheidung gefällt hat.

Um kurz vor neun ist die Premiere zu Ende, das letzte Gruppenspiel der deutschen Mannschaft bei der EM hat begonnen. Einige Besucher warten kaum den letzten Ton ab, bevor sie das Theater verlassen. Der Applaus wirkt etwas rastlos und hält nur für zwei Vorhänge. Jetzt darf man gespannt sein, welche neuen Akzente Ulrich Peters am Theater Münster setzen wird – die Städtischen Bühnen Münster sind mit Saisonende Geschichte.

Christoph Broermann



Fotos: Michael Hörnschmeyer