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Fakten zur Aufführung 

DER NUSSKNACKER
(Peter I. Tschaikowsky)
13. Dezember 2012
(Premiere am 8. Mai 1973)

Bayerisches Staatsballett, München


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Eine Hommage an das Ballett

Die Geschichte ist verändert, und doch macht alles so viel Sinn. Marie bekommt zu ihrem zwölften Geburtstag von dem Kadetten Günther einen Nussknacker, vom Ballettmeister Drosselmeier ein Paar Spitzenschuhe. In ihrem Traum wird sie nicht in eine Bonbon-Zuckerstangen-Weihnachtszauberei entführt, sondern Drosselmeier zeigt ihr die Ballettwelt mit Proben und Aufführungen. Mit im Geschehen tanzt ihre Schwester Louisa, eine Primaballerina am Hoftheater, mit Günther, in den sich Marie verliebt hat. Keine Spur also vom bösen Onkel Scrooge oder einem Kampf mit dem Mäusekönig. Da jedes Weihnachten immer gleich und für ein Mädchen relativ unspannend ist, hat John Neumeier die Idee John Crankos übernommen und lässt die Geschichte zu Maries zwölftem Geburtstag spielen. Sie wird sich in dieser Nacht in eine Jugendliche verwandeln. Marie ist unbeholfen und kann sich kaum bewegen auf Spitzenschuhen, wird aber von Drosselmeier belehrt, unterrichtet, verbessert. Louise und Günther schweben währenddessen von einem Pas de deux zum anderen, und da im Traum alles möglich ist, wird aus Marie ebenfalls eine wunderbare Tänzerin. Die Choreographie von 1971 ist typisch John Neumeier: Basierend auf den klassischen Tanzelementen von Marius Petipa, fügt er moderne Tanzelemente hinzu, interpretiert neu und schafft einzigartige Kombinationen. Besonders die ausländischen Tänze La Fille du Pharao und Esmeralda und die Narren beweisen seinen Erfindungsreichtum und zaubern aus kleinen Bewegungen große Effekte.

Genauso wie aus kleinen Details ein wunderschönes Bühnenbild entsteht. In Erinnerung an das Marientheater in St. Petersburg wird im ersten Akt die feine Gesellschaft Russlands dargestellt, ohne mit unnötigem Prunk zu überreizen. Die Ballettprobe im ersten Bild, eine einfache Ballettstange vor einer helldämmernden Beleuchtung, zeigen die typische Ästhetik Jürgen Roses. Als Meister der gemalten Kulissen werden diese im Hintergrund einfach ausgeleuchtet und stellen so die verschiedenen Länder im zweiten Akt dar. Auch die Kostüme sind schlicht schön, aber niemals langweilig. Eine Rose auf Louises Tutu, Drosselmeiers wehender Umhang, kleine Verzierungen auf Maries Nachthemd zeigen Roses Detailverliebtheit.

Aber nicht nur Bühnenbild und Kostüme sind zu bewundern, sondern auch Tänzer der Spitzenklasse. Allen voran Ballettstar Polina Semionova als Louise. Schon nach zwei Bewegungen ist klar, was für eine unglaubliche Eleganz und Leichtigkeit sie besitzt. Sie fliegt, schwebt, springt wie eine Feder und strahlt dabei ein ansteckendes Glück aus. Günther, getanzt von Maxim Chashchegorov, wirkt anfangs sichtlich nervös, taut aber nach und nach auf. Ohne jedes Geräusch vollführt er beeindruckende Grand-jetés, Cabrioles und Pirouetten. Gleichauf, aber wesentlich spritziger, was auch in der Natur der Rolle liegt: Tigran Mikayelyan als Ballettmeister Drosselmeister. Immer wieder tanzt er kraftvoll kontrolliert, entweder alleine, mit Louise, Marie oder auch mit dem chinesischen Vogel. Dabei zeigt er noch einen herrlichen Humor, ohne die nötige Ernsthaftigkeit für den Ballettunterricht mit Marie zu verlieren. Maries Rolle als immerzu auf den Allerwertesten fliegende Tollpatschige ist perfekt abgestimmt, und Katherina Markowskaja tanzt und spielt sie entzückend. Nicht nur dass man ihr ihre Unfähigkeit zu Tanzen fast abnimmt, ist eine bemerkenswerte Leistung. Auch als sie es in ihrem Traum später lernt, steht sie der großen Semionova weder in Perfektion, noch in der Leichtigkeit und Freude in nichts nach. Ebenso merkt man den übrigen Solisten, Ilia Sarkisov als Bruder Fritz, Gözde Özgür als Esmeralda und vielen weiteren - nennenswert außerdem Wlademir Faccioni, Nikita Korotkov und Zuzana Zahradníková - das Herzblut beim Tanzen an. Eine gewisse Aufgeregtheit ist bei fast allen zu beobachten. Schließlich wird die Vorstellung an diesem Tag live via Staatsoper.tv in das Internet übertragen.

Das Bayerische Staatsorchester ist ebenso mit ganzem Herzen dabei, wird von Valery Ovsianikov allerdings eher einseitig dirigiert, wobei seine Leistung keiner negativen Kritik unterfallen darf. Vielleicht lenken die wunderschönen Tänze auch zu sehr ab. Die Musik ist allemal ein Genuss und lässt sich durch nichts und niemanden erschüttern.

Nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zum Geburtstag ist diese Inszenierung eine schöne Gelegenheit, sich vom Ballett begeistern zu lassen und in eine andere Welt abzutauchen. Das Publikum kann mit seinem tosenden Beifall auch nicht bis zum Schluss warten. Große Begeisterung über mehrere Vorhänge.

Eugenia Winckler

 

Fotos: Wilfried Hösl