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Fakten zur Aufführung 

NEUES VOM TAGE
(Paul Hindemith)
2. März 2013
(Premiere)

Theater Münster


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Glücklich geschieden

1929, ein Jahr der politischen Erfolge der NSDAP, der Technik und des fließenden Warmwassers, des offiziellen Cannabis-Verbots und der bislang höchsten Scheidungsrate in den Städten - großformatige Schlagzeilen projizieren diese Informationen zu Beginn auf die Bühne. Unter all dem historisch Sinnvollen und illustrativ Buntem aber auch der pure Unsinn: „Einfallsloser Komponist überfällt Notenbank“. Das Theater Münster gibt der Hindemithschen Komischen Oper Neues vom Tage von Anfang an bewusst ein skurriles Drumherum. Das persiflierte Gestern der Inszenierung ist dadurch gut übertragbar auf das Heute.

Im Mittelpunkt steht das sich virtuos und routiniert streitende Paar Laura und Eduard. Die Scheidung muss her! Das geht aber anscheinend nur mit Hilfe des „schönen“ Herr Hermanns, einer Badewanne und reichlich viel Öffentlichkeit. Da Hindemith die einaktige Oper musikalisch hervorragend ausgestattet hat und das ziemlich satirische Libretto von Marcellus Schiffer immer noch frisch wirkt, hebt sich Neues vom Tage, trotz allen liebevollen Klamauks, deutlich vom Boulevard ab. Bei Hendrik Vestmann liegt die musikalische Leitung in den besten Händen.

Ansgar Weigner inszeniert anscheinend mit lockerem Wurf, dabei sitzt jedoch jedes Detail, jede Geste. Der am Rande staubwedelnd lauschende Hotelboy passt ebenso ins Bild wie das Anbieten von Gold, Weihrauch und Myhrre für die Exklusivrechte an der Scheidungsgeschichte. Weigner betont die Persiflage, lässt alles lebendig und flott, und so wirkt die volksnahe, tagesaktuelle Oper heute noch herrlich pfiffig. Die Bühne Christian Floerens ist schön anzusehen und funktional. Ein großer schwarzer Halbkreis mit Leuchtsternen gibt allem den optischen Rahmen einer Revue, die Orte werden auf einem Rondell hereingefahren wie Spezialitäten im japanischen Restaurant. Ein paar Stühle, historisch ziemlich richtig gewählt, schlicht aber effektiv gesetztes Licht von Jörg Schwarzer und der jeweils eingeblendete Name des Raums reichen. Anke Drewes‘  Kostüme wirken authentisch und nicht überzogen.

Laura und Eduard sind mit Henrike Jacob und Gregor Dalal stimmlich gut besetzt. Vor allem Jacobs strahlende, kräftige Höhe lässt sie mit Leichtigkeit ein wenig übertreiben.  Und dann wird jeder Ton zum Hörgenuss. Beide intonieren sauber, singen die Phrasen schön aus und sind immer textverständlich. So wird die Einblendung der Texte oberhalb der Bühne über weite Strecken überflüssig. Außerdem scheinen beide den entsprechenden Humor für eine solche Produktion mitzubringen. Tilmann Unger als „schöner Herr Hermann“ spielt mit seinen sicheren Höhen, sieht gut aus und verliebt sich jedes Mal ganz unprofessionell in seine Kundinnen. Herr M., Fritz Steinbacher, und Frau M., Lisa Wedekind, singen und spielen fabelhaft und lassen ein bisschen jugendhaften Charme einfließen. Die Manager Juan Fernando Gutiérrez, Lukas Schmid, Plamen Hidjov, Youn-Seong Shim und der klangstarke, elegante Bariton Frank Göbel gefallen als Ensemble. Auch Fritz Steinbacher, als Manager doppelt besetzt, gefällt. Das Zimmermädchen Barbara Bräckelmann fügt ein paar schöne Töne als Nebenrolle hinzu.

Chor und Extrachor, von Inna Batyuk einstudiert, ergänzen sicher und musikalisch lebendig das bunte Treiben. Die Choreografie Hans Henning Paars sorgt für gute, stimmige Bewegungsabläufe. Das Sinfonieorchester Münster zeigt sich hervorragend aufgelegt, swingt und marschiert gleichermaßen, und glänzt mit vielen sehr gelungenen Soli in Solooboe und Solovioline.

In Sachen Scheidung zeigen sich die Geschlechter unterschiedlicher Auffassung: Während die Herren sich ein Schmunzeln nicht verkneifen wollen, bleiben die Lippen der Damen eher schmal. Am Ende aber gibt es vor allem eins von beiden Seiten: Viel Beifall. Münster scheint erfolgreich den Weg zum niveauvollen Theater für alle einzuschlagen. Neues vom Tage ist in dieser Inszenierung geeignet, ganz neue Opernfreunde anzusprechen, zumal es sich um ein mit anderthalb Stunden vergleichsweise kurzes Stück handelt. Trotzdem bleiben zur Premiere noch viele Plätze im Zuschauerraum frei.

Heike Eickhoff

 

Fotos: Martin Kaufhold