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Fakten zur Aufführung 

MANON
(Jules Massenet)
7. April 2012

Live-Übertragung aus der Metropolitan Opera New York

Cineplex Münster


Points of Honor                      

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Leidenschaftliche Liaison zweier Stimmen

Massenets Manon benötigt zu allererst eine Sängerin, die die Rolle stimmlich wie physisch glaubhaft darstellen kann. Die Met vertraut, wie auch andere große Opernhäuser derzeit, diese Rolle Anna Netrebko an – und das nicht zu Unrecht. In der Kino-Übertragung zeigt sie sich stimmlich in einer sehr guten Form, auch wenn ihre lang gehaltenen hohen Töne zum Teil knapp unter der richtigen Intonation liegen. Ansonsten bleiben vokal keine Wünsche bei ihr offen, sie weiß, wie sie ihre Stimme dem Charme ihrer Performance anpassen kann. Sie flirtet mit Blicken und Trillern, umgarnt mit schmeichelnden Legato-Passagen, berührt mit der großen Fallhöhe von der vergnügungssüchtigen Femme fatale zur ausgestoßenen Kranken. Die Kostüme von Laurent Pelly stellen sie in den Mittelpunkt: sechs verschiedene Kostüme trägt Netrebko und natürlich macht sie in allen eine gute Figur.

Eine gute Figur macht auch Piotr Beczala. Der Tenor in seiner Debüt-Serie als Des Grieux verschmilzt mit Anna Netrebko zu einer leidenschaftlichen Liaison, die auf der Leinwand großen Effekt hinterlässt. Genau den erreicht Piotr Beczala ganz einfach mit einer herzlichen Natürlichkeit und mit einem traumhaften Mezza Voce. Aber auch mit dramatischen Spitzentönen kann er auftrumpfen. Der Rest der Besetzung assistiert diesem Paar mit großer Spielfreude und charakteristischen Stimmen. Paulo Szot ist als Cousin Lescaut ein respektabler baritonaler Draufgänger. Christophe Mortagne und Bradley Garvin zelebrieren die hohe Bühnenkunst der eifersüchtigen, hoffnungslosen Liebhaber. David Pittsinger ist als Count Des Grieux schlichtweg überbesetzt. Größere Aufgaben sind bei dieser Stimme angemessen. Der gut singende Chor der Metropolitan Opera in der Einstudierung von Donald Palumbo hat sichtlichen Spaß an den Flirts mit den Hauptdarstellern. Die Herren stellen Anna Netrebko genüsslich nach, während die Damen in St. Sulpice den attraktiven Priester Des Grieux beobachten. Massenets vielschichte Harmonien, die rhythmische Vielfalt und das romantische Flirren gibt das Metropolitan Opera Orchester mit großer Präzision wieder. Fabio Luisi zieht es zu oft nur in die begleitende Funktion zurück, vermag aber trotzdem auch orchestrale Höhepunkte mit herrlichen Details aufzuzeigen.

Regisseur Laurent Pelly erzählt die Geschichte der Manon im 19. Jahrhundert. Seine Kostüme der Kollektive sind uniform, so dass sich Manon vom übrigen Personal gut abheben kann und ebenso im Bühnenbild von Chantal Thomas. Das permanente Grau mag auf Dauer sehr eintönig sein, bietet aber für die Kostüme und die Beleuchtung von Joel Adam eine gute Projektionsfläche. Chantal Thomas lenkt die Konzentration auf die dreidimensionale Spielfläche. Lediglich die Umbaupausen sind etwas zu lang, zerreißen den großen Bogen. Angemessen trist die einsame Straße gelungen, auf der Manon ihr Leben aushaucht. Kleine, angedeutete Häuser lassen kein Pariser Flair zu, sondern lenken den Fokus auf Manon und ihre Umwelt. Den Chor konfrontiert Pelly durch zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten mit der Hauptdarstellerin. In seiner Sichtweise ist so deutlich das kalkulierende Wesen der Manon zu erkennen, was ihrer Verhaftung sogar eine gewisse Gerechtigkeit verschafft.

Auf der technischen Seite der Übertragung überzeugt diesmal etwas mehr die Kameraführung, sieht man von manch voyeuristischem Einschlag ab. Nach wie vor sind manche Bildschnitte etwas hart und schnell, aber trotz der Fokussierung auf das Liebespaar bleibt auch das übrige Bühnengeschehen nicht unterbelichtet, was auch den vielfältigen Blickwinkeln zu verdanken ist. Die Beobachtung des Bühnenaufbaus hinter geschlossenem Vorhang verkürzt dem Zuschauer das Warten. Beim Schlussapplaus wird das Publikum in New York gezeigt, das das Paar Netrebko und Beczala mit entschlossenen Standing Ovations belohnt.

Der Ton ist über weite Strecken ohne Fehl und Tadel, wenngleich der Eindruck bleibt, dass nicht alle Kanäle wirklich gut funktionieren. Wenn der Chor auf der Seitenbühne positioniert ist, klingt er viel zu präsent. Dagegen ist Piotr Beczala öfters mehr über das Bühnenmikrofon zu hören, als über seinen eigenen Port.

Die Zuschauer in Münster sind mit der Aufführung zufrieden, wie man am vereinzelten Klatschen erkennt. Einige wenige erwähnen, dass sie nur noch die Übertragungen besuchen, da ihnen die regionalen Theateraufführungen zu provinziell sind – jedem das seine. Die Übertragungen aus der Met sind sicherlich ein Gewinn für die Klassiklandschaft, echte Fans einer Live-Aufführung werden aber sicher auch in Zukunft gern "Provinzielles" genießen.

Christoph Broermann







Fotos: Ken Howard