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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
11. November 2012
(Premiere am 5. Juli 2009)

Staatsoper München


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Zerplatzende Träume

Nach der Premiere im Juli 2009 wird der Lohengrin wieder ins Münchener Staatsopernprogramm aufgenommen, und wie man heute erlebt hat, auch zu Recht. Trotz des strömenden Regens lassen es sich die Münchener und Touristen aus etlichen Reisebussen nicht nehmen, sich rauszuputzen, um die Wiederaufnahme zu besuchen und ihre Darsteller zu feiern.

Die Inszenierung von Richard Jones hat immer noch wenig mit Schönheit und einem prächtigen Brabant zu tun. Elsa wartet auch nicht auf ihren Gralsritter. Sie ist vielmehr emsig damit beschäftigt, sich ihr kleines Glück in den eigenen vier Ikea-Wänden zu erbauen. Allerdings nicht im schönen Brabant, sondern eher in einem trostlosen Innenhof eines DDR-Gefängnisses, unter einer verrosteten Stahlbrücke. In praktischer Latzhose und mit braven Zöpfen plant sie, trägt geschäftig Steine herum, und jeder darf mit anpacken. Da vergisst man schnell, dass man von Telramund des Brudermordes angeklagt ist und ganz Brabant mit König Heinrich auf Klärung drängt. Reißt man sie aus ihrer Geschäftigkeit, wird sie sauer, um dann allerdings in verklärte Träume zu versinken. Der Hausbau dauert drei Akte, und Lohengrin wird, nachdem er gegen Telramund, wohlgemerkt mit dem Rücken zu seinem Gegner, Elsas Ehre ohne viel Bewegung erstritten hat, sofort integriert. Nach der Trauung ziehen Magd Elsa und ihr Zimmermann Lohengrin glücklich in das Fertighaus. Die gute Personenführung muss man Jones lassen. Man fühlt die Liebe und kann den Lohengrin nur allzu gut verstehen, wenn er tieftraurig das hausgemachte Glück samt Kinderbett buchstäblich in Brand setzt. Es ist eine Geschichte zerplatzender Träume, nicht nur bei den Lohengrins. Sowohl Ortruds Wunsch nach Anerkennung und Rache schlägt fehl, als auch die Hoffnung der Brabanten auf eine Leitfigur in der trostlosen Einöde wird zerstört. War man doch gerade aus der Kolchose befreit, steht am Ende der hoffnungslose Suizid. Daran kann auch der lang ersehnte, niedliche Gottfried nichts mehr ändern.

Das passende Bühnenbild und Kostüme liefert Ultz. Die Baustelle des Hauses wird abgewechselt von einem kargen, weißen Raum, an dessen Wand eine Reihe von Zunftzeichen. Im dritten Akt muss, dem Trend einer Wagnerinszenierung entsprechend, Villa Wahnfried eingebaut werden, indem die Inschrift des Hauses "Hier wo mein Wähnen Frieden fand, Wahnfried sei dies Haus benannt" in Blumen, ganz wie auf Bayreuths grünem Hügel, vor dem fertig gebauten Haus platziert wird. Insgesamt setzt Ultz auf Schlichtheit und Übersichtlichkeit und schafft damit eine angenehme Ästhetik. So auch die Kostüme, wobei man sich eine vorteilhaftere Latzhose für Elsa und ein bisschen mehr Ritterlichkeit als die glitzernden Seitenstreifen an der grauen Jogginghose mit blauem T-Shirt für Lohengrin gewünscht hätte. Ob das den westlichen Ritter des trostlosen Ostens darstellen soll, sei dahin gestellt. Ohnehin ist nicht klar, ob die brauen Uniformen, teilweise Sportjacken, wirklich DDR- Bürger, Pfadfinder oder möglicherweise doch die Nazis im Olympiafieber von 1936 darstellen sollen. Die zwei Kreise, die während der drei Akte fortwährend über dem Geschehen wachen, können auf der einen Seite der DDR als Überwachungsstaat zugeordnet werden, indem auf ihnen ein Live-Mitschnitt vom Gesicht des Heerrufers angezeigt wird. Auf der anderen Seite kann man sie auch als überdimensionale Lautsprecher in einem Stadion verstehen. Für den Überwachungsstaat spricht ebenfalls die von einer Kamera gefilmte Unterzeichnung der Trauurkunde, wobei ausgezeichnet auf eine Problematik der Gesichte hingewiesen wird: Während Elsa mit ihrem Namen unterschreibt, macht Lohengrin lediglich ein Häkchen. Rechtlich kann so eine Ehe nicht geschlossen werden. Auch der Hochsitz des Heerrufers, gleich einem Richterstuhl beim Tennisspiel, ist hier positiv zu erwähnen.

Wie man auch immer die Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme gut oder schlecht finden mag: Die Musik ist ein unbeschreiblicher Hochgenuss.

Anja Harteros gibt der Elsa einen sanften, in jeder Tonlage glasklaren, tiefen, angenehmen Klang. Die auffallende Mühelosigkeit erleichtert ihr das Spiel einer arbeitenden, verklärten und verliebten Elsa. Man nimmt ihr alles ab und wünscht, ihre Partie nehme kein Ende. Eine runde Sache, die ihren tosenden Applaus verdient hat. Auch die standing ovations für den frisch gekrönten Echo- Preisträger Klaus Florian Vogt geben seinem Erfolg als Lohengrin recht. Ganz vergessen, dass vor zwei Jahren noch an seiner Stelle Jonas Kaufmman gefeiert wurde. Mindestens genauso gut, wenn nicht noch besser, trifft er die Töne mit viel Volumen und Farbe, besonders fein in den Tiefen und Höhen. Die Atemschwierigkeiten am Anfang des dritten Aktes sind sicher auf seine Verliebtheit zur entzückenden Elsa zurückzuführen. Längst haben sich die beiden als Bayreuths Lohengrin-Traumpaar erwiesen. Umso schöner für die Münchener, dass ihnen dieses Vergnügen ebenso beschert wird.

Diesen Weltklassesängern ist schwer zu folgen. Aber auch das böse Pendant, Michaela Schuster und Evgeny Nikitin als Ortrud und Telramund, in Wagner-Partien bereits bestens erprobt, geben ein hervorragendes Paar. Insbesondere Ortrud gibt bei Beschwörung der Götter im zweiten Akt einen dramatischen und voluminösen Mezzosopran. Hans-Peter König, den Münchenern schon aus der Walküre bekannt, hätte König Heinrich gerne noch mehr Stimmgewalt verleihen können, zeigt aber mit seinem Heerrufer Markus Eiche ebenfalls eine gute Leistung.

Aber kein Sänger funktioniert ohne Dirigent. Lothar Koenigs genießt sein erstes Wagner-Dirigat in der Staatsoper spürbar. Sichtlich ergriffen, zittert und bebt er, singt zeitweise mit, ein zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht. Das Bayerische Staatsorchester dankt es ihm mit ebenso offenkundiger Begeisterung. Auch wenn das Vorspiel vielleicht etwas zu schnell geführt und durchgehend auf eine wohlige Wagner- Lautstärke verzichtet wird: Die Piano-Stellen sind umso brillanter herausgearbeitet, was nicht zuletzt auch ein Verdienst der Sänger ist. Ein Sonderapplaus am Anfang des dritten Aufzugs ist da mehr als angebracht, und auch sonst spart das Publikum nicht mit Lobesbekundungen. Laute Bravo-Rufe, Getrampel, begeistertes Pfeifen und stehende Ovationen bringen die Darsteller dazu, neun Mal vor den Vorhang zu treten.

Keine Inszenierung zum Zurücklehnen und Wagner-Schwelgen, aber eine ausgezeichnete Darstellung und musikalisch einfach brillant. Wer bis zum Schluss mit geklatscht hat, sieht um sich beseelte Gesichter und geht mehr als zufrieden nach Hause.

Eugenia Winckler

Fotos: Wilfried Hösl