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Fakten zur Aufführung 

JOSEPH SÜß
(Detlev Glanert)
3. März 2012
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz,
München


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Paukenschlag zum Abgang

Für die Münchner Erstaufführung von Detlev Glanerts 1999 entstandener Oper Joseph Süß holt der scheidende Intendant Ulrich Peters seinen Erfurter Kollegen Guy Montavon erstmals als Regisseur an das kurz vor der dreijährigen Umbaupause stehende Staatstheater am Gärtnerplatz. Der Komponist selbst steht in der Endprobenphase dem Dirigenten Roger Epple beratend zur Seite und darf erleben, wie sein Werk und er einhellig vom Premierenpublikum umjubelt wurden.

Glanert konzentriert sich in seinen dreizehn Szenen auf die letzten Stunden im Leben des jüdischen Finanzrates Joseph Süß Oppenheimer. In Rückblenden werden seine Verstrickungen am Hof des nach Macht und Sex hungernden Württembergischen Herzogs Karl Alexander exemplarisch aufgezeigt. Aber auch die fragwürdigen Entscheidungen zu Gunsten der eigenen Karriere, unterdrückte Emotionalität und die Frage des Glaubens spielen eine Rolle in diesem schonungslosen Portrait einer zwiespältigen Persönlichkeit, die exemplarisch für den politisch geschürten Judenhass mit Todesfolge steht.

Natürlich ist der Missbrauch des Stoffes durch den Nazi-Propagandafilm von Veit Harlan nicht mehr wegzudenken, und so beginnt auch Guy Montavons Inszenierung mit einem Prolog zweier bayerischer Jäger vor einem Prospekt des judenfreien deutschen Waldes mit derben Judenwitzen. Nicht unbedingt zwingend notwendig, aber immerhin wird das große Schild „Juden sind in deutschen Wäldern nicht erwünscht“ in der Szene der Ermordung von Süß´ Tochter Naemi zur Mordwaffe und somit ein zeitlicher Bogen geschlagen.

Eigentlich beginnt die Oper sehr still mit zart sich entspinnenden Orchesterklängen, zu denen die sieben Protagonisten ihre Erzählfäden zögernd aufnehmen. Roger Epple ist die Erfahrung mit Glanerts Werken anzumerken, denn er schafft mit den Musikern des Orchesters eine äußerst akkurate, bis in die Extreme spannungsreiche und gut durchzuhörende Ausleuchtung der komplexen Partitur. Glanerts Musik ist voll von Elementen der Barockmusik, von jüdischen Psalmen und von klar charakterisierenden Motiven für jede Figur. Außerdem fordert das Stück einen exzellent agierenden und als Masse in Blutrausch verfallenden Chor, dessen finaler Aufschrei „An den Galgen“ zum Ohren betäubenden Orkan wird. Eine grandiose Leistung der Chorsolisten des Hauses, die Montavon sehr genau in Szene gesetzt hat.

Auch das ausdrucksstarke Bühnenbild und die Kostüme von Peter Sykora schaffen den zeitlichen Brückenschlag vom Rokoko bis heute. Seine granitfarbenen Stelen auf der Drehbühne erinnern an das Berliner Holocaust-Mahnmal, der rote Käfig, in dem Süß gehenkt werden soll baumelt bedrohlich im Hintergrund, das Gefängnis besteht aus aufgeschichteten Goldbarren. Die barocken Kostüme sind in rot, schwarz und weiß gehalten, und lediglich die beiden liebenden Frauen Magdalena und Naemi heben sich durch pastellfarbenere Töne davon ab.

Sängerisch bietet das gesamte Ensemble eine gute Leistung, wobei besonders die junge Mezzosopranistin Carolin Neukamm als Tochter Naemi aufhorchen lässt, ebenso wie der kurzfristig eingesprungene Tobias Scharfenberger als Magus. Karolina Andersson kann als Opernsängerin Graziella mit aberwitzigen Koloraturen beeindrucken, verschwindet als Figur allerdings in der bleichen Masse der Höflinge. Hätte Gary Martin als eher zurückhaltender, kühl taktierender Joseph Süß einen weniger exaltierten, nicht ganz so durchgeknallten Herzog, wie den des Stefan Sevenich als Gegenüber gehabt, vielleicht hätten die gefährlichen Gemeinsamkeiten der beiden eine spannendere Beziehung auf der Bühne möglich gemacht. Hier wird der Herzog zum Monster, und der mephistophelische Weissensee von Mark Bowman-Hester zieht die tödlichen Strippen im Hintergrund, um sich an Süß zu rächen.

Die pausenlosen 90 Minuten fordern höchste Aufmerksamkeit und Bereitschaft zum Austesten der Schmerzgrenze vom Publikum, doch nach kurzem Luftholen lässt man bei dieser Premiere das Team kaum mehr von der Bühne. Ein gelungener, homogener, beachtenswerter Abend mit Paukenschlag- Charakter im Hinblick auf den unfreiwilligen Abgang des Staatsintendanten. Münster darf sich auf seinen neuen Intendanten freuen.

Ingrid Franz







Fotos: Hermann Posch