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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
15. Juli 2012
(Premiere am 30. Juni 2012)

Bayerische Staatsoper München, Opernfestspiele

Points of Honor                      

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Aufwühlendes Liebesdrama im Euroland

Die Wettergötter meinten es nicht gut mit den Münchnern ohne Eintrittskarte, die sich auf einen langen Sonntagabend mit Wagner bei „Oper für Alle“ auf dem Max-Joseph-Platz vor der Bayerischen Staatsoper eingerichtet hatten. Heftige Regengüsse und Kälte mussten ertragen werden, um die letzte Götterdämmerungs-Vorstellung der Opernfestspiele 2012 auf Großleinwand live mitzuverfolgen. Nina Ruge moderierte die Pausen und interviewte die Mitwirkenden, wovon die Kartenbesitzer in der Oper nicht allzu viel mitbekamen. Dafür erlebte man dort knapp fünf mitreißende Wagner-Sternstunden vergleichsweise bequem im Trockenen.

Zur Nornen-Eingangsszene versetzt Andreas Kriegenburg das Publikum in eine Dekontaminierungsstation nach einem Reaktorunfall. Stumme Schreie und Gebete der verzweifelten Menschen auf der Bühne schaffen eine beklemmende Atmosphäre, und die Nornen fesseln sie beinahe mit ihrem roten Faden, der dann endlich reißt. Fukushima-Nachrichtenbilder flimmern über zahlreiche Bildschirme, und die wandlungsfähigen, aussagestarken Bühneninstallationen von Harald B. Thor geben einmal mehr Anlass zum Staunen und zur Freude.  

Stets wird genug Raum gelassen für die Akteure, und deren exzellente schauspielerische Leistung füllt den Raum und trägt über die Längen dieses Werkes mühelos hinweg. Das gesamte Solistenensemble ist bestens disponiert, doch Nina Stemme beansprucht als grandiose Brünnhilde eine Klasse für sich. Stephen Gould als Siegfried ist ihr ein ebenbürtiger Partner, denn beide zeichnen sich durch ein dunkles, warmes Timbre mit großer Stabilität bis in die extremen Lagen aus.

Am Hofe der Gibichungen bilden Iain Paterson als Gunter, Anna Gabler als Gutrune und Eric Halfvarson ein schillerndes Dreiergespann zwischen abstoßendem Yuppie-Gehabe, Sexsucht, fiesem Intrigantentum, echter Sehnsucht nach Liebe und familiärer Verpflichtung. Das unglückliche Geschwisterpaar herrscht über eine große Schar Bankangestellter, die in grauen Anzügen monoton ihren Dienst tun und dem goldenen Eurozeichen huldigen, auf dem Gutrune lasziv herumreitet. Die Waffen dieser Krieger sind Handys, wobei Hagens Mordwaffe dann doch ein antiker Speer aus dem Schaukasten mit der Ritterrüstung ist.

Das Staatsorchester unter Kent Nagano spielt auf höchstem Niveau, wobei eine gewisse analytische Kühle musikalisch im Gegensatz zu den Emotionsausbrüchen auf der Bühne steht. Bei Siegfrieds Tod und dem Trauermarsch wird das besonders deutlich. Das Grollen zu Beginn klingt fast schon buchstabiert und dann kracht es mit solcher Gewalt in den Raum, dass man zusammenzuckt. Effektiv und schonungslos ist das aber ohne Frage. Nagano lässt den Klängen Zeit, die Sänger fühlen sich hörbar wohl – da geht es auch ohne romantisches Wogen und Wallen.

Apropos, die drei Rheintöchter, Nornen und Männerchor, Michaela Schusters neurotische Waltraute und Wolfgang Koch im Kurzauftritt als Alberich tragen Szene für Szene zum rundum gelungenen Abend bei, der vom Publikum drinnen wie draußen bejubelt wird – wenn auch wegen der fortgeschrittenen Uhrzeitnicht allzu lange.

Ingrid Franz

Fotos: Wilfried Hösl