Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
11. Februar 2012

Live-Übertragung aus der Metropolitan Opera New York
im Cineplex Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Viel Technik, wenig Mensch

Das Wagner-Jahr 2013 wirft seine Schatten voraus, viele Opernhäuser schmieden derzeit am Ring, um ihn zum 200. Geburtstag des Komponisten in bestechender Form zeigen zu können. Dass das Jahr 2012, wo ein endender Maya-Kalender Endzeitfantasien weckt, ein perfekter Zeitpunkt für die Götterdämmerung ist, sei nur nebenbei bemerkt. Auch die Metropolitan Opera hat nun ihren Ring vollendet.

Wie auch in den vergangenen Teilen steht natürlich die große Bühnen-Maschine im Mittelpunkt, die sich unter der Aufsicht von Carl Fillion immer wieder verändert. Säulenhalle, Walkürenfelsen, Rheinufer – alles kann das hydraulische Wunderwerk darstellen. Vor allem ist sie aber im Laufe des Rings immer mehr eine große Fläche für die imposanten Projektionen von Lionel Arnould geworden. Der verwandelt die schräg gestellten Platten in eine riesige Stromschnelle des Rheins, wo die Rheintöchter sich auf die Felsen setzen und mit dem sprudelnden Wasser wieder hinabrutschen können. Ausgerechnet am Ende der Oper bleibt die beherrschende Bühne hinter den Erwartungen zurück. Zunächst einmal muss Brünnhilde sehr langsam in das Feuer reiten, was sie eher im stürmischen Galopp machen müsste. Ihr Pferd mag aus den hinteren Reihen echt erscheinen, die Nähe der Kamera für die Kino-Übertragung macht dank des leeren Kopfschutzes aus dem Tier ein Thestral, ein unsichtbares Pferd aus dem Harry-Potter-Roman, was albern wirkt. Es folgen die entsprechenden Projektionen von Feuer und Wasser, sowie auseinanderbrechende Statuen der Götter, bevor the machine die Position eines ruhigen Flusses einnimmt. Sicher ist das optisch eine Lösung, aber berühren kann das nicht. Die Kamera fängt bis auf ein paar anfängliche Schwierigkeiten, die durch zu rasche Zoom-Manöver entstehen, das gesamte Geschehen sicher, aber auch unspektakulär ein. Die Einstellung wechselt viel von der Totale, die dem Zuschauer die Bühne präsentiert, zur respektvollen Nahaufnahme der Sänger. Die zwei kurzen Hänger in Bild und Ton können das Ende der Götter jedenfalls nicht aufhalten.

Die moderne Technik nutzt Regisseur Robert Lepage für eine konventionelle, gradlinige Erzählung der Geschichte. Gerade aber bei der Götterdämmerung gilt es in den langen Bögen der Musik, die Spannung zu halten, und das vermag seine Personenführung nicht. Da müssen die Darsteller schon mal ein paar Sekunden motivationslos nebeneinander verharren, bevor sie miteinander kommunizieren können. Immerhin kann jeder Sänger seiner Figur ein markantes Profil verleihen. Das merkt man besonders bei Jay Hunter Morris, der den Siegfried mit beeindruckender Physis spielt. Bei ihm kann man Übermut und Naivität deutlich sehen, nur einige Schwertposen wirken sehr gekünstelt. Dazu singt er die Rolle mit geschmeidiger Kondition, beeindruckt noch im dritten Akt mit der lyrischen Leichtigkeit für die Imitation des Waldvogels. Deborah Voigt hat ihr größtes Manko in der Mimik, das ihrer feurigen Interpretation der Brünnhilde einiges an Außenwirkung nimmt. Ein grandioser Moment ist die Begegnung mit Waltraute, die von Wagner-Veteranin Waltraud Meier leidenschaftlich verkörpert wird.

Hans Peter König macht den Hagen durch eine gefährliche Freundlichkeit zu einem ungewöhnlichen Bösewicht. Sein Pracht-Bass hingegen verströmt die Dominanz des Schurken. Mit einem schönen Sopran, der in der Höhe nicht keift, und dem passenden attraktiven Äußeren ist Wendy Bryn Harmer eine Ideal-Interpretin der Gutrune, der man eine vorsichtige Entwicklung für die Zukunft wünscht, auf dass sie ihr wertvolles Material für eine große, lange Karriere bewahre. Auf dem gleichen Niveau bewegt sich Iain Paterson als Gunter mit der richtigen Mischung aus königlicher Arroganz und erbärmlicher Zerknirschtheit. Eric Owens hat als Alberich einen hervorragenden Kurz-Auftritt. Auch die Nornen und Rheintöchter sind sehr zufriedenstellend besetzt, wobei das homogene Rheintöchter-Terzett aus Erin Morley, Jennifer Johnson Cano und Tamara Mumford das dankbarere Regiekonzept bekommen hat als die statischen Nornen von Maria Radner, Elizabeth Bishop und Heidi Melton, die aber trotzdem engagiert singen. Absolut stimmgewaltig präsentiert sich der grandiose Chor in der Einstudierung von Donald Palumbo, der leider szenisch viel zu wenig gefordert wird. Fabio Luisi interpretiert die Götterdämmerung in einem schönen Gleichgewicht aus sphärischem Schwebezustand und dramatischer Zuspitzung. Das Orchester der Metropolitan Opera ist besonders im Bereich der Blechbläser nicht ganz so souverän wie gewohnt, ist aber sowohl in der Vorwärtsbewegung als auch in der Lautstärke ein beeindruckender, aber nie sängerbedrängender Klangkörper.

Das Cineplex Münster ist überraschenderweise für eine Wagner-Oper sehr gut besucht. Sowohl in New York als auch in Münster herrscht gespannte Aufmerksamkeit. Nach der Vorstellung gibt es in New York laute Ovationen für die Musiker. Dass das Schlussbild kaum Platz für Emotionen lässt, zeigt der schnell aufbrandene Beifall, ehe der letzte Ton verklungen ist. Andernorts hinterlässt die Götterdämmerung oftmals erst betretene Stille.

Große Diskussionen wird der neue Ring an der Met sicherlich nicht aufgrund seiner Inszenierung auslösen. Visuell ist er viel stärker als in der Personenführung, wenngleich man sich über eine traditionelle Sicht des Rings im Zeitalter des modernen Regietheaters durchaus freuen kann. Robert Lepage und sein Team zeigen sich als große Theatermacher, die die technischen Möglichkeiten revolutionieren. Für die Kino-Übertragungen war diese Sichtweise aufgrund der visuellen Stärke nichtsdestotrotz ein großes Highlight. Etwas mehr an menschlicher Bewegung darf allerdings schon geboten werden. Dagegen hält die Met große Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Bryn Terfel als Wotan, Jonas Kaufmann als Siegmund, Jay Hunter Morris als Siegfried oder Deborah Voigt als Brünnhilde. Weniger darf das allerdings nicht sein.

Christoph Broermann

Fotos: Ken Howard