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Fakten zur Aufführung 

DAS GEHEIMNIS
DES EDWIN DROOD

(Rupert Holmes)
9. Februar 2013
(Premiere)

Theater Münster


Points of Honor                      

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Gesang

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Flotte Mördersuche

Jubel und stehende Ovationen, ein offenes Ende und treffsicher in die Gehörgänge zielende Melodien in hervorragender Inszenierung machen das Musical Das Geheimnis des Edwin Drood nach einem Romanfragment von Charles Dickens zu einem Garanten für allerbeste Unterhaltung. Ein interaktiver Krimi mit flotten Songs statt Herzschmerz zu sentimentalen Melodien, verwegen wirbelnde Akteure, forsche Tänzer, ein gut vorbereiteter  Chor in der Einstudierung von Teresa Rotemberg, und das kleine, wunderbare Orchester sorgen für musikalisch einwandfreie Abläufe. Das Bühnenbild von Karin Fritz, die auch die opulenten Kostüme auswählte, schafft mit ein paar Projektionen und multipel verwendbaren, überdimensionierten Schränken, die sowohl Gruften als auch Haustüren darstellen, eine viktorianisch versponnene Umgebung, wie man sie sich für die Romane von Charles Dickens vorstellt. Rotemberg hat die Tänzer flott und schön proportioniert auf der Bühne verteilt. Die Inszenierung von Karl Absenger vermeidet jede Länge, hat Spaß an kleinen humorvollen Einfällen und lässt schon mal eine Liedzeile, die vom Publikum mitgesungen werden soll, mit einer überdimensionierten Lupe versehen, überraschend von der Decke herabbaumeln.

Die Handlung ist eigentlich ganz schlicht: nach Irrungen emotionaler Art verschwindet der junge Edwin Drood. Da Dickens den gleichnamigen Kriminalroman nicht beendete, spekuliert dieses Musical um den Verbleib des jungen Mannes. Schnell ist man sich jedoch einig, dass er ermordet wurde. Nun beginnt der interaktive Teil, auf deutschen Bühnen eher selten zu sehen: das Publikum stimmt ab, wer als Mörder in Frage kommt. Das Ensemble muss wegen der vielen verschiedenen möglichen Ausgänge sechs Schlüsse parat haben.

Der Prinzipal, gegeben von Gerhard Mohr, führt das Publikum durch die Bühnenshow und fordert: „Zieht die Schuhe aus, lasst die Hosen und die Korsetts fallen und vergnügt euch!“ Ein paar im Publikum verteilte Statisten sorgen von Beginn an für laut johlenden Beifall, sind aber durch ihre Kostüme sofort erkennbar und alles andere als konspirative Claqueure. Nach ein paar Minuten lacht und jubelt das Publikum ebenso laut. Edwin Drood, von Roberta Valentini als Hosenrolle auf die Bühne gebracht, kommt ein bisschen hektisch daher, ist auch stimmlich eng angelegt. Sein garstiger Onkel John Jasper, bei Axel Herrig gut aufgehoben, wandelt zwischen Fiesling und Künstler, und seine Liebe zu Rosa Budd, gesungen von Juli Lißel, wirkt überzeugend. Diese scheint nicht ganz abgeneigt, fällt sie doch bei jeder Liebesbekundung des Scheusals in Ohnmacht. Der grundsolide Pastor Crisparkle, bei Peter Jahreis in sicheren Händen, lächelt gütig. Die Geschwister Landless, Johanna Marx und Dennis Laubenthal, stammen aus Saigon und gelten nicht wirklich als echte Engländer, ein für Kontroversen sorgendes Nebenthema. Singen und Schauspielern können sie übrigens beide überzeugend. Die großartige Suzanne McLeod, man denke an ihre Frigga in der Ringinszenierung in Münster vor einigen Jahren, gibt die Opiumhöhlenbesitzerin Prinzessin Puffer, singt von goldgelockten Verbrechern und trägt ihr grandioses Puffmutterkostüm mit Würde. Die Totengräber Durdles, Aurel Bereuter, und sein Gehilfe, Tom Ohnerast, entwickeln sich mit ihrer Schusseligkeit zu Publikumslieblingen. Bazzard, von Ilja Harjes unterhaltsam gegeben, Lars Hübel in der Rolle des Horace und der Inspizient, Tomas Zwozniak, gefallen ebenso.

Unter der Musikalischen Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg, der bis zum Ende für fließende, aber nicht überzogene Tempi sorgt und auch den kleinen pathetischen Choral komponiert hat, der einige Mal aus dem Off zugespielt wird, zeigt sich das Sinfonieorchester Münster als sehr gutes, pfiffiges Musicalensemble mit beeindruckenden Bläsersolisten - Kompliment.

Wer bislang Musicals nicht unbedingt liebte, wird nach diesem bewusst überkandidelten Drood seine Meinung sicher ändern. Und sich fragen: Wer war‘s?

Heike Eickhoff





Fotos: Jochen Quast