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Fakten zur Aufführung 

DER FLASCHENGEIST
(Wilfried Hiller)
27. Januar 2014
(Premiere am 23. Januar 2014)

Staatstheater am Gärtnerplatz, München


Points of Honor                      

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Die Buddel von Hawaii

Basierend auf einer Zusammenarbeit mit Michael Ende Anfang der 1990-er Jahre, vollendet Wilfried Hiller zusammen mit Felix Mitterer, Drehbuchautor unter anderem der grandios satirischen Piefke-Saga, seine Idee zu einem ozeanischen Singspiel. Leicht verspätet entlässt Hiller nun seinen Geist der Zauberflasche zwanzig Jahre danach als Auftragswerk für das Gärtnerplatztheater. Nach Stevensons bekannter und zigfach adaptierter Dschinnvorlage des bottle imp komponiert der märchenerfahrene Schöpfer des Traumfresserchens eine neue Variante des alten Stoffes: Der unglücklich verliebte Matrose Keawe kommt an die verfluchte Flasche samt wunscherfüllendem Dämon, dessen Besitzer im Moment des Todes zur Hölle fährt. Deshalb muss die Wunschbuddel schnellstmöglich und noch dazu niedrigpreisiger den Besitzer wechseln. Es entspinnt sich ein ständiger Tausch samt Umrechnungskursen, Währungsproblemen und der Erkenntnis, dass das erwünschte Gold nicht glücklich macht. Nicht jedoch entfaltet sich das in der Ankündigung versprochene „ halsbrecherische Abenteuer“, und auch das Prädikat Singspiel kann bestenfalls euphemistisch verstanden werden. Das redundante Tauschgeschäft um die Flasche trägt die beiden Stunden nicht und wird die ab neun Jahren angesprochenen Kinder weniger – wie befürchtet – gruseln als langweilen. Dementsprechend finden sich wenige Jugendliche im mäßig besuchten Saal ein.

Dabei beginnt das Märchen vielsprechend. Der erzählende Fluchgeist begrüßt das Publikum mit einem ironischen Prolog, bevor er leider die ganze erste Hälfte versteckt wird, um erst zum Finale I die schleppende Handlung wieder etwas anzuschieben. Es passiert nämlich tatsächlich wenig. Librettolastig wird die Handlung äußerst gemächlich vorangetrieben. Melodische Fetzen unterbrechen den Sprechtext zu selten, oft dient Hillers vielseitiger Meeresgrundklangteppich als reiner Hintergrundsoundtrack der nicht übermäßig spannenden Geschichte, die über weite Stellen im Trüben fischt. Chor und Schauwert gehören nur sehr knappe Momente, dazwischen wird in Abwesenheit von Geist und Spannung über den Fluch der Flasche verhandelt. Regisseurin Nicole Claudia Weber, die sich bereits mit Co-Regie und eigener Spielerfahrung am Gärtnerplatz erste Lorbeeren verdient hat, versucht, aus diesem Boulevard ohne Pointe etwas herauszuholen. An vielen Stellen gibt es nur leider nichts zu inszenieren. Ihre brave szenische Einrichtung bietet da kein Gegengewicht und keine Rettung. Gerade Mitterer als Textverantwortlicher hätte aus der zugegebenermaßen eher plätschernder als strömender Vorlage mehr liefern müssen. Hinzukommendes Manko bildet der Ausweichort des baubedingt geschlossenen Gärtnerplatztheaters. Der Carl-Orff-Saal im Münchner Gasteig erlaubt weder großen Bühnenzauber, noch Atmosphäre in Backsteinöde. Karl Fehringer und Judith Leikauf, verantwortlich für Bühne und Kostüm, bemühen sich nach Möglichkeit. Es gelingt eine hübsche Flaschenpflanzenskulptur in der Bühnenmitte, jedoch misslingen die häufigen holprigen Umbauten mit als Hausersatz verschobenen Dekobrettern in den Bühnenraum. Die farbenfrohen Kostüme verströmen davor durchaus etwas Urlaubs- und Hawaiigefühl. Das ersetzt leider keine Handlung abseits von Devisengeschäften um Aussatz, Ehezwist und Höllenflucht.

Roland Schneider brilliert mit beachtlichen Counterkoloraturen und boshaft spielerisch als Flaschengeist. Seine Verständlichkeit ist dagegen nicht zufriedenstellend. Aus dem Graben teils zum Trio mit Mezzo und Sopran verstärkt, liefert er dafür die musikalisch stärksten Momente des Singspiels. Das funktioniert bei Erwachsenen. Jugendliche fanden den fremden Counterklang in der Pause leider schlichtweg doof und störend. Paul Schweinester muss sich als Mann fürs Neue nach „Onkel Präsident“ von Friedrich Cerha erneut langhaarig mit seinem noch nicht ganz beherrschten Tenor beweisen. Katharina Ruckgaber als aufopferungsbereite Geliebte Kokua gehören die wenigen angenehm melodischen Schnipsel, die sie ordentlich aufliest. Unterfordert der sporadisch eingesetzte Chor des Gärtnerplatztheaters unter Jörn Hinnerk Andresen, der nur an zwei zu kleinen Stellen hauptsächlich die Bühne beleben soll und sofort nach Abtritt zu fehlen beginnt. Beachtung findet Hauskraft Holger Ohlmann in einer Doppelrolle und als geschickter Instrumentalist mit einer so genannten Steeldrum.

Überhaupt gehört dem Schlagwerk und der Instrumentierung der Fokus dieses neuen Werkes. Hiller fährt nicht weniger als 56 Schlagwerkshelferlein zur Meeresatmosphäre sichtbar mit vier Perkussionisten an der Seitenbühne auf. Dazu gesellen sich zwei Harfen und eine vielseitige Besetzung mit prominenten Blechbläsern und seltenem Orchestersound. Ein wenig Klangschule und Instrumentenkunde wird da unter der versierten Leitung von Michael Brandstädter, dem Mann am Haus fürs Leichte, abgehalten, der Ocean Drum und Klanghölzchen bestmöglich zusammenführt. Es gelingt eine Mischung aus Hans-Albers-Romantik, Hans-Zimmer-Rums und Volkslied-Atmosphäre. Diese bereitet vor allem die ebenfalls sichtbar mitspielende Akkordeonistin Stefanie Schumacher. Auch so eine gute Idee: Mit Zitaten aus allerlei Seefahrerliedern, aus viel Klangmalerei und einer Südseekulisse eine runde Märchengeschichte zu zimmern. Leider spielt die Geschichte nicht mit, und die musikalischen Ansätze laufen im lähmenden Libretto ins Leere. Michael Ende hätte das wohl nicht zugelassen. Höflicher Applaus.

Andreas M. Bräu

 







Fotos: Christian Zach